Das 100 Millionen

0

In letzter Zeit brachte der Oberbürgermeister des Öfteren die Summe von 100 Millionen € mit dem SCHloss* in Zusammenhang.

So ist z.B. in seiner Rede vom 6. Mai 2007 zu lesen: „Die Verbindung mit einem Kaufhaus mag für viele schmerzlich sein. Ein Schönheitsfehler. Und das verstehe ich sehr. Aber es ist eine Braunschweiger Lösung, die darauf verzichtet hat, selbst 100 Millionen € Schulden zu machen, um das ohne Kaufhaus darzustellen.“

Das klingt plausibel: Die öffentliche Hand hat kein Geld, der Investor aber schon; also heißt man ihn ein 100-Millionen-€-Schloss bauen und lässt ihn dafür ein wenig mit unter die wärmende Schloss-Decke kriechen. Wäre die Alternative 100 Millionen € Schulden gewesen wäre, würde sich jedes weitere Nachdenken darüber verbieten!

Nur spaßeshalber will ich genau das trotzdem mal machen, sozusagen als Probe für die Rechnung des OBs. Dass man Rechnungen immer prüfen soll, auch wenn ihr Ergebnis noch so plausibel wirkt, lernte ich in der 2 Klasse der Grundschule. Also will ich einfach mal bis zum Ende durchrechnen, um wie vieles schlechter die Stadt finanziell dastände, wenn sie sich ein SCHloss in der Qualität, wie es jetzt am Bohlweg steht, in Eigenregie und ohne Kaufhaus hingestellt hätte.

Der OB redet von einem 100-Millionen-€-Schloss. Tatsächlich gab es entsprechende Schätzungen. Diese haben sich jedoch auf die Rekonstruktion des Ottmer-Schlosses bezogen, nicht auf die Errichtung eines Stahlbetonskelettbaues in Einfachst-Ausstattung hinter Schlossfassade, wie er jetzt am Bohlweg steht und zu großen Teilen von der Stadt angemietet wurde. Die Errichtung eines solchen Baues kostet ca. 1000 – 1300 € / qm. Das macht für die ca. 16 000 qm, die der SCHloss-Teil des ECE-Centers insgesamt ausmacht, ca. 16 – 20 Millionen €. Hinzu kommen noch die Mehrkosten für die Schlossfassade ( 13,3 Millionen €) und Umfeldgestaltung ( 2 Millionen €). Zusammen macht das 31 – 35 Millionen €.

Nun sind auch 35 Millionen € eine stolze Summe. Hat sich die Stadt also durch den Deal mit der ECE immerhin 35 Millionen € Kosten erspart? Bei weitem nicht. Die Stadt wäre im Falle einer Errichtung des SCHlosses in Eigenregie Eigentümerin desselben gewesen. Sie hätte dann also die Teile des SCHlosses, für die sie jetzt 1,1 Millionen € Miete im Jahr zahlt, umsonst nutzen können. Statt diese 1,1 Millionen € jährlich an ECE zu zahlen, hätte sie diese dann darauf verwenden können, jährlich einen Kommunalkredit in Höhe von ~25 Millionen € zu bedienen. Diese 25 Millionen € sind also von den 35 Millionen € Baukosten für ein SCHloss abzuziehen. Bleiben also 10 Millionen €.

Hat die Stadt also immerhin 10 Millionen € gespart, indem sie ECE mit ins SCHloss-Boot nahm? Nicht ganz. Denn das Land Niedersachsen wollte von der Stadt Braunschweig eine Ablösesumme für den Schlosspark haben, weil es diesen der Stadt Braunschweig unter der Auflage übereignet hatte, dass die Stadt darauf entweder ein öffentliches Gebäude errichtet oder ihn als Grünanlage nutzt. Die Stadt hat dem Land als Ablöse zwar kein Bargeld gegeben, statt dessen aber mit geldwerten ~Sachleistungen in Höhe von ~4 Millionen € gedient. Diese hätte die Stadt nicht erbringen müssen, wenn sie auf dem Schlossparkgrund-stück nur das SCHloss errichtet hätte. Ziehe ich diese 4 Millionen € von 10 Millionen € ab, verbleiben 6 Millionen €.

Hat die Stadt also immerhin 6 Millionen € gespart, indem sie ECE mit ins SCHloss-Boot nahm? Nicht ganz. Denn die Stadt hätte, wenn sie das SCHloss in Eigenregie erbaut hätte, ja auch über jene Filet-Flächen des SCHlosses als Eigentümerin frei verfügen können, die sich ECE nun für sein Center reserviert hat. Sie hätte diese Flächen z.B. gewinnbringend vermieten können. Ich will hier aber gar nicht einer solchen Vermietung das Wort reden.

Zunächst will ich von tatsächlichen Zusatzkosten von 6 Millionen € ausgehen, die es die Stadt gekostet hätte, wenn sie das SCHloss selbst gebaut hätte. Was hätte die Stadt für diese 6 Millionen € aber mehr in der Hand gehabt, als sie es jetzt hat!

Die Stadt hätte noch einen in seinen historischen Maßen unversehrten Schlosspark. Was das für den Stadtorganismus in historischer wie auch in ökologischer Hinsicht bedeutete, muss ich nicht erwähnen. Zudem wäre die Stadt noch Eigentümerin des ganzen Grundstücks, das sie jetzt der ECE übereignet hat.

Die Stadt hätte wohl einen Schuppen hinter Schlossfassade, in der Ausstattung nicht besser als der jetztige. Aber doch gäbe es entscheidendende Unterschiede:

– Der Bau wäre ein Solitär in städtischem Eigentum, unbedrängt von einem Kaufhaus und unvermarktbar durch einen Großkonzern.

– Die Bereiche hinter dem Portikus wären in städtischer Nutzung, die Bibliothek also zentral über den Portikus erschließbar und bei weitem weniger verbaut als jetzt, weil dann ECE nicht ins SCHloss drängte.

Ein Einkaufscenter in vernünftiger Größe hätte integriert in der Innenstadt errichtet werden können. Pläne dafür z.B. im Bereich der alten Hauptpost waren weit entwickelt und sind nur wg. des ECE-Projektes nicht realisiert worden.

Sage niemand, dass 6 Millionen € Mehrkosten für die Stadt nicht zu schultern gewesen wären. Erinnert seien an die Millionen, die von der Stadt und den Stiftungen für die Kulturhauptstadt-Bewerbung verschwendet wurden: verschwendet, weil das Flaggschiff dieser Bewerbung das Kaufschloss war, das diese Bewerbung a priori zum Scheitern verurteilte. Erinnert sei weiter an die Millionen, die für den unsäglichen historisierenden Innenausbau des SCHlosses hinausgeworfen wurden, um in dem völlig verbauten Kasten zu retten, was nicht zu retten ist. Diese Gelder allein hätten schon gereicht, um das eben skizzierte Szenario eines SCHlosses ohne Kaufhaus und mit Schlosspark zu finanzieren.

Bei aller Unwägbarkeit, die das eben grob skizzierte Szenario beinhaltet, sollte doch eines deutlich geworden sein: Die Behauptung des OB.s, dass ein in Eigenregie errichtetes SCHloss ohne Kaufhaus die Stadt in zusätzliche Schulden von 100 Millionen € gestürzt hätte, ist barer Unsinn, geboren aus Rechtfertigungsnot und seiner Liebe zu grossen Dingern.

Der tragikomische Traum der Schlossfreunde vom Abriss des aus dem SCHloss herauswuchernden ECE-Centers hätte wahrscheinlich zu keiner fernen Utopie werden müssen.

So wie es aussieht, hätte der Betonbunker erst gar nicht gebaut werden müssen.

Um diese Chance zu begreifen, hätte die Verwaltung allerdings in der Zeit, in der über die Zukunft des Schlossparks und den Aufbau eines SCHlosses debattiert wurde, nicht auf das ECE-Center fixiert sein dürfen. Einiges weist jedoch darauf hin, das die Spitze der Verwaltung an Aufbaues eines SCHlosses ohne ECE nie primär interessiert gewesen ist, sondern in diesem nur einen willkommenen Rechtfertigungsgrund für das ECE-Projekt sah und deshalb die Alternative eines SCHloss-Baues ohne ECE nie unvoreingenommen geprüft hat. Davon später vielleicht mehr.

—————————————-

* „SCHloss“ nenne ich im weiteren -um Verwechselungen mit dem Ottmer-Schloss zu vermeiden, von dem hier ebenfalls die Rede sein wird- den von der Stadt als „Schloss“ bezeichneten Stahlbetonskelettbau mit Schlossfassade.

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.