Das betreute Lesen widerspricht der Demokratie

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Kinder werden betreut Foto Pixabay

Meine Vorstellung von Journalismus ist, dass der Leser die wichtigen Informationen mit mäßigem Aufwand wahrheitsgemäß erlangen kann und dass der Leser diese dann nach seinem eigenen Denken beurteilt. Und wenn der Leser die Meinung anderer wissen möchte, dies getrennt als Meinungsartikel lesen kann. Wichtige Dinge sollte der Leser ohne Betreuung eines Journalisten im Original lesen können. Den Bezug eines Artikels einzuordnen kann sinnvoll sein. Dazu ist es aber nicht notwendig vorher zu schreiben, wie der Leser den Text zu bewerten hat oder ob der Autor zu verdammen ist oder auch nicht. Eine solche Betreuung unserer Leser ist tatsächlich schon mehrfach an den Braunschweig-Spiegel herangetragen worden. Möglicherweise glauben die gebildeten Kritiker, dass andere Leser – als sie selber – einer gewissen Betreuung bedürfen, um das „Richtige“ zu denken.

In die gleiche Richtung gehört es Medien zu behindern oder gar zu verbieten – beides verbietet unsere Verfassung.

Wenn ich über unsere Außenministerin schreibe, bewerte ich nicht ihren IQ, sondern zitiere sie nur – und jeder mit abgeschlossener Schulausbildung kann dann ihre Leistungen selber bewerten. – Ach hier bin ich schon wie viele Mainstreamjournalisten, die auch glauben, ihre Meinung überall rein pfropfen zu müssen.

Für demokratische Entscheidungen sind gute Informationen notwendig. Ohne diese taugen Wahlen wenig. Wenn eine Zeitung gut informiert, ist es für den Leser nicht so wichtig, ob diese konservativ oder links ist. Für mich persönlich ist die Qualität der Informationen wichtiger als die politische Ausrichtung. So kann ich mit der FAZ mehr anfangen, als mit der TAZ.

Wenn der Bürger ausreichend und möglichst neutral informiert ist, dann muss auch noch der Wahlprozess zum gewollten Ergebnis führen.

Ich habe folgende sinngemäße Definition für Demokratie vor kurzem gelesen:

Demokratie ist, wenn durch eine Abstimmung die Mehrheit eine Regierung festlegen kann, die die Interessen der Mehrheit vertritt.

Ich denke nach dieser Definition sehen die meisten Demokratien der Welt alt aus.

Unsere Zeitung möchte zu einer ausreichenden Information beitragen. Da wir als kleine alternative Zeitung nicht umfassend informieren können, legen wir mehr Wert darauf die kaum genannten oder sogar falschen Informationen in den Mainstreammedien zu bringen oder zu korrigieren.

Oben schrieb ich: Meine Vorstellung von Journalismus ist, dass der Leser die wichtigen Informationen mit mäßigem Aufwand wahrheitsgemäß erlangen kann. Meine Erfahrung ist, dass ich trotz großen Bemühens mich schwer tue bei umstrittenen politischen Themen die richtige Antwort zu finden. Selbst wenn man beide Seiten liest bleiben oft viele Fragen offen, wenn man die Schwankungsbreite der dargestellten Informationen auf beiden Seiten berücksichtigt. Weniger Zweifel haben diejenigen, die nur die Informationen von einer Seite betrachten. Es heißt im Krieg stirbt zuerst die Wahrheit, aber doch nicht bei unseren Medien oder vielleicht doch? Wenn man berühmte alte Schriftsteller hört, ist diese Erfahrung gar nicht so neu:

Wenn Sie die Zeitung nicht lesen, sind Sie nicht informiert. Wenn Sie die Zeitung lesen, sind Sie falsch informiert.“ — Mark Twain

„Je länger ich lebe, desto mehr fühle ich mich falsch informiert. Nur junge Leute haben eine Erklärung für alles.“ — Isabel Allende chilenische Schriftstellerin

1 Kommentar

  1. Dass eine „kleine alternative Zeitung nicht umfassend informieren“ kann – das Problem hatte die TAZ auch immer.

    Vor dreissig Jahren haette ich gesagt: wer die Zeit hat, kann SZ und TAZ lesen.
    Mittlerweile (die TAZ geht Richtung Mainstream, und der wird enger) vielleicht die FAZ, Handelsblatt oder sowas, und die ‚junge Welt‘ als Korrektiv – weil vieles eben einfach ‚offiziell‘ ueberhaupt nicht mehr auftaucht.

    Was die Demokratie betrifft: Rainer Mausfeld bezieht sich gerne auf die Athener (wo die Frauen und Unfreien nichts zu sagen hatten). Es ist ‚demokratisch‘, Minderheiten zu entmuendigen, weshalb heute gerne zB von Zweidrittel-Gesellschaften die Rede ist (oder sogar mal umgekehrt von den ’99-Prozent‘ der unterdrueckten Mehrheit).
    Andere Modelle sind denkbar, sei es nun eine Konsensdemokratie – in der so lange diskutiert wird, bis die Minderheit zustimmen kann – oder eine Raetedemokratie (hatten wir auch schon mal in Muenchen oder Braunschweig). Das sind Varianten, in denen nicht die Reichen den meisten Einfluss haben.

    Demokratie lebt in jedem Fall von der Teilnahme der Menschen, von ihren Moeglichkeiten der Einfluss und von verfuegbaren Informationen – das ist im Fluss.
    (Und das heisst nicht ‚jeden Tag Demo‘ und ‚Ich will gesehen werden‘. Teilnahme, keine Simulation!)

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