Historiker Wette in der Akademie: Der 1. Weltkrieg wurde nicht von Schlafwandlern verursacht

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Prof. Dr. Wette beim Vortrag in der Akademie

Der Oberbürgermeister Dr. Hoffmann und Herr Biegel waren begeistert. Am 14. Oktober letzten Jahres schloss der OB extra die gute Stube der Stadt, die Dornse im Altstadtrathaus auf und Herr Biegel stiftete auch gleich einen neuen Preis, den „Braunschweiger Geschichtspreis“ der Gerd- und-Irmela-Biegel-Stiftung. Beide waren begeistert. Endlich hatte ein renommierter Historiker, zudem noch aus Cambridge und kein Geringerer als Prof. Christopher Clark nachgewiesen, dass  Deutschland keine Schuld am 1. Weltkrieg trägt, ja im Grunde schuldunfähig ist. Wider Willen sei Deutschland in den Krieg „hineingeschlittert oder besser getaumelt oder gestolpert.“

Clark habe „mit diesem Werk zur Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges einen herausragenden Beitrag zur Geschichtsforschung und zur Geschichtsvermittlung geleistet“, so Biegel. Der australische Historiker Christopher Clark hat 2013 mit seinem Buch „Die Schlafwandler“ weltweit Aufmerksamkeit erregt. Darin analysiert er die Ursachen für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und die deutsche Schuld.

 In seinem Bestseller behauptet Clark, es seien „Schlafwandler“ gewesen, die ganz Europa in den Krieg geführt hätten – insofern schuldunfähig. Das entlastet natürlich die deutsche Seele und das Gewissen, auf der die unabweisbare Schuld am Zweiten Weltkrieg und die Hauptverantwortung für den Ersten liegt. Aber hält die alt-neue These auch den Fakten stand? Steht uns ein neuer Historikerstreit ins Haus oder sind wir schon mittendrin? Den Fakten ging der renommierte Historiker Prof. Wette von der Universität Freiburg in der Ev. Akademie Abt Jerusalem zu Braunschweig nach und kam zu anderen Ergebnissen als Clark und andere Historiker, die sich Clark anschlossen hatten.

Der alte Streit über die Schuldfrage, die durch die umfassende Arbeit von Fritz Fischer in den 60er Jahren erledigt schien, ist wieder aufgeflammt. 100 Jahre nach dem Weltkriegsbeginn 1914 ist die sogenannte „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, so der amerikanische Historiker und Diplomat George F. Kennan, wieder in aller Munde. Der Streit war ein Jahr vor dem Gedenkjahr geschickt platziert.

Clark steht nicht alleine, zumindest nicht in Deutschland. Mehrere Historiker haben sich ihm in ihrer Meinung angeschlossen. Weitere Bücher versuchen die Clark-Thesen zu bestätigen. Nur, Geschichtsforschung basiert auf nachprüfbaren Fakten und nicht auf Meinungen. Kritische Historiker haben rasch herausgefunden, dass an Clarks neuen Funden und neuen Erkenntnissen nichts dran ist. Die Geschichte muss nicht neue geschrieben werden.

Prof. Wette und Uwe Meier bei der hoch interessanten und lebhaften Diskussion. Meier vom Konvent der Akademie organisierte und leitete die sehr gut besuchte Veranstaltung.

Beeindruckend legte Wette dar oder zitierte wörtlich aus Originaldokumenten, wie die deutschen Entscheidungsträger zur damaligen Zeit dachten und was sie sagten. Danach gibt es keinen Zweifel, dass die politische deutsche Spitze und die Spitzenmilitärs den Krieg wollten. Entspannungsangebote aus Frankreich und England wurden von Deutschland verworfen. Die12 namentlich bekannten deutschen Entscheidungsträger, wussten auch was sie taten. Ihre politische Fantasie steckten sie vorab in die Verschleierung der Kriegsursachen. Keinesfalls wollten sie die Schuldigen am Krieg sein, den die Herren Entscheidungsträger unbedingt wollten. Es waren keine Schlafwandler, es waren Verbrecher, die 17 MioTote auf dem Gewissen haben! 

Sonst als Lokalmatador anscheinend in unserer Stadt unverzichtbar, war Herr Biegel zur Veranstaltung in der AJA nicht erschienen.

1914: DER WILLE ZUM KRIEG von Wolfram Wette

Siehe auch Neuer Geschichtsrevisionismus

Geschichte ohne Verantwortung – Zur Verleihung des Irmela-und-Gerd-Biegel-Preises an Christopher Clark

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