Architektur auf Augenhöhe oder: Bonsai-Thronsaal für den Herzog von Braunschweig?

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Lassen wir die finanzielle Seite des so genannten Braunschweiger „Schloss“-Komplexes einmal bei Seite. Sie verdient eine gründlichere Darstellung. Werfen wir stattdessen einen schnellen Blick auf die Räumlichkeiten.

Nach einem Bericht der Braunschweiger Zeitung vom 4. November wird Großes geplant, aber quasi mit angezogener Handbremse, im Kleinformat: „Nur einzelne Räume“ sollen „besonders ausgestattet“ werden, und „je nach Ausbauvolumen“ reiche der Finanzbedarf von „1,2 bis vier Millionen Euro“, weiß Hofberichterstatter Ralf-Herbert Meyer. Welche Räume nun fü weitere Millionen verhübscht und auf Schlossi getrimmt, „mit städtischem Geld schlossähnlich gestaltet werden“ sollen, wird weiter nicht verkündet. Mit den ursprünglichen Räumen des Schlosses haben sie jedenfalls sonst rein gar nichts zu tun. Ein Raum wird immerhin namentlich erwähnt, dessen Aufhübschung allerdings im genannten „Ausbauvolumen“ noch nicht enthalten ist, Sponsoren werden dafür noch gesucht. Es ist der frühere „Thronsaal“.

Schauen wir uns deshalb seine Lage im alten Ottmer-Schloss und im neuen Einkaufszentrum einmal an, indem wir für das 1. Obergeschoss die Grundrisse des südwestlichen Frontflügels von altem Schloss und neuem Einkaufszentrum übereinanderblenden.

Grün markiert sind die Verkaufsflächen des Einkaufszentrums, davor liegen die von der Stadt anzumietenden Flächen. Das große rote Quadrat umreißt die Lage des alten Thronsaales. Dummerweise läge der alte Thron selbst (gold markiert) auf den grünen Verkaufsflächen des Einkaufszentrums (die alten Schloss-Räume dahinter und der Innenhof werden sowieso von Verkaufs- und Mall-Flächen belegt).

Künstlerpech – aber man wird sich schon zu helfen wissen, zwei Möglichkeiten sind dafür gegeben:

1. Möglichkeit: Unter Missachtung der quadratischen Form des Thronsaales nutzt man das verbleibende rote Rechteck. Es hätte immerhin den Vorteil, dass – wie zu erahnen – im verbleibenden Thronsaal wohl gleich drei Örtlichkeiten eingerichtet sind, „wo der Herzog zu Fuß hingeht“. Ein möglicher Mangel an Klasse würde so allemal ausgeglichen durch einen überschuss an Masse. Dort „thronte“ man dann in latrinischer Trinität „auf Bergen von Gold“, wie schon Aristophanes die adlige Verrichtung besang.

2. Möglichkeit: Unter Missachtung der ursprünglichen Größe verkleinert man den Thronsaal auf eine kleinere quadratische Form (kleines rotes Quadrat). Das hätte immerhin den kaum zu überschätzenden Vorteil, dass der Thronsaal dem derzeitigen Herzog von Braunschweig maßgerecht auf den Leib geschneidert erschiene. Ein begeisternd genialer architektonischer Kunstgriff: Architektur auf Augenhöhe. Ein Bonsai-Thronsaal fü den Herzog von Braunschweig.

Eine alte japanische Lebensweisheit aber mahnt:
Wenn der Bonsai von den Geistern des Größenwahns heimgesucht wird, hilft kein Tee und kein Fächer. Es endet tragikomisch.

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Einige Bemerkungen noch zum Architekten Rupert Stuhlemmer, dessen Büro wohl mangels originaler Pläne und passender Räume mit einer „freien“ Rekonstruktion der so genannten „Schloss-Räume“ betraut wurde. Er hat vielfältige Talente und kennt sich gut aus auch mit der Rekonstruktion von Automobilen. 1991 verfasste er das Buch Chrom, Lack und Leder – Automobile der Ufa-Stars.

Selbst ein solcher Star, zeichnet Stuhlemmer sich augenscheinlich weiter aus durch das hohe Talent, Stiftungen und Städte um Star-Gagen zu erleichtern. Wohl kein Wunder (von Braunschweig), dass er da in Braunschweig landen musste.

Die Zeit – Artikel – „Wo sind all die Spenden hin?“

Oswalt/Steglich Dossier – „Wo sind die Millionen an Spenden fü das Berliner Schloss?“

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