Trauerrede für Horst-Eberhard Richter am 23. Dezember 2011 in Berlin

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Der Arzt und Psychoanalytiker Horst- Eberhard Richter ist vor wenigen Tagen gestorben. Ein Mitglied des IPPNW Braunschweig sendet dem Braunschweig-Spiegel die Trauerrede von Ulrich Gottstein zu.

Trauerrede für Horst-Eberhard Richter am 23. Dezember 2011 in Berlin bei der Abschiedsfeier in der Kapelle des Friedhofs Heerstraße.

 Liebe Bergrun und liebe Familie Richter,

 so gerne habe ich mehrfach für die deutsche IPPNW  zu frohen Anlässen auf unseren lieben Horst-Eberhard gesprochen, und nun muss ich dies heute zu diesem traurigen Anlass tun.

Ich denke dankbar an unsere vertrauensvolle, wenn auch anfangs schwierige Zeit zurück: zuerst kannte ich Horst nur als Autor seines berühmt gewordenen Buches „Eltern, Kind und Neurose“, und lernte ihn zur gleichen Zeit in einem wissenschaftlichen Symposion über „Herzneurose“ kennen. Im Jahr 1981 aber begann für mich eine „Zeitwende“. Prof. Lown hatte in den USA zusammen mit dem Kardiologen Tschasow die internationale Ärztebewegung zur Verhütung eines Atomkriegs IPPNW gegründet, und  auf dem großen Kongress der Friedensbewegung in Hamburg kurz zuvor hörte ich Horst zum ersten Mal sprechen über die dringende ärztlich-humanitäre Aufgabe, aktiv für den Friedenserhalt zu arbeiten. Im gleichen Jahr begannen wir, die deutsche IPPNW-Sektion aufzubauen.

 

 Ohne die zugreifende Aktivität von Horst und seinem Kliniksekretariat wäre es  nicht gelungen, innerhalb von wenigen Monaten die stärkste  Sektion der IPPNW weltweit, abgesehen von den USA,  zu werden. Zusammen mit Horst protestierten wir gegen die Atombewaffnung in West- und Ost-Deutschland, wir lehnten jede ärztliche Ausbildung in Kriegsmedizin ab sowie alle staatlichen Vorbereitungen auf einen möglichen Kriegsfall, der in Europa ein Atomkrieg wäre. Stattdessen forderten wir den Dialog zwischen Ost und West. Horst-Eberhard Richter war stets an  der Spitze unserer Protestbewegung und der Forderungen nach Abbau von Feindbildern und für Gespräche der Verständigung. So war es verständlich, dass die Aktivitäten unserer deutschen IPPNW, der stärksten in Europa und an der Grenze zwischen NATO  und Warschauer Pakt,  mit dazu führten, dass die internationale IPPNW 1985 den Friedensnobelpreis erhielt.

Lange Zeit hatte Horst nicht über seine traurige Jugend erzählt. Erst später gab er in seinen Erinnerungen an, dass sein Denken und Handeln primär aus den  tragischen Erfahrungen als junger Kanonier an der Ostfront entstand, wo er das Geschütz auf sowjetische Dörfer zu richten hatte, obgleich doch die freundlichen Dorfbewohner total unschuldig waren. Eine Erkrankung mit wohl Diphtherie bedingten Lähmungen rettete Horst vor Gefangenschaft und wahrscheinlich dem Tod in Stalingrad.orstHHorst vor Gefangenschaft und wahrscheinlich Tod in Stalingrad.

Als er 1946 aus französischer Gefangenschaft in das zerstörte Berlin zurückkehrte, erfuhr er, dass seine Eltern  durch betrunkene Sowjet Soldaten ermordet worden waren.

Nun allein, mittellos und ohne Familienangehörige, aber Gott sei Dank bald durch Dich, liebe Bergrun,  ein Leben lang unterstützt, konfrontiert mit den bekannt werdenden Verbrechen der Nazi-Herrschaft, wurde Horst Sozialphilosoph, Psychiater und Psychoanalytiker und dann Direktor der Psychosomatischen Univ.Klinik in Gießen. Wie kein anderer analysierte er die tiefsten Ursachen der Friedlosigkeit im Menschen.  Für mich und uns waren seine Gespräche mit uns und seine Reden und Bücher wegweisend. Er mahnte uns, nicht nur mit praktischen Schritten für die Verhütung eines Atomkriegs und gegen die Militarisierung zu protestieren, sondern immer zu betonen, dass wir dies aus Moral und ärztlicher Ethik und Verantwortung für die Mitmenschen tun.

Noch vor wenigen Wochen, bei unserer Jahresversammlung und Öffentlichkeitsveranstaltung am 17. September, bereits von seiner Herzschwäche gezeichnet, aber im Stuhl sitzend mit kräftiger Stimme, hielt Horst-Eberhard eine ganz großartige und uns alle bewegende Rede mit dem Titel „ Kampf der Ärzte für den Frieden, jetzt erst recht !“ und er zitierte den US-General Omar Bradley, vormals Chef aller Stabchefs der US-Armee im 2. Weltkrieg :  „Wir leben im Zeitalter der nuklearen Riesen und der ethischen Zwerge, in einer Welt, die Brillanz ohne Weisheit, die Macht ohne Gewissen erlangt hat. Wir haben die Geheimnisse des Atoms entschleiert und die Lehren der Bergpredigt vergessen ….“

In einem Brief an mich schrieb Horst am 5. September :  “ Mir scheint, dass wir beide von zwei Seiten her ganz wichtige geistige Stützen der IPPNW  geworden und geblieben sind. Wir sind beide christliche Humanisten“ und er fügte hinzu „ Du allerdings näher bei der Kirche, ich näher beim ethischen Sozialismus. Beiden ist es uns wichtig, unser Friedens-Engagement mit unserem Arzttum zu verknüpfen….Wir fühlen uns nicht als Politiker in weißen Kitteln, sondern als Vollblut-Ärzte, die aus der Ethik unseres Berufes unsere Zuständigkeit für die Krankheit Friedlosigkeit ableiten “. 

Die deutschen Ärzte und Ärztinnen der IPPNW sowie alle Mitglieder des internationalen IPPNW- Vorstands werden unseren Freund und großen Arzt und Kämpfer für Frieden und Gerechtigkeit nie vergessen.

 

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