Der schwarze Herzog – kein Held, aber keiner soll es merken? (3)

0

Aus der Redaktion zum Beitrag von Andreas Matthies: Dieses ist die dritte und letzte Folge zum sog. „Schwarzer Herzog“. Alle drei Folgen rücken das verquere Geschichtsbild, das einige Braunschweiger, insbesondere die sich zur braunschweigischen Aristokratengeschichte hingezogenen elitären Geschichtsklitterer, ins richtige Licht. Der „Held“, der der Schwarze Herzog sein soll, ist nun mal eben nur eine Fassade, so wie die vor dem „Schloss“, vor dem er steht. Es ist also alles stimmig in Braunschweig.

1. Folge „Der Schwarze Herzog – doch kein Held!“

2. Folge „Der Schwarze Herzog – Warum wurde er glorifiziert?“ (red).

Das seltsam lächerliche „Denkmal“ der Lagerstatt von seiner offiziellen Seite. Siehe auch das Foto der Lagerstatt in Folge 2   Foto: Marlis Zoschke

Mit der Ausstellung zum Schwarzen Herzog  „Wann ist ein Held ein Held?“ hat sich das Landes-museum in gewisser  Weise von seiner Entstehungsgeschichte emanzipiert. Denn es ist aus einer „Ausstellung vaterländischer Erinnerungen 1806  – 1815“ entstanden, die 1890 aus Anlass der 75. Wiederkehr des Todestages Friedrich Wilhelms inszeniert wurde. Mag es dem einen oder andern   am Ort wirkenden Historiker noch schwer fallen,  sich wirklich von allen Verklärungen frei zu   machen, so ist doch klar: FW  war kein Held und seine Glorifizierung diente Zwecken, die von der übergroßen Mehrheit der Gesellschaft heute  nicht geteilt werden, sondern im Nachhinein als schädlich beurteilt werden dürften.

Auch dem Ziel, ihn zur Ausbildung und Festigung eines „braunschweigischen Bewusstseins“ zu   nutzen, also zur Identifizierung mit dem aufgelösten Herzogtum Braunschweig, können heute nur noch wenige etwas abgewinnen.

Friedrich Wilhelm ist eine Figur der Geschichte wie etwa Minna Fasshauer oder Gert Hoffmann

Der „Held“ ist also längst auf Normalmaß geschrumpft  (und das Verständnis von Heldentum hat sich nach zwei Weltkriegen gesunderweise gründlich geändert, wie auch die Ausstellung deutlich macht).Entsprechend  gilt es, diese Figur der Geschichte nüchtern zu untersuchen und einzuordnen  wie jede andere Figur unserer Geschichte auch, sei  es  Wilhelm Bracke, Minna Faßhauer, Max Jüdel oder Gert  Hoffmann. Sicher wird man bei der einen oder anderen Person zumindest mehrheitlich zu dem Ergebnis kommen, dass das Positive überwiegt, aber für Heldenverehrung und –verklärung ist kein Platz mehr – und das ist gut so.

Eine gut informierte Diskussion kann immer einmal wieder zu neuen Bewertungen führen.  Solche Diskussionen sind gut für die Stadt, sie halten sie lebendig.  

Was soll  aus unserem veränderten Bild vom Schwarzen Herzog folgen?  Gar nichts?

Wenn man nun die Ergebnisse der Ausstellung ernst nimmt, muss man sich dieser Frage stellen. Denn Friedrich Wilhelm ist im Stadtbild nahezu  allgegenwärtig. Nach ihm und seinen Offizieren  sind zahlreiche Straßen benannt (z.B. Olfermann, Wachholtz,  Dörnberg,  Korfes), Ehrenmale sind zu finden in Ölper, am Petritor (s. Foto oben), auf dem Nussberg und auf dem Löwenwall (Obelisk). Die zentrale Position aber nehmen  die Reiterstandbilder Friedrich Wilhelms und seines Vaters  vor den „Schlossarkaden“ ein. Und die sind nun wirklich der vollendete  Ausdruck von Heldenverehrung.

Augen zu und vorbei laufen?    

Natürlich können wir das ignorieren und daran vorbeilaufen wie immer. Aber wir wissen nun endgültig, wie beschränkt  dieser Herzog war, wie er sich 1814/15 verhalten hat, als er die Regierungsgewalt in Braunschweig übernahm, wie er sich in kurzer Zeit den Unwillen der Bevölkerung zuzog,  wie rückständig sein blinder Franzosenhass war, wie beschränkt auch seine Fixierung aufs Militärische. Es muss der Eindruck entstehen, dass wir Braunschweiger entweder nicht wissen, wen wir da ehren, oder einem  hohlen Lokalpatriotismus hinterher trotteln.     Beides wenig schmeichelhaft für eine aufgeklärte Stadt der Wissenschaft.

Und stellen wir uns noch folgende Situation vor: eine französische Besuchergruppe stößt auf das zweite Reiterstandbild, das Carl Wilhelm Ferdinands; sie weiß (oder sie googelt), dass das der Fürst war, der die Militärintervention gegen die französische Revolution geführt hat und der offen gedroht hat, Paris zu vernichten, falls die Bürger ihrem eigenen König auch nur ein Haar krümmen. Die Gäste laufen um das Denkmal herum, finden aber weder einen Hinweis auf die Zwiespältigkeit dieses zweiten „Helden“, noch irgend eine Einordnung und schon gar keine Distanzierung. Für eine weltoffene europäische Stadt einfach peinlich!

Was also tun?

Das Landesmuseum hat anlässlich der Eröffnung der Ausstellung dem Reiterstandbild des Schwarzen Herzogs einen roten Umhang umgehängt, um ein bisschen Aufmerksamkeit auf die Veranstaltung zu ziehen. Zum Inhalt der Ausstellung würde es besser passen, ihm wie seinem Vater ein Brett vor den Kopf zu montieren (meinetwegen aus Balsaholz), durch das die Beschränktheit dieser Herzöge angedeutet wird. Ohne Zweifel würde ein solch provokativer Akt auch jetzt noch dazu beitragen, die öffentliche Diskussion zu fördern, aus der dann irgendwann ein sichtbares Zeichen der Neubewertung der „Helden“ hervorgehen muss. Natürlich sind auch andere Hebel denkbar. 

Aber ohne eine offene, lebendige Diskussion über unser Problem droht alles zu verpuffen.     Und das wäre wirklich schade – auch für die akribisch erarbeitete Ausstellung.

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.