Also sprach Manfred Pesditschek

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In der Ratssitzung zwischen sechs und sieben Uhr: Die kleinen Fraktionen hatten den Ratssaal verlassen, Hoffmann auch – vielleicht fürchtete er Langeweile angesichts der zu erwartenden Beweihräucherung durch der Zurückgebliebenen. In der Tat, Sehrt hub an zu einer langatmigen Suada über das „zweite Wunder von Braunschweig“: die Wiederbelebung nicht nur des Bohlwegs, sondern der ganzen Innenstadt, und zwar nicht nur in ästhetischer, sondern auch in ökonomischer Hinsicht. Mit fast feierlichen Worten pries er die wundersame Investoren- und Kundenvermehrung seit – oder schon vor – der Errichtung des neuen Gebäudes am Bohlweg.

Da begab sich Manfred Pesditschek ans Rednerpult …

… und goss kräftig Wasser in den Wein. Streute Skepsis aus in puncto Wirtschaftwunder (unter Berufung auf den OB, der gern die heraufziehende Deflation als Argument benutzt, um die Wünsche kleiner Kulturorganisationen abzuschmettern). Erhob ästhetische Bedenken gegen den unförmigen Klotz am Bohlweg, vor allem, wenn man sich diesem nicht von vorn nähere. Beschrieb sein Erschrecken, als er bei einer ersten Begehung die mangelnde Konvergenz von Form und Inhalt bemerkte: Der hochherrschaftlichen Anmutung des „Residenzschlosses“ entsprach ein äußerst schäbiges Inneres.

Die Zuhörer auf der Tribüne glucksten vor Vergnügen. Und merkten kaum, wie Pesditschek die Kurve nahm: Dass er nämlich, nachdem er die Fehlleitung der Geldströme in Münzstraße und Steinweg statt in die Innenausstattung gerügt hatte, den Vorschlag machte, man könne hier in Zukunft etwas ändern – mit seiner (und damit wohl auch seiner Fraktion) Zustimmung.

Blitzschnell reagierte die CDU (oder hatte sie gar schon im Vorfeld etwas von Pesditscheks verstecktem Angebot gehört?): Kein Wort zur Kritik des „Oppositionsführers“, nur eitel Freude über den künftigen Verbündeten, der von nun an eine breite Mehrheit garantiere, wenn der OB (angeblich) kein Geld mehr in „Schloss“ investieren will.

Wahrhaft eine dialektische Rede.

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