Buchbesprechung: Wendelin Wiedeking – „Anders ist besser“

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Wendelin Wiedeking – „Anders ist besser“
Ein Versuch über neue Wege in Wirtschaft und Politik

Piper Verlag GmbH München – Zürich 2006
ISBN: 978-3-492-04949-8

„Ein Buch? Hat der Chef von Porsche nicht etwas Besseres zu tun?“ Mit dieser durchaus berechtigten Frage beginnt das Buch von Wendelin Wiedeking. Was der Leser sodann auf 236 Seiten erfährt, könnte man am besten als Erbauungs-Lektüre bezeichnen. Hier hat sich ein Westfale von altem Schrot und Korn den Frust von der lauteren Seele geschrieben – könnte man meinen. Einer, der sein Manager-Herz noch an der rechten Stelle trägt. Wiedeking prangert an. Schreibt von „getunten Quartalsberichten“, „windschnittigen Managementzöglingen“, „Jüngern des Shareholder-Value“, „kruder Profitmaximierung“ und sogar von „Sozialrambos“ !

Wann hat man dagegen letztmals den Begriff „Vertrauen“ im Zusammenhang mit Managern gelesen? Wann „Verantwortungsbewußtsein“? Dazwischen lesen wir von „Vorbildern“, „Integrität“, „sozialer Kompetenz“, „Fairness“, „Fleiß“, „Zielstrebigkeit“, „Gemeinwohl“ schließlich sogar von „Glaubwürdigkeit“. Das Ganze gipfelt in dem alten – natürlich westfälischen – Motto: „Ehr is Dwang gnog“. Was soviel bedeutet wie: „Ehre ist Zwang genug“. Ein toller Spruch! Er steht noch heute in großen Lettern auf goldgelben Grund in Münster – natürlich in Westfalen. Und zwar an der Wand des Krameramtshauses der traditionsreichen Kaufmannschaft, wie wir im Kapitel „Zocker und Zyniker“ erfahren. Das waren noch Zeiten! Zwischenzeitlich kommt freilich der Eindruck auf, der Autor bade gleichsam in einem See von Ehrbegriffen. Wiedeking genießt jeden Wellenschlag. Ganz zwanglos erfährt man, dass er sogar die Ehre hatte, den „Peter-Stihl-Preis“ verliehen zu bekommen. Den erhalten Personen, die sich „um die Entwicklung der Stadt Stuttgart und ihres Umlandes verdient gemacht haben“. Der gute Westfale Wiedeking. Er hat ja sooo recht. Man ist versucht, an jeden seiner Sätze einen Haken zu machen. Das ganze Geschreibsel hat indes einen weiteren Haken. Und zwar einen ganz gewaltigen. Ehrendoktor Wiedeking praktiziert exakt das, was er wortreich anprangert, in der eigenen Firma.

Die horrenden Gewinne macht er nämlich nicht „im Herzen von Baden-Württemberg, dem Hochlohnland im Hochlohnland Deutschland“. Die stammen aus dem Ausland. Mehr als 20.000 Boxter und Cayman laufen bei Valmet in Finnland vom Band. Die Finnen arbeiten – Porsche kassiert. Noch mehr Profit macht Porsche durch Billig-Arbeiter im Osten. Wiedeking verbreitet die Mär, der Cayenne entstehe in Leipzig. Der Wagen läuft indes im Osten vom Band. Nahezu fix und fertig. In der VW-Fabrik in Bratislava. Dort erhalten die Arbeiter 1/6 der deutschen Löhne. Dafür arbeiten sie 42 Stunden pro Woche – mit vier Schichtbesatzungen. Rund um die Uhr. Um den Grad der Fertigstellung zu vertuschen, läßt man Räder und Motor weg. Auf Paletten gelangt der Porsche nach Leipzig. So entsteht der Eindruck, der Cayenne werde erst dort zum „Porsche“. Bei VW macht daher der kecke Spruch die Runde: „Vier Schrauben und der Porsche ist fertig“. Made in Germany – á la Wiedeking! So viel zum Thema „Glaubwürdigkeit“ des ehrbaren Westfalen. Ob das nun „Basar-Ökonomie“ ist, im Sinne Sinns, oder doch eher „Parasit-Ökonomie“, zum Wohle von Porsche-Piech, muss sicher noch präzise geprüft werden. Und zwar nicht nur aktienrechtlich. Möglich wurde das innovative Porsche-Profit-Modell nämlich erst durch die aktive, organschaftliche Hilfe von Porsche-Eigner und VW-AR-Chef Ferdinand Piech.

Nun wird auch dem Dümmsten klar, was der Westfale mit seinem Einstieg bei VW bezweckte. „Wir wollten einfach nur unser in den vergangenen Jahren so erfolgreiches Geschäftsmodell absichern“, erfahren wir dazu in seinem Buch. Das ist ehrlich! Welcher Parasit lässt sich schon gerne das Wirtstier nehmen, das er gerade aussaugt? Ob das allerdings „die Orientierung ist, die die Eliten in Wirtschaft und Politik in diesen Umbruchzeiten vermitteln sollten“, ist mehr als fraglich. VW-Aufsichtsrat Wiedeking sollte seinem Kollegen Wulff lieber beim „Ausmisten“ von VW helfen. Statt dessen sollen Bordell-Besuche vormaliger VW-AR-Kollegen und von Kanzler-Freund Hartz von der Versicherung bezahlt werden. Untreue – finanziell „legalisiert“! Vorbild Wiedeking? Auch hier gilt: Anders ist besser!

www.hans-joachim-selenz.de

HINWEIS: Lesen Sie hierzu auch den Kommentar von Hans-Joachim Selenz aus dem Jahr 2005.

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