Das Problem ist nicht der Diesel, sondern die falsche Politik

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Selbst auf der Straßenbahn wird Reklame für Autos gemacht. Ruhe sanft, liebe Dieselrepublik. Foto: Klaus Knodt

Im Gespräch ist sie seit „Dieselgate“. Der ARD-„presseclub“ thematisierte die Frage am Sonntag, heute urteilte das BVG Leipzig: wie kriegt man die Luft in den Städten wieder sauber? Wie verhindert man, dass in Deutschland zwischen 6000 bis 60.000 Menschen pro Jahr (erster Skandal: es gibt nicht einmal belastbare Zahlen!) an den gesundheitlichen Folgen von Russ, Stickoxiden und Feinstpartikeln vorzeitig verenden? Diesel einfach verbieten?

Die Ansätze der handelnden Figuren in diesem Kasperltheater sind immer dieselben. Die Autolobby samt ihrer publizistischen Helfeshelferschaft argumentiert, dass man aus Fehlern lerne, die nächste Autogeneration „sauberer“ konstruiere und Fahrverbote das Recht des Einzelnen auf freie Entfaltung der Persönlichkeit behindern. Ausserdem sei Massenmobilität volkswirtschaftlich notwendig. Es gehe auch um Arbeitsplätze, zu denen man ja nun hin muss in flexibler Just-in-time-Arbeitsameisenwelt.

 

 

Groß, größer, Gelenkbus: Statt die Fahrgäste zu starren Taktzeiten zu zwingen, könnten Verkehrsbetriebe auch flexibel mit Kleinbussen arbeiten. Funktioniert sogar in der Türkei. Foto: Klaus Knodt

Die ökologische Fundamentale argumentiert nicht weniger doktrinär: Abgase sind Völkermord, nur Fahrverbote schützen das Grundrecht des Einzelnen auf gesundheitliche Unversehrtheit, und Massenmobilität könne man auch mit besserem öffentlichen Nahverkehr, E-Autos, rad- und fussgängerfreundlichen Städten sowie Verkehrsvermeidung bewältigen. Dort könnten Millionen neuer Arbeitsplätze entstehen.

Wie immer ist wahrscheinlich beides etwas richtig. Ja, die nächste Autogeneration könnte sauberer konstruiert werden. Das ist dann natürlich eine Frage des Preises. Um den jetzigen Preisstand zu halten, müßte man in die Karren statt Ledersitzen, Navi, elektrischen Fensterhebern und Klimaanlage (die in Mitteleuropa sowieso keine Sau braucht) ein effektiveres Abgasreinigungssystem einbauen. Und Ja, Verkehrsvermeidung ist möglich, ohne gleich die Rentnerin bei Wind und Wetter zum wöchentlichen Supermarkt-Einkauf auf ihr Klapprad zu zwingen.

Vor 40 Jahren zwang die wirtschaftliche Energiekrise die Autobauer dazu, leichte und (für den damaligen Stand der Technik) intelligente Autos zu produzieren. Sprit wurde über Nacht für das letzte Glied der Wertschöpfungskette, den kleinen Verbraucher, zu teuer. VW Passat und Audi 80 lösten die saufenden Hecktrieb-Boxer ab, Opel riss den „Diplomaten“ und „Admirälen“ die Epauletten ab und baute einen pfiffigen „Kadett City“. BMW wurde mit dem standardisiertem „3-er“ zum Massenhersteller und selbst der Daimler wurde nach ein paar Bedenkjahren unten aktiv: weniger SE, mehr 190. Sogar der US-Riese FORD feierte mit dem „Escort“ Erfolge. Und als alle wie das Kaninchen auf die böse Schlange Spritverbrauch schauten, erfand VW den „Diesel für alle“.

Der BMW 530d holt aus knapp 3 Litern 265 PS, fährt 250 km/h schnell, und verbraucht angeblich nur 4,5 L Diesel/100 km (Prospektangabe). Warum überprüft niemand diesen Fake? Foto: Klaus Knodt

 Der Diesel war bis dahin der Antrieb für Ackerschlepper, Lastwagen und ein paar Taxler und Landwirte, die ihn aus betriebswirtschaftlichem Kalkül in lahme Daimler-Mittelklassekarossen einbauen liessen. Wartungsarm, unkaputtbar und selbst dann billig zu betreiben, wenn man mal kein Heizöl mehr im Keller hatte.

Der Golf GtD von VW entfachte dann den Diesel-Hype: Da gab es plötzlich einen Wagen, der mit 6 bis 7 Litern billigerem Treibstoff auf 100 km auskam, fast so schnell wie ein Super-befeuerter GTI fuhr, kaum noch „nagelte“ und im Kaltstart so schnell ansprang wie ein Benziner. Kein Autohersteller der Welt (ausgenommen: die Amis) konnte an dieser Entwicklung vorbeigehen. Im Vierteljahrtakt wurden neue „Wuchtbrummen“ mit Dieselmotor, „viel Power von unten heraus“ und fantastischen Verbrauchswerten gelauncht. Wer keinen sparsamen Diesel in der Garage hatte, wurde ausgelacht. Wer keinen im Portefeuille hatte, machte dicht oder durfte fusionieren (Simca, Renault).

Der einseitige Blick auf den Nutzeffekt „verbrauchsoptimierte Wirtschaftlichkeit“ hat bis heute den Fokus auf die Frage Umwelt verdeckt. Natürlich sind auch Benziner wie alle Verbrennungsmotoren potenziell umweltgefährdend. Aber von dieser Frage hat sich die Diskussion heute komplett entkoppelt.

Der Diesel-„Ur-Golf“ holte aus 1,1 Litern 50 PS. Bei einem Leergewicht von einer Dreivierteltonne reichte das für 145 km/h bei einem Nennverbrauch von 5,4 Litern (e-motion). Heute wiegt der Einstiegs-Dieselgolf fast soviel wie ein Mittelklasse-Daimler der legendären Baureihe W123 (1321 kg), holt aus 1,6 Litern im kleinsten Modell TDI 105 PS, und läuft bei einem Testverbrauch von 5,6 Litern 192 km/h. Ein wirklicher Fortschritt?

Die Autoindustrie hat nie die Zeichen der Zeit erkannt. Projekte wie das (bewusst?) hässlich gestaltete Drei-Liter-Auto Lupo, mehr ein als überdachte Glühkerze getarnter Einkaufsroller, floppten. Weil die Entwicklung nur ein Ziel kannte: in vielen Evolutionsstufen aus derselben Spritmenge etwas mehr Leistung herauskitzeln. Solange sich der Kunde mit einem Verbrauch um die 6 Liter bei übertriebenen Beschleunigungswerten zufrieden gab, war ja auch alles in Butter.

Alle Regierungen der letzten 45 Jahre haben in diesen Motorisierungs-Irrsinn nie korrigierend eingegriffen. Wer braucht ein „Spar-Auto“ wie den heute kleinsten Golf Diesel, der halb soviel wie eine Zwei-Zimmer-Eigentumswohnung (rd. 23.000 €) kostet und seine utopische Höchstgeschwindigkeit nicht mal mehr auf der verstopften Autobahn ausspielen kann? Noch schlimmer wird’s, wenn man nach „oben“ schaut: Wer braucht einen über 2,2 Tonnen schweren und 550 PS starken Porsche Cayenne biturbo Geländewagen, der 287 km/h schnell ist und im Fahrtest locker 20 Liter Sprit versenkt??? Das Geld sollten die Kund/Innen besser beim Psychiater anlegen.

Heute zugelassene Brot- und Butterautos haben selten unter 120 PS (das gab’s früher nur in der oberen Mittelklasse), dieseln bevorzugt, jagen dank unrealistischer und in offenem Betrug gefakter Tests das Vielfache der geforderten Maximalemissionen durch den Auspuff und protzen mit Leistungswerten, die sowohl die marode Verkehrsinfrastruktur als auch die Komponente hinter dem Lenkrad grotesk überfordern. Es gilt, motorisch abzurüsten.

Nein, ich plädiere ausdrücklich NICHT für ein generelles Tempolimit. Nur: Wer rasen will und damit den Schadstoffausstoss über alle Messgrenzen hinaus nach oben treibt, soll dann auch entsprechend dafür zahlen. Mein Vorschlag:

– Autos bis 100 PS, die im realistischen Fahrtest nicht mehr als 5 Liter verbrauchen und unter 80mg Stickoxid bleiben, werden auf heutiger Grundlage analog besteuert.

– Für Autos ab 100 PS greift eine harte Progression auf Grundlage von im Fahrtest ermittelten Abgaswerten, die realistische Ausstösse ab 120 km/h in 20km/h-Schritten bis zur Höchstgeschwingigkeit abbilden. Diese Fahrtests müssen die Autohersteller auf eigene Kosten durchführen und werden von Experten des KBA überwacht.

– Ein 200-PS-Auto kostet mindestens 8 x soviel Steuern wie ein <100-PS-Auto; ein 300-PS-Auto das 24-fache. Darüber wird der Faktor 50 angesetzt.

– Autos mit mehr als 100 PS, die im realistischen Fahrtest mehr als 5 Liter verbrauchen und mehr als 80mg Stickoxid ausstossen, können weder von Firmen noch von Privatpersonen als Arbeitsmittel steuerlich abgesetzt werden. Der Arsch keines Handelsvertreters oder CEO ist so wertvoll, dass er nicht auch in den Sitz eines Basis-Touran plumpsen darf. Millionen berufstätiger Mütter kommen damit ja auch klar.

Diese Regelung gilt für alle Fahrzeuge, die heute mit dem Führerschein B bewegt werden dürfen; also auch für Kleinbusse / Lieferwagen.

– Für Fahrzeuge, die mit dem Führerschein Klasse C bewegt werden dürfen (über 3,5 t) gilt: Kommunen müsen ihnen verbindlich die Einfahrt in Verkehrszonen verbieten, in denen eine Schadstoffbelastung > Grenzwerte der WHO-Empfehlungen WHO Air quality guidelines

for particulate matter, ozone, nitrogen dioxide and sulfur dioxide (2005) vorliegt. Mit welchen Kapazitäten der Warentransport dann an die jeweiligen Adressaten erfolgt, kann nicht Problem der Legislative sein.

– Radikales Tempolimit von 80 km/h für alle Fahrzeuge, die mit dem Führerschein Klasse C bewegt werden dürfen. Sofortige Sanktionen bis zur Einziehung und temporären Stillegung des Fahrzeugs, und nicht nur der Fahrerlaubnis des geknechteten Lohnlenkers ab 10% über dem Normwert (88 km/h).

– Alle Kommunen werden gesetzlich verpflichtet und finanziell aus dem Bundeshaushalt ertüchtigt, um Schadstoff- und Tempomessungen vorzunehmen. Das Umweltbundesamt und die kommunalen Selbstverwaltungen legen Messmethoden und Messstandorte aufgrund wissenschaftlicher Evaluation und Bürgerbefragung gemeinsam fest.

– Die Bundeskanzlerin, die Bundesminister/Innen, die Ministerpräsident/Innen der Länder, die Minister/Innen der Länder und die kleinen Stadt- und Landkreismeister/Innen gehen mit gutem Beispiel voran und nutzen nur noch Fahrzeuge, die mit höchstens 5 Litern Diesel / 100 km auskommen und weniger als 100 PS haben. Ledersitze kann man ja trotzdem einbauen. Selbst die 250 Kilo Sicherheitsglas (+Merkel) sind im A4 gerade noch als Zuladung drin, wenn man auf die Klimaanlage verzichtet; im Übrigen gibt es auch Stoßdämpfer-Kits zum Nachrüsten.

– Die gesamte Verkehrsinfrastruktur der Bundesrepublik Deutschland (Bund, Land, Kommunen) wird ausschliesslich durch die Kfz-Steuer finanziert. Es gibt keine „Maut“. Private Investoren in PPP-Projekten werden aus dem Topf der Kfz-Steuer befriedigt oder gehen halt pleite. Das ist eben Marktwirtschaft.

– Die gesamten Einnahmen aus der Mineralölsteuer gehen an das bisherige Bundesumweltministerium (www.bmub.bund.de) mit dem Ziel, die größten Schäden aus der unkontrollierten Auswucherung des automobilen Verkehrs zu lindern.

– Der Kraftstoff für Flugzeuge wird wie der Kraftstoff für Autos besteuert. Es gibt keine Ausnahmen für irgendwelche Fluggesellschaften. Start- und Landegebühren werden durch das BMVI bundeseinheitlich festgelegt. Es gelten für alle europäischen Flughäfen dieselben Gebühren und Lärmschutzgrenzen.

Der innereuropäische Flugverkehr auf Kurzstrecken unter 400 Kilometer wird verboten. Kein Mensch muss von München nach Stuttgart oder von Köln nach Brüssel fliegen. Moderne Rad/Schiene-Systeme bewältigen die Strecken sogar in kürzerer Zeit. Auch moderne Flugzeuge verbrauchen enorme Mengen dreckiges Kerosin (3,6 Liter/100 km pro Passagier, sofern die Maschine bis auf den letzten Platz voll besetzt ist!!!) und verursachen zusätzliche Emissionen für den An- und Abtransport der Paxe vom Flughafen zum Zielort.

– Über die Schiffe in deutschen Seehäfen wird hier vermittelt:

„Die Meeresumwelt generell wird durch die Seeschifffahrt erheblich belastet. Umweltgefährliche Chemikalien im Schiffsanstrich, das Einschleppen von standortfremden Organismen mit dem Ballastwasser, das Einbringen von Abwasser und Abfällen ins Meer sowie die Schadstoffe aus Abgasen oder Ölverunreinigungen beeinträchtigen den Zustand der Meeresumwelt. So ist der Schiffsverkehr auf den Weltmeeren schon heute für über zwei Prozent der klimaschädlichen globalen CO2-Emissionen verantwortlich. 2012 betrugen diese ca. 940 Millionen Tonnen CO2. Das sind mehr als die gesamten Emissionen Deutschlands im Jahre 2012 in Höhe von 926 Millionen Tonnen CO2 (Umweltbundesamt, 2016). Schätzungen deuten darauf hin, dass ohne politische Gegenmaßnahmen die CO2-Emissionen des Seeverkehrs in Abhängigkeit von der ökonomischen Entwicklung bis 2050 sogar um 50 bis 250 Prozent im Vergleich zu 2012 ansteigen könnten (Third IMO GHG Study 2014).“

http://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/gewaesser/meere/nutzung-belastungen/schifffahrt#textpart-1

Deshalb dürfen Seeschiffe nur noch europäische Häfen anlaufen, wenn sie über eine moderne Abgasreinigung verfügen und am Kai die Hauptmaschine abschalten.

Auch der ausgerufene Flop „e-mobility“ darf untersucht werden. Die staatlich subventionierte, verheerend antichambrierende deutsche Verbrennerindustrie hat jahrzehntelang verschlafen, sich dem Thema überhaupt zu widmen. Erst als marktreife Fernost-Hybrids auf den Markt kamen, wandte man sich dem unangenehmen Thema zu mit dem trotzigen Argument: „E-Autos und Hybrids sind viel zu schwer und haben keine Reichweite.“ Dann liess man sogar junge Reporter/Innen zur Hauptsendezeit testen, dass diese ganze E-Nummer nichts taugt: „Jetzt bin ich 5 Minuten hinter Karl, aber finde keine Ladesta…. KREISCH!“ Es ist zu vermuten, dass die Automultis den Sendern die Testwagen unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben. Da hat die Abgas-Lobby wieder frohlockt.

Natürlich muss auch die gepriesene E-Mobilität auf den Prüfstand. Um die 45,8 Millionen Privatwagen in Deutschland (www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/TransportVerkehr/Personenverkehr/Personenverkehr.html) e-mobil zu betreiben, bedürfte es 45,8 Millionen mal einer Stromerzeugung zwischen 20,6 und 33,6 kWh/100 km (bitte selbst ausrechnen, http://sedl.at/Elektroauto/Verbrauch.)

Eine normale Waschmaschine verbraucht 150 kWh/Jahr. Somit kommt ein einziges e-Auto mit dem gesamten Jahresstrom für eine Waschmaschine gerade mal 600 Kilometer weit und nicht mal zurück! Und das jetzt mal 46-Millionen (46.000.000!) denken!!! Das ist keine Lösung, sondern ein intellektuelles Desaster in den Köpfen Gutgläubiger.

Dieser Strombedarf für die „sauberen“ Gewissen ist schlicht nicht herstellbar. Wenn die Welt alle Atomkraftwerke, Kohlekraftwerke, Windkraftwerke, Photovoltaiken, 9-Volt-Batterien und Wasserkraft an einem Tag zusammenschliesst und auf Vollast schaltet, reicht der Strom noch nicht mal aus, um alle 46 Millionen Privatautos in Deutschland 24 Stunden zu bewegen (geschweige denn die gewerblich genutzten LKW, Dienstwagen, Landwirtschaftsmaschinen, Behördenfahrzeuge etc.). Strom ist keine eigenständige Energieart, sondern nur ein Transportmittel für Energie, die anderswo produziert wird – häufig aus dreckiger Kohle, Atomkraft oder gigantischer Umweltzerstörung wie z.B. Staudammprojekten. Wer e-mobil fährt, schadet wie der Manta-Affe der Umwelt, nur halt irgendwo anders wo man/frau’s nicht sieht.

Um dieser hilflosen Situation zu entkommen, gibt es eigentlich nur folgende Möglichkeiten:

1) Die Jahresfahrleistungen des motorisierten Individual-, Wirtschafts- und Warenverkehrs müssen drastisch verringert werden. Dieser schon vor 45 Jahren anlässlich der „Energiekrise“ ins Spiel gebrachte Ansatz wurde eineinhalb Generationen lang sträflich von der Politik vernachlässigt, die sich von den Aussagen und geldwerten Sachspenden der Autolobby einlullen liess: „Unser nächstes Modell spart noch mehr Sprit und wird noch schadstoffärmer“. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall.

2) Schiene statt Straße. Eine durchschnittliche 5000-PS-Lok zieht in einer Nacht 80 Container (20 ft.) von Bremerhaven nach München. Auf der Straße bräuchte man dafür 40 LkW (ca. 16.000 PS) mit 40 Fahrern, die insgesamt 35 Liter/100 km x 800 km x 40 Fahrzeuge verdieseln, sprich: 11.200 Liter!! Mit dieser Treibstoffmenge käme ein Golf D der ersten Generation 207.500 Kilometer weit, also rund 5-Mal um die ganze Erde!

3) Intelligenter ÖPNV. Takte verdichten, Randzeiten bedienen, Randlagen bedienen. Niemand zwingt einen kommunalen Verkehrsträger, ab nachts um 1 Uhr stündlich mit einem fast leeren 30-Tonnen-Gelenkbus durch die Walachei zu rumpeln. Stattdessen könnten 20-minütlich Kleinbusse die Strecken bedienen. Im Hamburger Nobel-Vorort Blankenese funktioniert das schon seit einem halben Jahrhundert ganz passabel.

4) Finanzlasten umverteilen. Aus der Kfz-Steuer sowie den Steuern auf Kfz -herstellung, -dienstleistung –reparatur und –verkauf abgeschöpfte Abgaben werden gleichteilig für die Straßen-, Schienen- und ÖPNV-Infrastruktur verwandt. Die Mineralölsteuer fliesst komplett in den Umweltschutz.

5) Entschleunigung akzeptieren. Kein Mensch „muss“ in 2:11 Std. von Salzgitter nach Dortmund kacheln. Und kein Mensch braucht die „Zusatzpower“, um den Großglockner unter 8 Minuten zu „schaffen“. Im Fernsehen und in Anzeigen wird – analog zum Werbeverbot für Zigaretten – kein Umfeld mehr für Kraftfahrzeuge erlaubt, die (realistisch) über 5 Liter verbrauchen, mehr als 80mg Stickoxid ausstossen und über 100 PS leisten (sorry Bernie + RTL).

Angesichts unseres Wissens stellt es ein Verbrechen dar, in Koalitionsverhandlungen über „Obergrenzen“ zu streiten, anstatt sich des wichtigsten Themas der Menschheit anzunehmen, nämlich der sauberen Luft zum Atmen. Aber Gefechte auf Nebenkriegsschauplätzen sind natürlich bequemer und können besser in Szene gesetzt werden. Die sich anbahnende Regierung hilft gerade, einen Planeten umzubringen, wenn sie nicht endlich gegensteuert.

Das heutige Urteil des BVG ist nur ein juristisch wachsweicher Kompromiss. Betroffen sind wieder die ärmsten und finanzschwächsten Glieder der Gesellschaft, die sich keinen nagelneuen EURO-6-Diesel leisten können. Die gesattelte Mittelklasse hat ein Jahr Zeit, ihre EURO-5-Schleuder nach Polen oder Tschechien zu verscherbeln, wo sie dann genauso dreckig bleibt. Was darunter liegt, ist sowieso asi und darf bald am Stadtrand auf das Schild gucken: „Wir müssen draußen bleiben“ – während der/die Cayenne-Biturbo-Kapitän/In mit 550 PS höhnisch vorbeibrettert.

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