Stolperstein für Erna Wazinski

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Mit dem Stolperstein für Erna Wazinski wird nun auch an die 92 Menschen erinnert, die die Richter des Braunschweiger Sondergerichts unter das Fallbeil gebracht haben, weil sie sich nicht angepasst im Sinne der faschistischen Machthaber verhielten.

Dr. Helmut Kramer in der Langedammstr.14  bei seinem kurzen, unten dokumentierten Vortrag vor braunschweiger Bürgern (unten rechts der „Stolperstein“)

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Für die am 21. Oktober 1944 vom Sondergericht Braunschweig als „typischer Volksschädling “ zum Tode verurteilte und am 23. Noverber 1944 in Wolfenbütterl hingerichtete Erna Wazinski ist jetzt vor dem Haus Langedammstraße 14 in Braunschweig ein „Stolperstein“ gelegt. Das bundesweite Projekt „Stolpersteine“ holt die Opfer des Nationalsozialismus aus der Anonymität in die Mitte der Städte zurück. Der Künstler Gunter Demnich erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten Wohnhaus Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig einlässt. „Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist„, sagt Gunter Demnich.

Was hatte Erna verbrochen? Bei dem schweren Bombenangriff in der Nacht vom 14. zum 15. Oktober 1944 war das Haus, in dem sie und ihre Mutter wohnten, völlig ausgebrannt. Gemeinsam mit ihrem Freund Günther Wiedehöft holte die Neunzehnjährige aus dem Keller des zerstörten Hauses dort untergebrachte Sachen. Außer dem Koffer und einem Rucksack von Erna nahm sie einen weiteren Koffer mit, den sie anfangs möglicherweise noch für den Koffer ihrer Mutter hielt. Bevor Erna Wazinski am 20. Oktober 1944 von Kriminalbeamten abgeführt wurde, konnte Günther Wiedehöft noch die von den Schlägen der Polizisten herrührenden Blutspuren an Mund und Nase von Erna sehen. Als das Sondergericht am 21. Oktober 1944 gegen 12.00 Uhr das rechtskräftige Todesurteil verkündete, waren seit der Festnahme nur 17 Stunden vergangen.

Die Richter waren sich der Rechtsbeugung bewusst. Sie hatten Erna Wazinski als „typischen Volksschädling“ verurteilt. Das stand im Widerspruch zu der Begründung, mit der der Gerichtsvorsitzende Dr. Walter Lerche nachträglich einen Gnadenerweis empfahl: „Die Verurteilte hat den Eindruck eines harmlosen ordentlichen jungen Mädchens hinterlassen„. Die Richter wussten, dass es nur äußerst selten eine Begnadigung gab. Sie wollten aber ihre Hände in Unschuld waschen, wie einst Pilatus, als er Christus zur Kreuzigung auslieferte.

Was geschah mit den juristischen Schreibtischtätern?

Anstatt strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen zu werden, konnten die Richter des Sondergerichts ihre Karrieren fortsetzen. Der für insgesamt 55 Todesurteile verantwortliche Landgerichtsdirektor Dr. Walter Lerche stieg sogar zum Oberlandeskirchenrat in Wolfenbüttel auf.

Die Mutter von Erna kämpfte jahrzehntelang vergeblich für eine Rehabilitierung ihrer Tochter. Im Jahre 1965 bestätigten Braunschweiger Richter das grausame Urteil. Die „Volksschädlingsverordnung“ Hitlers sei geltendes Recht gewesen. Sie habe nicht jene Grundgedanken der Gerechtigkeit und Menschlichkeit verletzt, wie es sich bei allen Kulturvölkern herausgebildet hätten. „Rechtsfehlerfrei“ habe das Sondergericht Erna Wazinski auch als todeswürdigen „typischen Volksschädling“ angesehen.

Im Jahre 1991 musste das Braunschweiger Landgericht den Fall noch einmal aufrollen. Auch die Richter von 1991 konnten sich nicht dazu durchringen, das Unrecht ihrer Vorgänger einzugestehen. Sie sprachen Erna Wazinski frei, ohne aber den Richtern von 1944 auch nur den geringsten Fehler vorzuwerfen

Dr. Helmut Kramer, ehemals Richter am Oberlandesgericht, der 1965 auch beruflich mit dem Fall Erna Wazinski befasst war, hat den Fall selbst und den anschließenden skandalösen Fall der Braunschweiger Justiz und der Braunschweigischen Landeskirche akribisch dokumentiert.

Fotos und Fototexte : Uwe Meier

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