Kommentar zur Aussage der Verwaltung über die Verdopplung der Schuldenlast durch die Privatisierung der Stadtwerke

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Kommentar zum Beitrag: Stadt Braunschweig: Privatisierung der Stadtwerke verdoppelt langfristig die städtische Schuldenlast

Ein gutes Jahrzehnt lang sonnten sich die Braunschweiger in der schönen Gewissheit, dass ihr Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann mit der weitgehenden Privatisierung der kommunalen Einrichtungen einen Geniestreich vollbracht hat. Am Donnerstag musste die Verwaltung widerwillig zugeben, dass -die Annahmen des KPMG-Gutachtens zugrunde gelegt- der Verkauf der Stadtwerke, für dessen Erfolg sich der Bürgermeister bundesweit feiern ließ, die langfristig zu erwartende Schuldenlast der Stadt nicht verringert, sondern verdoppelt. Hoffmanns Privatisierungspolitik – das Markenzeichen seiner Regentschaft- erweist sich damit kurz vor Ablauf seiner Amtszeit als schlimm gescheitert.

Besonders bitter für die Bürger: Anders als die von Hoffmann vielgescholtenen bunten Parteien, die dazu neigen mögen, die Nachwelt mit höheren Schulden zu belasten, um jetzt soziale und kulturelle Projekte zu fördern, haben auch die jetzigen Braunschweiger keinerlei geldwerten Vorteil dadurch, dass zukünftige Generationen die Zeche für die von CDU, SPD und FDP betriebene Privatisierung der Stadtwerke zahlen müssen. Die Gelder, die der Stadt dadurch heute entgehen und so für die späteren höheren Schulden sorgen, fließen nicht in Kindergärten und Kunstprojekte, sondern landen bei Veolia.

Die Verwaltung verteidigt sich damit, dass das KPMG-Gutachten, das 2010 als Beweis der Vorteilhaftigkeit der Privatisierung gefeiert wurde, aufgrund der neu eingetretenen Entwicklungen mittlerweile irrelevant sei. Eine Auseinandersetzung damit lohne sich somit gar nicht mehr. Dem ist zu widersprechen. Wohl kam es in der Zwischenzeit zu im Gutachten nicht prognostizierten Entwicklungen; diese gleichen sich jedoch aus.[1] Mehr als eine Tendenz aufzeigen können Gutachten, die mit zukünftigen Ereignissen hantieren, ohnehin nicht. Und die Tendenz, die sich den Rohdaten des KPMG-Gutachtens entnehmen lässt, ist eindeutig: Ein Verlust in der Größenordnung von 100 Mio € durch die Privatisierung der Stadtwerke.[2]

Auf einem ganz anderen Blatt steht, dass KPMG offensichtlich der Stadt ein Gutachten geliefert hat, in dem mit Bilanzfälschungstricks gearbeitet wird, indem Geldströme auf geschickte Weise doppelt verbucht werden. Alles deutet dabei darauf hin, dass es sich um eine absichtsvolle Täuschung handelt und nicht um ein Versehen. (Dazu in einem späteren Artikel mehr.) KPMG täuschte so die Stadt über den Erfolg ihrer eigenen Beratungsleistung. Die Privatisierung der Stadtwerke geschah schließlich unter ihrer Federführung. Das Motiv dafür liegt nahe: Zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens war Braunschweig noch ein Großkunde bei KPMG. Ein schlechtes Zeugnis wäre der weiteren Geschäftsbeziehung kaum förderlich gewesen.

War es nicht der Oberbürgermeister Dr. Hoffmann, der sagte, man müsse KPMG blind vertrauen? Wurden nicht viele Privatisierungsverträge abgeschlossen, ohne dass man sie vollständig gelesen, geschweige denn verstanden hatte? Angesichts dieser Umstände sollte man erwarten, dass die Verwaltung und die Lokalpolitiker alarmiert wären, wenn sie von irreführenden Bilanzfälschungstricks in einem von Ihnen angeforderten KPMG-Gutachten erführen. Bei den Personen, die wirklich etwas bewirken hätten können, war das Gegenteil ist der Fall. Sie wollten nichts wissen, und wenn sie wussten, wollten sie nichts tun. In einem späteren Beitrag davon mehr.


[1] Auf der einen Seite steht der diesjährige Gewinneinbruch bei BSEnergy, der den Ertragswert den Unternehmens schmälert – auf der anderen Seite eine lang andauernde Niedrigstzinsperiode: die 5% Habenzinsen bzw. Zinskosten, die KPMG zugrundelegt, um die Zinsvorteile im Falle der Privatisierung zu errechnen, sind seit Jahren in Realität weit niedriger.

Letzteres gilt um so mehr für die Jahre ab 2014, in den KPMG eine inflationsbereinigte Betrachtung anstellt, den Zins aber weiter bei 5% ansetzt. In einer solchen Betrachtung  muss mit dem Realzins gerechnet werden, aus dem die Inflationsrate herausgerechnet wird. Sollzinsen von 3% entsprechen bei einer Inflationsrate von 2% einem Realzins von cirka 1%. Ein Realzins von 5% entspricht also nicht im geringsten den in den nächsten Jahren zu erwartenden Tatsachen.

[2] Auch die Verwaltung ist sonst nicht so streng mit dem Verfallsdaten von Gutachten.

Statt auf das KPMG-Gutachten beruft sie sich mittlerweile auf ein Gutachten von Booz, Allen und Hamilton, um den Erfolg der Privatisierung der Stadtwerke zu belegen. Dieses Gutachten, das der Stadt einen Privatisierungsgewinn von 146 Mio. € bescheinigt, ist 13 Jahre alt und stammt aus dem Jahr 2000. 

 


Kommentare 
+3 #1 Ulenspegel 2013-06-03 23:17
Dass KPMG zu diesem positiven Ergebnis nur kommen konnte, weil sie auf eine geschickte Weise den Löwenanteil der Einnahmen aus dem Stadtwerkeverka uf doppelt auf der Habenseite der Privatisierung verbucht hat, dazu die hiesigen Parteien CDU, FDP und SPD sowie die lokale Presse der Bevölkerung das völlig unkritisch als „Wunder von BS“ verkaufen konnten, zeigt nur um so mehr, dass das Thema vielen zu undurchsichtig war. Sind wir etwa so gut zu verar***en?
Auf BiBS und Rosenbaum wollte keiner hören, da muss ei junger Mann der Piratenpartei nur mal die richtige Frage zur Methode des Gutachtens stellen, indem er die Methode von KPMG nicht direkt angriff, sondern einfach konkreter nachfragte, welchen Einfluss die Privatisierung auf die Finanzlage der Stadt langfristig hat, und schon wird ein Braunschweiger Blaues Wunder zutage gefördert. Respekt! Die richtigen Fragen stellen, sollten wir das nicht ALLE mal allmählich lernen?

 

 

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