Menschen neu kennenlernen durch verletzte Stadttauben

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Ich habe die Menschen neu kennengelernt, seitdem ich mich um verletzte Tauben kümmere.

„Ratten der Lüfte“, „Drecksviecher“, „Krankheitsüberträger“ – die Stadttaube ist das meist gehasste Tier in der Stadt, neben den Ratten, die man jedoch selten sieht.Aber auch Tauben sind Lebewesen, sind fühlende Geschöpfe, denen wir Menschen Respekt gegenüber zu erbringen haben. Lässt man sich auf sie ein oder pflegt man kranke sogar, lernt man sie kennen und schätzen. Nicht ohne Grund ist hat einzig dieses Geschöpf hohe Symbolkraft in der Friedenstaube. Wir sollten sie allein deshalb schätzen lernen.

Viele Menschen wissen gar nicht, warum die Tauben überhaupt in der Stadt leben. Die Stadttaube stammt von der gezüchteten Brieftaube ab. Diejenigen Vögel, die nicht nach Hause finden, bleiben bei uns in der Stadt und vermehren sich unkontrolliert weiter. Durch ihre Domestizierung sind sie auf menschliche Hilfe angewiesen. So wie streunende Hunde und Katzen in der Stadt. Sogar der deutsche Tierschutzbund ruft mittlerweile zur Thema „#RespektTaube“.

Schwere Verletzungen durch Kunststofffäden, die sich um die Taubenfüsse wickeln

Wenn ich auf den Straßen Braunschweigs unterwegs bin, sehe ich leider immer verletze Tauben, die Hilfe brauchen. Ein Taubenfreund und eine sehr engagierte Tiermedizinstudentin aus Hannover haben mir gezeigt, wie ich Tauben richtig anfassen, fangen und versorgen kann. Bei meinen Kontrollgängen durch die Stadt habe ich oft unangenehme Begegnungen mit Menschen, die nicht wissen was ich und warum tue, es ihnen egal ist oder die sogar aggressiv werden, weil sie Tauben regelrecht hassen.

Ein noch gesunder Taubenfuss im Vergleich zu einem fast abgestorbenen

Ich bin einer Frau mit einem Hund begegnet und sie sagte zu mir: „Wir lieben Tiere und spenden auch an den Tierschutz, aber Tauben soll man nicht füttern!“ Wie soll ich das verstehen, ist die Taube etwa kein lebenswertes Tier, wie z. B der Hund von der Dame? Ist das kein Lebewesen, was auch Schutz, Fürsorge und Futter braucht? Was ist das für eine furchtbare Bewertung? Das Lebewesen ist lebenswert und das nicht. Was für ein Bild der Werte steckt hinter diesen Menschen? Du darfst nicht leben und du musst leben, weil ich dich brauche, du Schosshündchen. Nur nebenbei: Das Tierschutzgesetz gilt für alle Tierarten, gleichwohl, ob wir sie mögen oder nicht! Und das zu Recht!

Meine gesund gepflegten Tauben sind immer wieder eine Freude

Beim Tierarzt im Wartezimmer wurde ich gefragt, was ich denn in meiner Tasche mithätte. Als ich dann erzähle, dass es sich um eine Stadttaube aus Braunschweig handelt, die verletzt ist und Hilfe benötigt, sagte eine ältere Dame „ich füttere Vögel, aber bitte keine Tauben- die sollen sich selber etwas suchen.“ Die Frage ist nur was? Tauben sind reine Körnerfresser- der Müll den sie draußen essen müssen verursacht bei ihnen nur Durchfall und damit Leiden.

Die Wahrnehmungen der Menschen macht mich sehr nachdenklich, traurig, aber gleichzeitig auch wütend. Warum gibt es so viele Vorurteile gegenüber diesen Kreaturen? Warum werden z.B. die Rassentauben, Hochzeitstauben, Friedenstauben oder Brieftauben anders von uns betrachtet, als die obdachlosen Stadttauben?

Gerne berichte ich auch positive Beispiele. Eines Tages, als ich eine Taube gefangen habe und mir ihre Verletzungen anschaute, kam eine Frau auf mich zu und sagte: „Ich finde es so toll, dass sie diesen Tieren helfen und sich kümmern, das sind ganz tolle unschuldige Vögel“ und drückte mir eine Spende für die Tierarztkosten in die Hand.

Ich habe schon viele Tauben in meinen Händen gehabt und bin gesund, Es haben mich bisher nur Menschen mit Krankheiten angesteckt, aber nie Tiere. Die künstlich produzierte Angst ist wirklich unbegründet! Tauben übertragen keine Krankheiten auf Menschen. Sie anzufassen ist nicht anders, als Hunde oder Katzen zu streicheln. Der viel gefürchtete Taubenkot ist nicht schön – aber ungefährlich! Hierzu gab es schon 1998 eine Untersuchung der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Es werden leider sehr viele Unwahrheiten erzählt, Angst gemacht und Panik verbreitet. Ebenso der Glaube, dass Taubenkot Gebäude und Denkmäler angreift, ist falsch. Hierzu gibt es sogar ein Gutachten der Universität Darmstadt.

Eines erlebe ich immer wieder: Dass Kinder hinter Tauben hinterherlaufen, sie treten und die Eltern beleidigt sind, wenn ich sie darauf anspreche, dass dieses Verhalten nicht in Ordnung ist. Liebe Kinder und Eltern, Tauben sind Lebewesen, die auch Schmerzen empfinden und durch Tritte teilweise, schwere Verletzung erleiden, wie zum Beispiel Knochenbrüche. Tauben leiden sehr still, weil sie sich nicht äußern können. Sie können sich auch nicht wehren und haben keine Lobby.

Eine kranke junge Taube im Sicherheitstuch

Ich nenne sie „graue Engel“ und zum Glück treffe ich auch noch Menschen, die diese Tiere sehr lieben und bewundern für ihre tolle Gabe sich so gut orientieren zu können, lange Strecken zu fliegen und ein wunderschönes Gefieder zu haben. Es gibt Kinder, die Tauben lieben. Ein ca. 11-jähriges Mädchen, das ich einmal mal traf, war gerade dabei Tauben zu fotografieren. Ich fragte sie, warum sie das tut. Sie sagte: „Ich liebe Tauben und finde sie sehr schön“ ich war wirklich erfreulich überrascht. Ein anderer Mann erzählte mir mal, dass er Tiere, unter anderem auch Tauben, schon im Krieg gefüttert hat, weil natürlich auch die Tiere Opfer des Krieges geworden sind und er würde Tieren immer helfen.

Ich treffe so auch ganz liebe Menschen, die mich fragen und ganz genau wissen wollen, was mit den Tieren passiert, wie ich sie versorge, wo ich sie halte, ob sie zum Tierarzt müssen und was die Lösung für das „Taubenproblem“ wäre. Derzeit ist es in Braunschweig so, man mit einem Fütterungsverbot die Tiere aushungern und mit Vergrämungsmaßnahmen (z.B. Klebepaste oder Spikes an den Gebäuden) vertreiben möchte. Dies funktioniert jedoch nicht, wie man auf den Fotos im Link oben erkennen kann und führt nur zu unsäglichem Tierleid.

Es gibt hierzu nur eine nachhaltige Lösung: Die Vögel brauchen betreute Taubenschläge, in denen die Eier gegen Gips-Eier ausgetauscht werden und somit eine Überpopulation verhindert wird.

Bitte, bitte geben sie den Tauben eine Chance sie wirklich ohne Vorurteile kennenzulernen. Sie werden Tiere mit eigenem freundlichen Charakter und Gefühlen begegnen – ganz so wie einem Hund oder einer Katze.

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