Vorbild für Dresden

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Die Braunschweiger Zeitung schrieb am 3.11.2005:

Für Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann ist trotz aller Unterschiede die Braunschweiger „Schloss-Rekonstruktion von der Symbolik für die Stadt vergleichbar mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden“.

Der Vergleich hinkt natürlich, da man in der Frauenkirche gottlob keine 150 Geschäfte vorfindet. Einen anderen Vergleich mit Dresden kann man aber sehr wohl anbringen:

Im Mai 2005 fällten „Mitarbeiter eines Göttinger Unternehmens“ (Braunschweiger Zeitung, 19.5.2005) die 270 Bäume des Braunschweiger Schlossparks – gegen den Willen der Bevölkerung, gegen Einsprüche von Umweltschützern.

ECE-Gegner sammelten sich daraufhin zum friedlichen Protest auf dem Rathausplatz. Sie bildeten eine Menschenkette um den ECE-Bauzaun herum. Damit brachten sie ihren Unmut über die heimliche Baumfällung zum Ausdruck. Die einzigen Attacken waren verbaler Art und richteten sich vor allem gegen Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann, der mit allen Mitteln und gegen ein Bürgerbegehren seinen Kopf durchsetzte und den Bau des Einkaufszentrums hinter Schlossfassadenresten vorantrieb.

Genutzt hat alles nichts. Ein Jahr später freute sich Hoffmann, dass die Bürgerinitiativen endlich auch juristisch ihren Nährboden entzogen bekamen. „Die Rechtsauffassung der Verwaltung, dass das Bauvorhaben im Einklang mit den Vorschriften sei, sei bestätigt worden.“ (BZ, 6.5.2006)

In Dresden formiert sich seit Jahren schon Widerstand gegen den Bau der Waldschlösschenbrücke. Hintergrund ist, dass eine neunte Brücke über die Elbe im Stadtgebiet den Feierabendverkehr entlasten und eine notwendige Restaurierung zweier älterer Brücken ermöglichen soll. Dumm nur, dass die geplante Brücke genau durchs UNESCO-Welterbe „Elbtal“ führen soll und dass die UNESCO damit droht, den Welterbe-Status abzuerkennen.

Dresdens Dr. Gert Hoffmann ist Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt, wie Hoffmann bei der CDU. Er will unbedingt die Brücke durchsetzen, obwohl ein alternativer Tunnel längst finanzierbar ist. Zwar stimmten ein Drittel der Dresdner im Jahr 2005 beim Bürgerentscheid für die Brücke, aber das auch nur deshalb, weil man ihnen die Alternativen verschwieg (Die Zeit, 22.11.2007). Inzwischen demonstrierten aber immer wieder „Tausende Dresdner“ (Welt Online, 14.11.2007) gegen den Bau der Brücke – und dagegen, wegen der Brücke die alten Bäume des Elbtals zu fällen.

Gegen die Braunschweiger Schlossparkfreunde ist die Polizei gottlob nie mit „Brachialgewalt“ vorgegangen, gegen Dresdner Baumschützer schon (Tagesspiegel.de, 8.12.2007). Auf der letzten verbliebenen Rotbuche nisteten sich kurzerhand Umweltaktivisten ein. Sie bauten ein Baumhaus und hielten dort Wache. Einen Monat lang hatten die Brückengegner Erfolg, dann kam erneut die Polizei.

Scharf-Links.de schrieb am 17.1.2008: „Viele waren aufgewühlt und haben geweint, als die Buche am Dienstag in einer Nacht- und Nebelaktion durch ein Sondereinsatzkommando der Polizei geräumt und gefällt wurde. Um Proteste gegen Räumung und Fällung möglichst zu unterbinden, hatte die Polizei das Stadtviertel großräumig abgeriegelt. Während des Polizei-Einsatzes wurden friedliche TeilnehmerInnen einer Kundgebung am Baum durch Reizgas, Schläge und Tritte verletzt. Ein MDR-Journalist erlitt eine Zerrung. Auch eine ROBIN WOOD-Aktivistin, die sich im Baum angekettet hatte, wurde unter Missachtung von Sicherheitsvorkehrungen aus ihrer Verankerung entfernt.“

Die positive Reaktion darauf ist die, dass der Widerstand gegen den Brückenbau noch stärker wird. Aus „Tausenden“ Demonstranten wurden inzwischen 4.000 Tunnel-Befürworter, berichtete DNN-Online am 27.1.2008. Ein Bürgerbegehren soll die Tunnelinitiative zum Erfolg bringen.

Aber es gibt natürlich auch negative Reaktionen. Ähnlich selbstherrlich, arrogant und siegesgewiss wie Hoffmann äußerte sich nämlich auch Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) nach der Rotbuchen-Fäll-Aktion: „Wenn sich der Staat durch solchen Widerstand blockieren lasse, könne die Demokratie gleich die Segel streichen, sagte er.“ (DNN-Online, 27.1.2008) Gut gelernt, Dresden – und gut gelehrt, Braunschweig.

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