Antwort an die BIBS: E-Busse sind nur eine Alternative zu Dieselbussen, nicht zur Tram

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Straßenbahn in der Ottenroder Straße (Foto: Stefan Vockrodt)

Die BIBS-Fraktion möchte die in Braunschweig fahrenden Dieselbusse durch E- Busse ersetzen. Dr. Dr. Wolfgang Büchs sieht dies offenbar auch als Alternative zum  Stadtbahnausbaukonzept, sogar als Alternative zur Stadtbahn überhaupt? Diese Frage muss sich stellen, wer den Beitrag der BIBS unter http://www.braunschweig-spiegel.de/index.php/politik/politik-allgemein/7700-bibs-fraktion-einsatz-von-e-bussen-pruefen genauer liest.

Heißt es doch dort: „Elektrobusse bieten Umweltvorteile, es gibt Fördermittel und sie sind sehr flexibel einsetzbar, so dass man leicht (ohne erhebliche Investitionsverluste) auf verändertes Mobilitäts-verhalten reagieren kann, das im Betrachtungszeitraum bis 2030 aufgrund der absehbaren rasanten technologischen Entwicklung (mehr Elektrofahrzeuge, selbstfahrende Einheiten) zu erwarten ist.“

Wie rasant die technologische Entwicklung wirklich verläuft, kann man leicht an den Zulassungszahlen für Elektro-Pkw ablesen. Auch 2030 wird das Gros wohl noch immer von Verbrennungsmotor-getriebenen Straßenfahrzeugen gestellt werden. Immerhin wird ein Pkw hierzulande im Schnitt länger als zehn Jahre genutzt. Man sollte nicht auf das vielleicht einmal Kommende setzen, sondern muss mit dem arbeiten, was vorhanden und sicher ist.

Auch die Umweltfreundlichkeit von E-Bussen muss man hinterfragen, denn sie sind nur dann ökologisch sinnvoller als ein Diesel-oder Erdgas-oder Wasserstoffbus, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen kommt. Zumindest letzteres könnte bis 2030 Realität sein. Wohlgemerkt: Könnte!

Der öffentliche Nahverkehr in Deutschland kann sich leider nicht aus den Fahrgelderlösen tragen. Das muss er auch nicht, denn er erfüllt mehrere, positive Funktionen. Nicht nur soll er Menschen, die sich nicht mit Auto oder Fahrrad fortbewegen können oder wollen, eine gute Mobilität ermöglichen, er schont auch durch Abgas- und Feinstaubminderung die Luft, durch seinen geringen Flächenbedarf kann er wirksam gegen Bodenversiegelung sein und ganz nebenbei: Je weniger Pkws auf der Straße sind, desto weniger Staus gibt es und desto besser kommen alle anderen durch. Wer nun aber ernsthaft Busspuren fordert, will mehr Flächenversiegelung, denn Busse brauchen mehr Platz als Bahnen (sogar dann, wenn diese nicht wie in Braunschweig 2,30 m, sondern 2,65 m breit sind!). Daher gilt in allen Städten mit 100 – 400.000 Einwohnern, die einen erfolgreichen ÖPNV betreiben (Braunschweig gehört leider noch nicht dazu, man sollte den Weg aber nicht weiter verbauen): Die Tram trägt die Hauptlast des ÖPNV, der Bus ergänzt dies auf den nachfrageschwachen Strecken und darüber hinaus gibt es sinnvolle Verknüpfungen zu anderen Mobilitätsträgern, z.B. städtische Leihfahrräder und/oder Park&Ride-Systeme und/oder gute Car-Sharing-Angebote und/oder eine gute innerstädtische Parkraumbewirtschaftung. Städte wie Kassel, Freiburg oder Mainz, wo jüngst mit der Mainzelbahn die bisher längste Verlängerung eines deutschen Stadtbahnnetzes in diesem Jahrtausend den Betrieb aufnahm (und Bonn, das über ein leistungsfähiges Stadtbahnnetz  als Rückgrat des ÖPNV verfügt) sind hier Vorbilder.

Nun ist das Stadtbahnausbaukonzept, wie es der Rat am 21.2.2017 beschließen soll ein durchdachtes und realisierbares Konzept. Gewiss, es wird heftige Debatten und Auseinandersetzungen geben, nicht nur wegen der Trasse nach Lehndorf. Außer der Verlängerung nach Volkmarode und der Heidbergstrecke über die Salzdahlumer Straße dürften sich gegen alle geplanten Strecken die üblichen Gegeninitiativen mit den üblichen Argumenten bilden. Einige davon sind sicherlich berechtigt, doch wer heute glaubt, ein EMIL-Elektrobus sei eine wirtschaftliche oder sogar ökologische Alternative zu einer modernen Straßenbahn, der irrt. Denn auch ein Elektrobus ist – ein Bus. Und er hat nur die halbe Leistungsfähigkeit (im Sinne von Beförderungskapazität) einer Stadtbahn. Das bedeutet schlicht: Busse sind insgesamt immer unwirtschaftlicher auf den Trassen, auf denen eine Stadtbahn sinnvoll genutzt werden kann. Und letzteres trifft auf die im Stadtbahnausbaukonzept betrachteten Routen zu.

Doch im 21. Jahrhundert reicht ein bloßes Gucken auf die Frage, wo eine Tram und wo ein Bus das angemessene und kostengünstigste Angebot darstellt, nicht mehr aus. Heute geht es mehr und mehr um die Verknüpfung der Mobilitätsmodalitäten, darum, den Nutzern eine möglichst gute Mobilität von der Wohnungstür zum Ziel – egal welchem zu ermöglichen. Das erfordert den Blick über den Tellerrand, und hier gilt es nicht nur in Braunschweig noch viel aufzuholen.

8 Kommentare

  1. Die BIBS scheint in der neuen Fraktion verkehrspolitisch aus dem Ruder zu laufen. Sie sollte sich dringend um Sachverstand bemühen, wenn sie ernstgenommen werden will.
    Das betrifft sowohl das Thema der Busse versus Straßenbahn als auch das Thema „Raser“ in der Innenstadt. Als einzige Partei hielt sie es für sinnvoll,die Kontrollen in der Stadt gegen Raser nicht verschärfen zu wollen.

    Die BIBS sollte doch wissen, dass Raser in der Stadt, zumal beim heutigen Verkehr, lebensgefährlich sind. Sorry, hier fehlt mir das Verständnis.

  2. Ich kann Uwe Meier in beiden Punkten nur zustimmen! Ich reibe mir die Augen: Parteinahme für Raserei – dafür habe ich nun als Radlerin gar kein Verständnis.

  3. Stefan hat sich da wohl im Eifer des Wortgefechtes auf etwas gestürzt, was im BIBS-Artikel gar nicht drin steht. Ich lese da jedenfalls nix von Elektrobus statt Stadtbahn. Lediglich soll er überhaupt bei der Untersuchung berücksichtigt werden.

    Warum BIBS nicht für die Tempo-Kontrollen gestimmt hat, kann ich auch nicht nachvollziehen. Höchstgefährlich diese Raserei – vermutlich sind das auch keine Kandidaten für den Wechsel zum ÖPNV, da bestimmen andere Faktoren die Wahl des Verkehrsmittels.

    Elektrobusse und Elektroautos sind natürlich keine Lösung der Verkehrsprobleme wenn dabei lediglich nur ein Greenwashing betrieben wird. Die Energiebilanz bei der Fahrzeugherstellung würde ich gerne mit einbezogen haben, und die Art der Herstellung des nachgefragten Stromes bei den Umweltfaktoren.

    Auch Stefan argumentiert – wie die Stadt bzw. Verkehrs GmbH immer mit vollen Verkehrsmitteln. Das hakt … bringt aber vermutlich eine Kostennutzenbewertung nach oben. Wäre interessant das Bewertungsverfahren selbst auf den Prüfstand zu stellen, ehe abschließend von Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit gesprochen wird.

    • Corinna irrt, wenn sie meint, es werde nur mit voll ausgelasteten Bahnen argumentiert. Bei der standardisierten Bewertung geht es um die Gesamtanzahl der Fahrten, die auf einer Trasse bzw. einem Netz(abschnitt) erreicht werden. Da geht im Nutzen keineswegs ein, ob die Bahnen immer voll sind oder die Busse immer leer, es wird allerdings das Gesamtangebot an Fahrten (also der Takt) berücksichtigt, da das für die Ermittlung der Betriebskosten eine wesentliche Rolle spielt. Bei zu geringem Fahrtenangebot gehen übrigens die Fahrtenzahlen auch wieder nach unten. Das ist eine ziemlich komplizierte Rechnerei – im ÖPNV haben wir im Schnitt eine Auslastung von etwa 20 %, d.h. im Mittel sind vier von fünf Plätzen in Bussen und Bahnen leer – das ergibt sich aber über den gesamten Tag und das gesamte Netz. Hier in BS gibt es Abschnitte (z.B. „Schloss“ – Donauknoten), wo die Bahnen nahezu den ganzen Tag über gut gefüllt sind. Andere Linien fahren hingegen viel, zu viel Luft spazieren.

      Grundsätzlich hat sich in den letzten 30, 40 Jahren erwiesen, dass überall dort, wo eine Buslinie auf Stadtbahn umgestellt wurde – sofern ein Mindestbedarf erreicht wurde -, sich die Fahrgastzahlen drastisch erhöht haben. Das nennt man den Schienenbonus. Die Bahn ist einfach attraktiver als der Bus.

      Beim Stadtbahnausbaukonzept wird übrigens jedes einzelne Projekt noch einmal eingehend geprüft werden. Ob das alles so, wie es jetzt als Planungsbeschluss beschlossen werden soll, realisiert wird?

  4. Aus dem Ruder läuft bei der BIBS-Fraktion gar nichts: 1. Die BIBS-Fraktion hat zur Ratssitzung am 21.2. beantragt, das Braunschweiger Busliniennetz auf die Umstellung auf E-Busse zu untersuchen. Dieser Antrag ist komplett unabhängig von der Straßenbahnvorlage. Explizit steht im Antrag zu den E-Bussen, um genau der Verwechslung vorzubeugen, der Herr Vockrodt erlegen ist: Das eine schließt das andere nicht aus. Es kann doch beides sinnvoll sein – Stadtbahn und E-Bus. Herr Vockrodt schreibt nun aber so, dass der Eindruck erweckt wird, als ob der Antrag zu E-Bussen die Stadtbahnerweiterung torpedieren oder gar kippen soll. Das ist falsch.
    2. Wolfgang Büchs hat sich bei der Straßenbahnvorlage enthalten, weil die Verwaltung bislang nicht die immer wieder zitierte „Standardisierte Bewertung“ zur Verfügung gestellt hat. Das sind die Berechnungsgrundlagen, die darlegen/errechnen, wie es zu der positiven Bewertung des möglichen Straßenbahn-Ausbaus in der Vorlage gekommen ist. Bislang wird daraus immer zitiert, aber die Berechnungen selbst kennt keiner. Wolfgang Büchs hat die Verwaltung schon vor über zwei Wochen aufgefordert, diese Berechnungen den Fraktionen und der Öffentlichkeit komplett zur Verfügung zu stellen. Antwort der Verwaltung: Prinzipiell ja, aber das sind ja solche Datenmengen, und man könne ja von der Verwaltung nicht erwarten, dass sie monatelang nur versuchen, Wege zu finden, wie man etwas den Fraktionen zur Verfügung stellt…. Deswegen Enthaltung. Es ist doch wohl logisch, dass man als Ratsherr auch die Vorlage, über die man abstimmen soll, ausreichend beurteilen will. Das kann man nur, wenn man die Grundlagen kennt.
    3. Zu den Rasern: Henning Jenzen hat der Vorlage nicht zugestimmt, weil an den Stellen, wo die Blitzer installiert werden sollen, es nach Polizeiangaben gar keine erhöhte Unfallhäufigkeit gibt, und die Braunschweiger Unfallstatistik über Unfälle im Stadtgebiet führt erst an fünfter Stelle überhöhte Geschwindigkeit als Unfallgrund an. Somit sorgen die Radarfallen nicht für eine erhöhte Sicherheit. Wenn, dann sollte man Radarfallen dort aufstellen, wo sie was nützen. Das sind klare Argumente, aber man kann auch anderer Meinung sein: die BIBS-Fraktion hat keinen Fraktionszwang, und wer wie im Rat dann abstimmen wird, wird man sehen.

  5. Es führt wohl vom Thema weg, trotzdem: ich verstehe nicht, warum man die „heilige Kuh“ Stadtbahn offensichtlich nur schwer diskutieren kann. Die BIBS hat sie nicht in Frage gestellt, man muss nur lesen.Ich aber mag sie nicht besonders und stelle sie hiermit in Frage und zur Diskussion, denn die ökonomischen und ökologischen Vorzüge der Stadtbahn haben leider auch ihre Kehrseiten: hohe Investitionen in Gleisbau,evtl.Trassenbau und deren Unterhaltung und evtl. Rückbau(gerade der Rückbau wird gern vergessen, nach Riddagshausen lagen die Schienen noch Jahrzehnte und vor St. Leonhards Garten liegen sie auch immer noch)/ Oberleitungen, die aufwändig in Häusern, Laternen und zusätzlichen Masten verankert werden müssen und dauerhaft Sicht und Blickachsen schwer verschandeln/ Gleise, die häufig Fahradunfälle und auch Autounfälle verursachen/ Gleisführungen in engen Straßen (Gliesmaroder Straße),die zu häufigem Abschleppen von etwas zu schräg parkenden Autos und dann ewigen Staus im Stadtbahnverkehr mit mehreren Bahnen hintereinander führen/ „normale“ Unfälle im täglichen Straßenverkehrs mit Stadtbahnbeteiligung und nachfolgend ebensolchen Staus.
    Die Bahn ist leider unflexibel und schnell ist sie nur in eigener, teurer Trasse.Und zur Stromkritik an E-Bussen und E-Autos: fahren denn ausschließlich Straßenbahnen mit 100% Ökostrom?

  6. In Braunschweig fahren diverse E-Busse sehr erfolgreich auf bestimmten Linien. Am Wendepunkt erfolgt eine induktive Batterieladung (also ohne Kabel) in Minuten. Die Braunschweiger Verkehrs AG ist mit diesen Bussen vorbildlich in Deutschland.
    Anders als ein E-PKW müssen E-Busse nur bestimmte Linien fahren und die Batterie Ladezyklen sind bei den E-Bussen sehr gut auf diese Linien abgestimmt. Eine Kritik an Elektroautos ist deshalb nicht schematisch auf E-Busse übertragbar.Braunschweiger E-Busse erfüllen ihre Funktion als Transportmittel des ÖPNV genauso gut wie eine Straßenbahn.
    Auf diesem Hintergrund kann ich eine 500 Mio. Euro Investition für eine Stadtbahn nicht nachvollziehen und auch nicht befürworten. Die erwarteten Zuschüsse von Bund und Land muss ich als Steuerzahler schließlich auch mit bezahlen.
    Mein Tipp: Alle Fraktionen sollten sich mal bei der Braunschweiger Verkehrs AG anmelden und sich dort das vorbildliche ökologische E-Bus System erklären lassen – eine Probefahrt gibt es sicherlich gratis.

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