Wir sind die Erben der Mörder

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Lässt sich Schuld einfach mal abstreifen? Oder gar abstreiten? In der Sendung „heute-express“ vom 24. 04. 2017, um 15.00 Uhr, erklärte eine ZDF-Moderatorin zu einem Filmbeitrag über das Gedenken der israelischen Bevölkerung zum Holocaust wörtlich: „Die Nationalsozialisten hatten während des 2. Weltkriegs 6 Millionen Juden ermordet“.

Diese Behauptung ist zu kurz gegriffen und schon daher tendenziös. Bereits VOR dem 2. Weltkrieg, in der Zeit zwischen sog. „Reichskristallnacht“ (Reichspogromnacht) am 9./10. 11. 38, und dem Weltkrieg wurden rund 24.000 bis 26.000 deutsche Mitbürger jüdischen Glaubens ermordet oder in Konzentrationslager verschleppt und umgebracht. Das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl von Uelzen. Die Ermordung jüdischer Mitbürger aus Deutschland war somit keine – wie krus auch immer gerechtfertigte – „Kriegsbegleitfolge“, sondern bereits vor dem 2. Weltkrieg System in Deutschland.

Es ist auch falsch zu behaupten, „die Nationalsozialisten“ hätten 6 Millionen Menschen jüdischen Glaubens ermordet. Die Mörder waren auch Angehörige der Wehrmacht, die nicht der NSDAP angehörten. Die MörderInnen waren auch denunziantische NachbarInnen, die nicht der NSDAP angehörten. Die Mörder waren auch opportunistische Hilfstruppen besetzter Gebiete, die nur ihre eigene Haut und Familie retten wollten und nicht der NSDAP angehörten. Die Mörder waren auch Leni Riefenstahl und der allgegenwärtige „Blockwart“ mit ihrer Hetze.

Natürlich ist es fertil, die Schuld an „die Nationalsozialisten“ abzuschieben. Wir schieben das Böse weg! Wir Deutschen hätten das nie gewollt! Das waren doch nur die bösen Nationalsozialisten! Außerdem wussten wir das doch gar nicht!

Aber damit beginnt die Geschichtsklitterung, die ModeratorInnen und RedakteurInnen des ZDF jetzt fortschreiben. Sei es aus servilem Gehorsam gegenüber ihrer Intendanz, sei es aus nackter Dummheit.

„Deutsche BürgerInnen haben in der Zeit des Nationalsozialismus 6 Millionen MitbürgerInnen jüdischen Glaubens ermordet“, 

wäre der geschichtlich korrekte Satz der Moderatorin gewesen. Aber das sendet ein schuldgereinigtes Staatsfernsehen nicht gern. Das hätte DeutschInnen zu den Erben der MörderInnen von 6 Millionen jüdischen MitmenschInnen gemacht. 6 Millionen.

Das ist 240-mal (!) die Bevölkerung der Stadt Uelzen. Wie viel Leid, wie viel Verzweifelung, wie viel grausame Unmenschlichkeit. Welch unvorstellbare Masse an Tränen, Wünschen, Hoffnung und Talent!!! Erschlagen und verhungert, verdurstet und vergast, totverzehrt durch Arbeit und im Dreck verreckt. Waren das wirklich nur „die da“, oder waren auch Deutsche als Mörder dabei?

Solange wir in Deutschland „die da aus der braunen Zeit“ als Schuldige bezichtigen, bleiben wir Gefangene einer nicht abgestreiften Geschichte. Wir haben mehr Verantwortung als nur „die da“-

1 Kommentar

  1. Danke Klaus,

    mit dem Begriff „die Nationalsozialisten“ oder „Nazis“ waren die Mörder, wird die Schuld auf eine abstrakte Ebene abgeschoben, denn auch viele Nazis waren direkt keine Mörder, aber, wie du schreibst, auch viele Nicht-Nazis waren Mörder oder Handlanger der Mörder. Dazu gehörten endlos viele Denunzianten.

    Nicht gemeint mit deiner Überschrift sind die einzelnen Menschen als „Erben“, die heute in Deutschland leben, sondern die Deutschen im Kontext ihrer Geschichte. So verstehe ich die Überschrift.

    Das heute noch Erschreckende ist, dass die Tausende von Mördern und ihre Handlanger eigentlich ganz normale Personen waren, die zur Kirche gingen, Bildung hatten (oft eine humanistische wie Goebbels) und abends ihre Kinder ins Bett brachten.

    Diese „Normalität“ zu erkennen, ist eine Verpflichtung der Politik, Menschen nicht in diese Grenzbereiche kommen zu lassen.
    Deswegen ist der Artikel 1 GG über die Würde des Menschen, die unantastbar ist, tägliche politische Verpflichtung.

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