2,9 Millionen unbezahlte Überstunden in Braunschweig

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… noch ’ne Stunde – und noch eine: Gerade in Hotels und Gaststätten werden im Sommer kräftig Überstunden geleistet. „Das darf nicht weiter ausufern“, warnt die Gewerkschaft NGG und hat deshalb die Kampagne „#fairdient“ gestartet. Foto: NGG

Mehrarbeit zum Nulltarif – Gewerkschaft startet Kampagne „#fairdient“

Beschäftigte in Braunschweig haben im vergangenen Jahr 2,9 Millionen unbezahlte Überstunden geleistet. Das teilt die Gewerkschaft NGG unter Berufung auf eine Unter-suchung des Pestel-Instituts mit. In der Gastronomie und Hotellerie ist die „Umsonst-Arbeit“ demnach besonders verbreitet. Die Gewerkschaft warnt vor diesem Hintergrund vor einer Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes – und hat jetzt die Kampagne „#fairdient“ gestartet.

Allein in Hotels und Gaststätten leisteten die Beschäftigten hier im vergangenen Jahr rund 117.000 Überstunden. Das hat das Pestel-Institut auf Basis des Mikrozensus berechnet. Die Wissenschaftler sind von bundesweiten Durchschnittswerten ausgegangen. Demnach waren 44 Prozent aller in Braunschweig geleisteten Überstunden im Gastgewerbe unbezahlt. Für 2018 bedeutet dies – bei 12 Euro Lohnkosten pro Stunde für den Arbeitgeber – ein „Lohn-Geschenk“ von 626.000 Euro.

„Von der Küchenhilfe im Hotel bis zum Kellner im Biergarten: Wer im Gastgewerbe arbeitet, ist auf jeden Euro angewiesen. Dabei sind 49 Prozent dieser Arbeitsplätze in Braunschweig Minijobs“, sagt NGG-Geschäftsführerin Katja Derer. Das Problem der 450-Euro-Kräfte: Sie dürfen keinen Euro hinzuverdienen. „Also werden die Überstunden entweder gar nicht oder schwarz bezahlt – bar auf die Hand. Statt Minijobber mit 450 Euro abzuspeisen, sollte das Gastgewerbe endlich mehr Menschen regulär beschäftigen und ordentlich bezahlen“, fordert Derer.

Die NGG geht in Sachen Arbeitszeit jetzt in die Offensive. Sie stellt sich mit der Gastgewerbe-Kampagne, „#fairdient“, hinter die rund 5.600 Beschäftigten in den Braunschweiger Hotels, Restaurants und Gaststätten. Denn ihnen drohe – über den verlorenen Lohn bei Umsonst-Überstunden hinaus – noch ein anderes Problem: Der Deutsche Hotel- und Gaststätten-verband (Dehoga) dränge die Bundesregierung, die Arbeitszeiten noch flexibler zu machen. „Es geht darum, das Arbeitszeitgesetz zu durchlöchern. Ziel der Arbeitgeber ist es, die Höchstarbeitszeit auf bis zu 13 Stunden pro Tag auszuweiten“, kritisiert Derer.

Der Dehoga werde sich mit seinem Vorstoß „ein Eigentor schießen“, so die NGG. Denn das Hotel- und Gaststättengewerbe könnte durch eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit an Attraktivität einbüßen. „Gerade junge Menschen werden dadurch verschreckt. Und das bei der – im Branchenvergleich – ohnehin schon besonders niedrigen Ausbildungsquote“, sagt Derer.

Die Gewerkschafterin warnt: “ Mehr arbeiten zu müssen, bedeutet immer auch ein höheres Gesundheitsrisiko. Schlafstörungen, Erschöpfung, Rückenschmerzen und sogar Arbeitsunfälle können die Folge sein. Die bestehende Regelung der Arbeitszeit sei deshalb ein wichtiger Schutz der Beschäftigten. Im Gastgewerbe sei es bereits heute gang und gäbe, überdurch-schnittlich oft an Wochenenden und Feiertagen, spätabends und auf Abruf zu arbeiten. Dazu kommt ein guter ‚Flex-Faktor‘ durch Arbeitszeitkonten. In Tarifverträgen hat die NGG mit dem Dehoga vielfältige Arbeitszeitmodelle vereinbart. Zu viele Betriebe setzen diese aber gar nicht in der Praxis um, sondern wollen einen Freifahrtschein. Wir fordern die Unternehmen auf, sich an diese Regelungen zu halten, und die Dienstpläne frühzeitig und verlässlich zu schrei-ben“, so Gewerkschafterin Derer.

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