Sieg auf der ganzen Linie: Das Schloss hat alle überzeugt

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Die Entpolitisierung, die die BZ mit ihren „Pulsmesser“-Fragen betreibt, ist offensichtlich. Das Volk soll sich zu Gastronomie, Parkplätzen und Schönheit äußern, aber bitte nicht zu politisch brisanten Themen.

Die BZ würde sich aber selbst untreu, wenn sie nicht versuchte, auch aus Antworten auf unpolitische Fragen politisches Kapital für ihren Oberbürgermeister zu ziehen.

So diagnostizierte die BZ in ihrer vorgestrigen Ausgabe, dass Hoffmann im Nachhinein Recht bekommen hätte mit seinem entschiedenen Einsatz für das ECE-Projekt. Früher -ja, da hätte es noch Widerstand wegen der zu fällenden Bäume und des Verlustes der grünen Lunge Schlosspark gegeben- jetzt aber hätte das „Schloss“ fast alle Braunschweiger überzeugt: 93% Zustimmung! Herr Zauner verweist in diesem Zusammenhang auf Umfragen aus den Jahren 2005 und 2006. Damals hätte die entsprechende Zustimmung nur bei 50% bzw 60% gelegen. Lässt sich also aus den Umfragen der BZ wirklich der behauptete Meinungsumschwung ablesen?

Die 93% Zustimmung, welche die BZ jetzt für das „Schloss“ reklamiert, erhielt sie laut eigenen Angaben auf eine Frage, die ausdrücklich danach fragte, wie der „historische Teil des Braunschweiger Schlosses“ gefiele. Diese Frage werden die allermeisten Befragten selbstverständlich auf die Anmutung der Schlossfassade bezogen haben. Genau so hat die Frage auch die BZ-Redakteurin Katja Dartsch in ihrem diesbezüglichen Artikel auf der BS-Land-Seite interpretiert. Die Frage, ob man die Schlossfassade schön findet, ist rein ästhetischer Natur. Wenn mir diese Frage gestellt worden wäre, hätte ich wohl die Ausführung im Detail bemängelt, aber nicht bestritten, dass die Ottmer-Fassade -jedenfalls für Braunschweiger Verhältnisse- von bemerkenswert hoher architektonischer Qualität ist. Also mindestens gut. Diese Antwort hätte man aber auch schon vor 5 Jahren von mir und vielen anderen ECE-Gegnern bekommen können.

Es ist doch selbstverständlich, dass man an einer so großen Unternehmung, wie es das ECE-Projekt ist, auch einzelne Sachen gut findet und trotzdem das Ganze entschieden ablehnt. Ein „pars pro toto“, ein Schluss vom Teil aufs Ganze funktioniert in diesem Fall mit Sicherheit nicht. Mit gleichem Recht könnten die Schlossparkfreunde ansonsten eine repräsentative Umfrage starten, in der sie ausdrücklich nur danach fragten, wie den Leuten die weitaus längeren rückwärtigen Fassaden des ECE-Centers gefallen – und dann die zu prognostizierenden 99,5% Ablehnung als Erdrutschsieg für die ECE-Gegner reklamieren.

Bleiben die Umfragen der Jahre 2005 und 2006, auf die der nette Herr Zauner sich beruft. Eine telefonische Anfrage bei Herrn Zauner ergab, dass es sich um Umfragen handelt, deren Ergebnis unter vertraulichem Verschluss gehalten werden musste. Geheimumfragen sozusagen. Ich kann mich an die letzte dieser beiden Umfragen erinnern, da ich selbst angerufen wurde. Die Frage, was man vom Wiederaufbau des Braunschweiger Schlosses halte, war damals eingebettet in einen politischen Fragenkatalog zur Kommunalwahl. „Wiederaufbau des Braunschweiger Schlosses“ war die von BZ und Stadtverwaltung geprägte Chiffre für den Bau des ganzen politisch heiß umstrittenen ECE-Centers, und im besagten Kontext war unzweifelhaft, dass hier die Meinung zum ECE-Projekt als ganzem -und nicht etwa nur zur ästhetischen Qualität einiger seiner Fassaden- abgefragt wurde.

Die Antworten auf diese Frage zu vergleichen mit den Antworten auf die Frage, ob man die Schlossfassaden schön findet, und daraus einen dramatischen Meinungsumschwung in der Bevölkerung abzuleiten, ist methodisch indiskutabel. Der manipulative Wille, der dahinter steckt, ist deutlich, die Botschaft ist klar: “Wer jetzt noch am ECE-Projekt zweifelt, wird lange einsam bleiben, denn alle, alle finden es gut.“ Welcher wahre Braunschweiger wollte da noch länger abseits stehen?

Wenn man aus den Antworten einer Umfrage erkennen will, ob die Braunschweiger es im Nachhinein gut finden, dass das ECE gebaut wurde, muss man eine entsprechend klare Frage stellen, nämlich: „Finden sie es im Nachhinein gut, dass das ECE-Center gebaut wurde?“ Traute man sich nicht, diese Frage zu stellen, weil das Ergebnis nicht von vornherein feststeht? Oder hat man es vielleicht gefragt? Wir haben ja immerhin eines gelernt: Es gibt Umfragen, deren Ergebnisse nie veröffentlicht werden. Warum wohl? Der nette Herr Zauner wollte es leider nicht verraten.

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