Offener Brief: AfD-Mitglied als Vertreter des Stadtelternrates im städtischen Schulausschuss

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Lieber Stadtelternrat, sehr geehrte Frau Basse,

mit Bedauern musste ich während der öffentlichen Sitzung des Stadtelternrates am gestrigen Donnerstag, den 19.05.2016 erfahren, dass Ihrerseits offenbar kein Interesse besteht, sich in der oben benannten Thematik zu positionieren. Warum? Stattdessen gaben Sie offen zu, den „Ball lieber ruhen zu lassen“, da ja bald Kommunalwahlen seien. Zudem sei der Stadtelternrat grundsätzlich unpolitisch. Solange die Mitglieder des Stadtelternrates Parteien oder Gruppierungen angehörten, die nicht verboten seien, wären sie willkommen. Ich frage Sie: Könnten sich also auch Parteimitglieder der NPD bei Ihnen konstruktiv einbringen? 

In Ihren Statuten formulieren Sie, die Interessen von Elternschaft und Schülern zu vertreten: Als Vater einer Tochter an der Grundschule Comeniusschule werde somit auch ich durch den Stadtelternrat der Schulen in Braunschweig vertreten. Im Rahmen des Lehrplanes besuchte meine Tochter jüngst zum Thema „Weltreligionen“ eine Braunschweiger Moschee. Der Namensgeber „Comenius“ steht auch für bildungspolitische Chancengleichheit sozial schwacher Menschen. Im Leitbild der Schule fixiert ist ein wesentlicher Grundwert: die Toleranz. Man legt Wert auf „den achtungsvollen Umgang miteinander“. Das Gegenteil musste ich während Ihrer Sitzung erfahren.

 

Mit Entsetzen hatte ich zu in der Braunschweiger Zeitung vom 4.5.2016 gelesen, dass der Vertreter des Stadtelternrates wohl stellvertretender Vorsitzender der so genannten „Alternative für Deutschland“ in Braunschweig ist. Diese Person hat sich offenbar an der Erarbeitung des „Grundsatzprogramms der AfD“ beteiligt, in dem es u.a. heißt:

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland. […] Solange der Islam keine echte Reformation durchlaufen hat, fordern wir die Schließung von Koranschulen […] Leistungsbereitschaft und Disziplin sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Wissensvermittlung. […] Das entsprechende Verhalten der Schüler kann nur durchgesetzt werden, wenn den Lehrern die dazu geeigneten Maßnahmen zur Verfügung stehen und deren Durchsetzung nicht ständig hinterfragt wird.“

Gerade Sie sind doch aus Ihrem Selbstverständnis heraus diejenigen, die Schul- und Lehrerlandschaft zu hinterfragen haben! Die von mir während der Sitzung formulierte Forderung, den Vertreter im städtischen Schulausschuss sofort abzuberufen, weil die Positionen der AfD unvereinbar mit denen des Stadtelternrates seien, wurde mit der Begründung abgelehnt, ich sei nicht antragsberechtigt. Es ist immer schade, wenn mit der Heranziehung von Formalitäten versucht wird, demokratische Debatten, Abstimmungen und Meinungsbildungsprozesse zu unterbinden.

Während der Sitzung wurde mir von Ihnen (Herr Wirtz war bedauerlicherweise nicht anwesend) versichert, Herr Wirtz habe Ihnen mitgeteilt, er würde die Mitgliedschaft im Schulausschuss ruhen lassen, da er sich nun für die AfD engagiere. Nun aber muss ich auf http://www.regionalbraunschweig.de/afd-und-stadtelternrat-jetzt-spricht-wirtz/   lesen, dass er persönlich mitgeteilt hat, dass Mandat lediglich aus „terminlichen Gründen“ ruhen zu lassen. Er betont, dass er dies nicht getan habe, weil er seine „Meinung“ geändert habe.

Sie – der Stadtelternrat – muss sich damit endgültig die Frage gefallen lassen, wie er zu der diffamierenden Hetzpolitik der AfD (Auszüge siehe oben) steht. Herr Wirtz gibt in seiner Stellungnahme damit doch offen zu, dass er diese „AfD-Meinung“ auch schon zu seiner Zeit als Vertreter des Stadtelternrates kundgetan hat! Seine „Meinung“ habe er nicht geändert, nur die „Politik“, fährt er fort: also die Art und Weise der Umsetzung seiner kruden „Meinung“, die meiner Ansicht kaum mit unserer Verfassung vereinbar ist. Nur ein Beispiel: die Ausgrenzung von Homosexuellen, vor denen unsere Kinder geschützt werden müssten:

„Die einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität im Unterricht lehnen wir ebenso entschieden ab wie die ideologische Beeinflussung durch das „Gender Mainstreaming“. Das traditionelle Familienbild darf dadurch nicht zerstört werden. Unsere Kinder dürfen in der Schule nicht zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden.“ („Grundsatzprogramm der AfD“)

Beschämend, dass gerade ich mir durch die Bitte einer Stellungnahme, wie man gleichzeitig Vertreter von AfD und Stadtelternrat sein könne, vom Vorstand den Vorwurf gefallen lassen musste, ich sei „parteipolitischer Hetze“ erlegen. Die Stasi gäbe es glücklicherweise nicht mehr, wurde mir mitgeteilt. Zudem habe man der Stellungnahme des Stadtelternrates, die ich auf www.regionalbraunschweig.de lesen könne, nichts hinzuzufügen. Korrigieren Sie mich: ich habe keine weitere Stellungnahme gefunden als die unter dem oben genannte Link (Überschrift: „AfD und Stadtelternrat: Jetzt spricht Wirtz“). Und darin kommt lediglich die Stellungnahme des Herrn Wirtz vor. Heißt das, dass Herr Wirtz selbst in dieser Situation noch für den Stadtelternrat gesprochen hat?  

Ich fordere Sie hiermit nochmal auf, Herrn Wirtz als Vertreter des Stadtelternrates selbst abzuberufen und nicht erst dem Schulausschuss oder gar dem Rat der Braunschweig eine externe Abberufung zu überlassen. Der Stadtelternrat würde viel von seiner Glaubwürdigkeit verspielen, wenn er sich nicht dazu durchringen kann, sich von den Positionen einer rechtspopulistischen Partei zu distanzieren. Auch in Zukunft würden sie Gefahr laufen, dass Ihr Engagement für eine Verbesserung der Schullandschaft in Braunschweig leidet. Meine Bitte: Machen Sie nicht zum Steigbügelhalter einer (hoffentlich noch) kleinen Minderheit.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Barnstorf

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