Mafia-Paragraph gegen Klima-Aktivist:innen ?

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Von Letzte Generation

Anklage wegen Krimineller Vereinigung rückt näher – Aufruf zur Stellungnahme

Seit Monaten kündigt die Staatsanwaltschaft Neuruppin an, gegen 5 Unterstützer:innen der Letzten Generation Anklage erheben zu wollen. Ihnen wird vorgeworfen, Teil einer kriminellen Vereinigung zu sein. Zum Einsatz kommt hier der Paragraph 129 StGB, der eigentlich der Bekämpfung organisierter Kriminalität dienen soll. Statt der Bezeichnung “Mafia-Paragraph” gerecht zu werden, wird er erstmals im “Kampf” gegen gewaltfrei protestierende Klimaaktivist:innen angewandt.

Nun erhielten die Anwält:innen der Beschuldigten Post von der Staatsanwaltschaft mit der Aufforderung, innerhalb einer Frist von vier Wochen Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. 
Unter www.menschengegenoel.org ist jetzt die Zivilgesellschaft dazu aufgerufen, Position zu beziehen.

Die deutsche Regierung tut nicht genug gegen den Klimawandel, Unterstützer:innen der Letzten Generation stellen sich dem entgegen, haben Öl-Pipelines den Hahn zugedreht, den Flugverkehr gestoppt und den Alltag unterbrochen. 

Nun sollen sie angeklagt werden. Nicht für ihre konkreten Taten der Zivilcourage – den Flugverkehr aufzuhalten, Pipelines zuzudrehen und den Alltag zu unterbrechen – sondern weil sie sich mit vielen anderen zusammengetan haben, um in der Krise gemeinsam etwas zu verändern. 

Das drastische Vorgehen gegen Klimaaktivist:innen steht unter großer Kritik: Green Legal Impact, Das Deutsche Institut für Menschenrechte, Die internationalen Organisationen Amnesty International und Civicus sowie viele weitere Organisationen und Expert:innen zeigen sich besorgt. Die Konsequenzen des Verfahrens treffen nicht nur die Beschuldigten. Die Ermittlungen im 129er Verfahren sorgen dafür, dass Klimaaktivismus mit organisierter Kriminalität assoziiert und somit stigmatisiert wird. Dadurch werden Menschen davon abgeschreckt, von ihrem Recht auf Protest und Meinungskundgabe Gebrauch zu machen.

Michael Forst, UN-Sonderberichterstatter für den Schutz von Umweltschützern, erklärte Ende 2023 in Hinblick auf den Umgang Deutschlands mit friedlichem Protest: “Ich glaube, was die Regierungen beunruhigt, was sie dazu veranlasst, Klimabewegungen wie in Deutschland als kriminelle Organisationen einzustufen, ist nicht so sehr die vermeintliche Illegalität ihrer Aktivitäten […] sondern die Reichweite ihrer Stimme. Es ist die Tatsache, dass sie hörbar sind, gehört und beachtet werden.” Er sei “zutiefst besorgt, eine derartige Erosion des zivilgesellschaftlichen Raums und Bedrohungen gegen Umweltschützer in Europa und auch in Deutschland, mitzuerleben“ In einem aktuellen Bericht vom Februar 2024 bestärkt er die “große Gefahr für Menschenrechte und Demokratie” und betont: “Anstatt Umweltschützer:innen zu kriminalisieren, sollten Regierungen die Ursachen für ihre Mobilisierung angehen.”

Zoë Ruge, Mitgründerin von „Rückendeckung für eine Aktive Zivilgesellschaft e.V. (RAZ)“ erklärt: “Protest und Meinungskundgabe, auch wenn es stört, sind existenzielle Bestandteile einer lebendigen  Demokratie und für diese unverzichtbar. 

Friedlicher Klima-Protest ist lebensnotwendig! Ermittlungen nach §129 StGB in diesem Zusammenhang und damit einhergehende Maßnahmen, wie Hausdurchsuchungen, das Beschlagnahmen der Website der Letzten Generation oder das Abhören des Pressetelefons, sind klare Grenzüberschreitungen, die an den Grundfesten unserer Demokratie rütteln.”

Weiter führt sie aus: “Der § 129 StGB wird instrumentalisiert, um friedlichen Protest zu unterdrücken, und vom klimapolitischen Versagen der Bundesregierung und der eigentlichen Gefahr abzulenken. Das ist beängstigend. Aber diese Gesellschaft darf und wird sich nicht davon abhalten lassen, die Stimme zu erheben.“ 

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin leitet nun die letzten Schritte ein, um 5 Menschen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung anzuklagen. Die Anwält:innen der Beschuldigten haben die kompletten Akten erhalten und nun vier Wochen Zeit, um hierzu Stellung zu nehmen. Am 28.3. läuft die Frist ab, anschließend wird die Anklage an das Gericht weitergereicht und an die Betroffenen geschickt. 

Auf der Website von Menschen gegen Öl gibt es nun die Möglichkeit als Teil der Zivilbevölkerung – und somit perspektivisch ebenfalls Betroffene:r – Stellung zur geplanten Anklage zu nehmen. Die ausgefüllten Formulare werden dann direkt an die Staatsanwaltschaft Neuruppin geschickt und müssen, als Teil der Akte, von Staatsanwaltschaft und Gericht gelesen werden. 

Die Wirkung eines solchen gesellschaftlichen Auflehnens ist dabei nicht zu unterschätzen. Die Entscheidung des Gerichts im Verfahren hängt aufgrund des weiten Tatbestandes von § 129 StGB auch stark von der öffentlichen Meinung zu dem Thema ab. Eine aktive Zivilgesellschaft kann den Diskurs mitbestimmen und so Einfluss darauf nehmen, wie und ob friedlicher Protest für unser aller Überleben bestraft wird. 

Jetzt ist es also an uns allen, die Werte einer lebendigen und wehrhaften Demokratie hochzuhalten. Wir tauschen uns aus, kommen zusammen und werden laut: gegen Öl, gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Für eine lebendige Demokratie und eine sichere Zukunft für uns und nachfolgende Generationen.

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