Der Deal – Vom Handel mit der Gerechtigkeit und der Natur

0
Prof. Dr. Heribert Prantl war 25 Jahre lang Leiter des Ressorts Innenpolitik der SZ, sodann Leiter des neugegründeten Ressorts Meinung. Acht Jahre lang war er Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung. Seit seinem altersbedingten Ausscheiden aus diesen Ämtern zum 1. März 2019 ist er Kolumnist und Autor der SZ.

in den vergangenen Jahrzehnten hat sich immer öfter das Aushandeln von „Deals“ in den Gerichten etabliert, oftmals um langwierigere Prozesse abkürzen zu können. Das mag in manchen Fällen als vernünftig oder pragmatisch angesehen, ist es vielleicht manchmal auch. Wenn allerdings so ein Deal mit einer Gruppe gewalttätiger Neonazis vor Gericht ausgehandelt wird, ist die Grenze des Erträglichen weit überschritten. So kürzlich geschehen im Landgericht Erfurt.

Mit diesem Handel des Erfurter Landgerichts beschäftigt sich Heribert Prantl ausführlich in seiner wöchentlichen Kolumne „Prantls Blick“ in der Süddeutschen Zeitung. Er schreibt dort:

„Das Urteil, um das es mir geht und das mich umtreibt, ist ein Urteil des Landgerichts Erfurt. Es ist ein Urteil, das vom Gericht mit den Angeklagten regelrecht ausgehandelt worden ist; so einen Handel nennt man Deal. So ein Deal ist nichts Neues mehr im Strafprozess, dort wird seit vier Jahrzehnten gedealt: Der Angeklagte gesteht, wenigstens teilweise, und erhält dafür die vereinbarte milde Strafe. Wirtschaftsstraftaten werden seit langem so verhandelt, mittlerweile auch viele kleine Alltags- und Verkehrssachen. Das geht dann so: „Wenn das Fahrverbot wegfällt, gibt mein Mandant die Geschwindigkeitsüberschreitung zu“, erklärt der Anwalt. Der Richter akzeptiert das und erspart sich viele Stunden Beweisaufnahme. Wenn so in großen Wirtschaftsstrafprozessen verfahren wird, und dort ist das fast die Regel, erspart sich das Gericht Monate, vielleicht Jahre.

Der Handel mit der Gerechtigkeit

Mir hat so ein Handel mit der Gerechtigkeit nie gefallen, weil ein Strafgericht kein Handelsgericht ist. Aber das Bundesverfassungsgericht hat diese Dealerei im Gerichtssaal mit höchsten Weihen versehen – und der Gesetzgeber hat den Deal ins Gesetz geschrieben. Es darf also gefeilscht, gekungelt und gepokert, es dürfen das (Teil-)Geständnis und der Deal vom Gericht, vom Staatsanwalt, dem Verteidiger und dem Angeklagten ausgetüftelt werden. Nur die Opfer sind da nicht beteiligt.“

Weiter

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.