Offener Brief der Architects For Future an die Stadt

0
Umnutzung oder Abriss und Neubau - diese Frage ist für das ehemalige Galeria-Gebäude am Bohlweg noch nicht entschieden. Foto: Hans-Georg Dempewolf

Von Architects For Future Braunschweig

Für die Entwicklung der Braunschweiger Innenstadt hat sich die Stadt Großes vorgenommen: Neben dem Abriss der Burgpassage und anschließendem Neubau der „Stiftshöfe“ an gleichem Ort sollen zwei weitere ehemalige Kaufhäuser in der Innenstadt umgestaltet werden: das ehemalige Karstadt-Gebäude am Gewandhaus (zukünftig „Haus der Musik“) und das seit vier Jahren praktisch leerstehende ehemalige Horten-Gebäude am Bohlweg. Völlig offen ist dabei noch die Frage, inwieweit diese Gebäude umgenutzt oder durch Neubauten ganz ersetzt werden. Dazu haben sich die Architects For Future Braunschweig Gedanken gemacht und einen Offenen Brief an die Verantwortlichen der Stadt geschrieben, den wir nachfolgend dokumentieren (hgd).

Offener Brief

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Kornblum,
Sehr geehrter Herr Stadtbaurat Leuer,
Sehr geehrter Herr Stadtrat Herlitschke

Als Braunschweiger Ortsgruppe von Architects For Future wenden wir uns heute an Sie und nehmen Stellung zu einigen aktuellen städtebaulichen, architektonischen und unsere gebaute Umwelt betreffenden Diskursen in Braunschweig.

Die Klima- und Umweltschäden des Bausektors werden von der Gesellschaft unterschätzt und von Politik und Wirtschaft vernachlässigt. Doch der Bausektor und der Betrieb von Gebäuden in Deutschland und anderen Ländern des globalen Nordens verursachen ca. 40% der Treibhausgasemissionen und 55% des Müllaufkommens. 50% der produzierten Rohstoffe entfallen auf diesen Bereich. Allein in Deutschland frisst die Versiegelung für neue Siedlungen und Infrastruktur täglich eine Fläche von ca. 80 Fußballfeldern. Dadurch werden Ökosysteme zerstört sowie Hitzeeffekte und Hochwasserrisiken verstärkt. Bauen verursacht weltweit Ressourcenausbeutung, Umweltzerstörung und soziale Ungerechtigkeit in einem unvorstellbaren Ausmaß.

Das müssen und können wir JETZT ändern – auch hier in Braunschweig – bevor die Klima-Kipppunkte erreicht und unsere Lebensgrundlagen zerstört werden. Wissen und Technik für umweltfreundliches, klima- und sozialgerechtes (Um)Bauen sind vorhanden — lokal und global, innovativ und traditionell. Die Bauwende ist machbar – auch hier in Braunschweig!

Leider müssen wir als Architects for Future immer wieder feststellen, dass die Stadt Braunschweig – trotz ihrer erklärten Ziele bis 2030 klimaneutral zu werden – sich nicht in ausreichendem Maße dafür einsetzt an dieser notwendigen Bauwende aktiv mitzuwirken, im Gegenteil.

Bei Projekten wie der Burgpassage, dem Kaufhaus am Gewandhaus (ehemals Karstadt) oder dem Gebäudekomplex der ehemaligen Landesschulbehörde in der Wilhelmstraße, welche kürzlich vorgestellt wurden, stellen wir leider fest, dass die Stadt Braunschweig
immer noch und immer wieder das Abreißen und Neubauen als Normalfall der Stadtentwicklung propagiert oder in Erwägung zieht. Wir hingegen halten es im Sinne des Klimaschutzes für geboten, dass gerade die öffentliche Hand den Bestandserhalt priorisiert. Abriss muss immer kritisch hinterfragt werden. Sowohl die dabei entstehenden Treibhausgasemissionen als auch der unnötig anfallende Müll müssen realistisch bewertet werden. Wir stimmen dem Präsidenten der Architektenkammer Niedersachsen zu, wenn er diesbezüglich feststellt, dass „die bestmögliche Lösung […] noch nicht gefunden sein“ kann (Statement der Architektenkammer Niedersachsen vom 25. April 2024).

Wir fordern Sie auf, als politisch Verantwortliche und als Team der Bauverwaltung bei den genannten und allen weiteren Bauvorhaben der Stadt Braunschweig die selbstgesteckten Klimaziele ernst zu nehmen: „Braunschweig soll bis zum Jahr 2030 klimaneutral sein.“ Um dies – auch und gerade im Bausektor – erreichen zu können, ist es dringend geboten, Bedarfe zu überdenken, Abriss kritisch zu hinterfragen und Raum für Biodiversität zu erhalten und zu schaffen. Nur so ist die notwendige Bauwende auch in Braunschweig zu schaffen.

Zeigen Sie, Herr Dr. Kornblum, dass Braunschweig es kann. Unterstützen Sie ein Abriss-Moratorium. Unterstützen Sie ein umfangreiches Klimaschutzprogramme auch im Bausektor. Machen Sie ganz Braunschweig zu einem Leuchtturmprojekt unter den deutschen Städten in Hinblick auf eine Bauwende und einen aktiven Klimaschutz. Machen Sie Braunschweig zu einer auf Dauer lebenswerten Stadt, – auch für zukünftigen Generationen.

Mit besten Grüßen und in Hoffnung auf einen baldigen Austausch

Architects For Future, Ortsgruppe Braunschweig

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.