OB begrüßt Initiative von BS Energy

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Zum Rückzug vom seinerzeit beabsichtigten Anschlusszwang bei Fernwärme meint die Stadt Braunschweig in ihrer Presseerklärung vom 15. September 2008 unter anderem.

„Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann freut sich, dass nunmehr der Neubau einer Gas- und Dampfturbine am Standort des Heizkraftwerkes Mitte möglich sein wird.“ (Presseerklärung)

Die Freude ist verständlich: BS Energy kann nun mitten in der Stadt Braunschweig und mit hohen Subventionen Strom für den Export produzieren (BS Energy: „Bundesweite Stromversorgung für Filialunternehmen“) und weiter satte Gewinne machen. Oder hat man jemals etwas über Strommangel in Braunschweig gehört?

Zitat: “ Deutschland wird im Jahr 2008 voraussichtlich mehr Strom exportieren als je zuvor in seiner Geschichte. Das geht aus den Zahlen hervor, die die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen vorlegte – eine Institution, die von den Verbänden der Energiewirtschaft getragen wird. Demnach lag im ersten Halbjahr der Exportüberschuss bei 14,4 Milliarden Kilowattstunden und damit gut 30 Prozent höher als 2007. Den Berechnungen zu Folge hatte Deutschland im gesamten Jahr 2007 insgesamt 19 Milliarden Kilowattstunden an Stromüberschuss erzeugt, der ins Ausland abfloss. 2006 waren es sogar 19,8 Milliarden – das war bislang der Rekord in der deutschen Stromgeschichte. Für 2008 dürfte sich nach den Prognosen der überschuss bis Jahresende allerdings auf rund 25 Milliarden summieren. Die Atomkraftfans um Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hatten in der Vergangenheit immer wieder davor gewarnt, dass – im Falle des Atomausstieges – Strom in Deutschland knapp wird. Eine Stromlücke sieht anders aus: Rund drei deutsche Atomkraftwerke laufen inzwischen rechnerisch nur für den Export.“

Vor diesem Hintergrund hat BS Energy für 2008 um 27,7 Prozent überhöhte Netzentgelte beantragt, die jedoch von der Bundes-Netzagentur nicht genehmigt wurden. Wie stellen also bei BS Energy Dr. Hoffmann als Vorsitzender des Aufsichtsrats und die Mitglieder des Aufsichtsrats Kükelhan (SPD) und Sehrt (CDU) eigentlich sicher, dass BS Energy der Versorgung der Braunschweiger Bevölkerung mit preiswerter Energie nachkommt anstatt hohe Gewinne für die Muttergesellschaft Dalkia und für deren Muttergesellschaft Veolia Environnement in Frankreich einzufahren?

„Damit würde in Zukunft in Braunschweig die Fernwärme noch günstiger und noch umweltfreundlicher angeboten werden können. „Genau das liegt in meiner Zielsetzung, die ich bei der Vorlage eines Klimaschutzprogramms im letzten Jahr vorgegeben habe“ meinte Dr. Hoffmann.“ (Presseerklärung)

Dieses Klimaschutzprogramm wurde von der Wirtschaft, von Haus- und Grundbesitzern und von der Bürgerschaft 2007 anlässlich der Informationsveranstaltung zum Klimaschutzprogramm der Stadt Braunschweig am 5. Juni 2007 weitgehend abgelehnt.

„Natürlich ist Zwang auch als eine Methode zur Erreichung eines positiven Zweckes immer nur das letzte Mittel meint Dr. Hoffmann.“ (Presseerklärung)

Die Bürgerinnen und Bürger Braunschweigs haben 2006 mit 28,6 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten Dr. Hoffmann als obersten Mitarbeiter in der Verwaltung der Stadt Braunschweig gewählt. War damit Zwang als eine Methode zur Erreichung eines positiven Zwecks gegenüber der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger beabsichtigt?

„Kürzlich hatte eine Studie der Wirtschaftswoche in Zusammenarbeit mit der Initiative Soziale Marktwirtschaft ergeben, dass Braunschweig unter den deutschen Großstädten in Sachen „saubere Luft“ an der Spitze steht.“ (Presseerklärung)

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ist nach eigener Auffassung eine überparteiliche Reformbewegung von Bürgern, Unternehmen und Verbänden für mehr Wettbewerb und Arbeitsplätze in Deutschland. Laut Wikipedia ist INSM „eine im Jahr 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründete sowie von weiteren Wirtschaftsverbänden und Unternehmen getragene Organisation, die das Ziel verfolgt, die deutsche Öffentlichkeit von „marktwirtschaftlichen Reformen“ zu überzeugen. Das operative Geschäft der Initiative wird betrieben von der INSM Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH, welche bis 2007 als berolino.pr GmbH firmierte. Dieses in Köln ansässige Unternehmen wurde im Dezember 1999 von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie gegründet. Die GmbH hat acht feste und ca. 40 freie Mitarbeiter. Jährlich stellt Gesamtmetall der INSM 8,8 Millionen Euro (nach Abzug von Steuern; Angabe der INSM von 2005) zur Verfügung. Darüber hinaus wird die INSM nach eigenen Angaben von weiteren Wirtschaftsverbänden unterstützt.“

Nach Auskunft der Pressestelle der Stadt Braunschweig vom 17.9.2008 handelt es sich bei der vorstehend genannten Wertung „saubere Luft“ jedoch nicht um ein Ergebnis der Studie der Wirtschaftswoche in Zusammenarbeit mit der Initiative Soziale Marktwirtschaft, sondern um ein Zitat aus einem redaktionellen Beitrag der Wirtschaftswoche:

„So dürfen sich die 246 000 Einwohner über die geringste Feinstaubkonzentration freuen – im Schnitt aller Messstationen waren es 2007 18 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft“ (Wirtschaftswoche vom 8.9.2008).

Zum „Schnitt aller Messstationen“ ist allerdings zu bemerken: Es gab 2 Messstationen in Braunschweig, eine in Broitzem und die andere am Bohlweg. Die Messstation am Bohlweg wurde im Jahre 2005 abgebaut und die verbliebene Messstation in Broitzem dürfte kaum repräsentative Messwerte für die gesamte Stadt Braunschweig liefern.

Dazu weist die Stadt Braunschweig selbst aus: „Im Jahr 2003 wurden aufgrund der Höhe der Messwerte für Stickstoffdioxid (NO2) sowie Partikel (PM10) an der Verkehrsstation Bohlweg die Schwellen (Grenzwert + Toleranzmarge = Beurteilungswert) der Jahresmittelwerte von Stickstoffdioxid und PM10 überschritten, als auch die Anzahl der zulässigen überschreitungstage von 35 für den Beurteilungswert 2003 für PM10 von 60 µg/m³ nicht eingehalten (Stadt Braunschweig: Luftreinhalte- und Aktionsplan, 2007).

Nach Auskunft der Stadt Braunschweig hat die Feinstaubbelastung an der Messstation Broitzem in den Jahren 1981 – 2005 im Jahresmittel stets über 23 Mikrogramm/cbm gelegen (Stadt Braunschweig: Expertenanhörung „Stadtentwicklung und Klimaschutz“ am 23. November 2007).

Nach einer koordinierten Bürgerumfrage in deutschen Städten im Jahre 2006 stimmten fast 46% der in Braunschweig Befragten und Antwortenden der Aussage „Die Luftverschmutzung ist ein großes Problem in der Stadt“ zu (Stadt Braunschweig: Expertenanhörung „Stadtentwicklung und Klimaschutz“ am 23. November 2007).

Im Gesundheits-Atlas von Healthy Living von 81 Städten in der Bundesrepublik Deutschland nimmt Braunschweig den 27. Platz ein mit folgenden Einzelbewertungen:

Zitat:

  • Gesundheitszustand: 3
  • Umwelt, Wohnen und Erholung: 1
  • Medizinische und soziale Versorgung: 4
  • Soziale und wirtschaftliche Lage: 2
  • Klima: 4
  • Freizeit und Beziehungen: 4
  • Altersstruktur: 5

Schulnoten von 1 = sehr gut bis 6 = ungenügend

(Healthy Living, August 2007)

Trotz allem: Braunschweig steht unter den deutschen Großstädten nach Ansicht von Dr. Hoffmann in Sachen „saubere Luft“ an der Spitze.

Oder vielleicht doch nicht?

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