Lucas Zeise: Euroland ist abgebrannt

0

Buchbesprechung: „Euroland ist abgebrannt“

Der entscheidende Satz fiel am 5. Oktober 2008, als Kanzlerin Merkel und ihr damaliger Finanzminister Steinbrück vor die Kamera traten und den Anlegern erklärten: „Ihre Einlagen bei den Banken sind sicher.“ Damit wurde die Bankenkrise zur Staatsschuldenkrise, da der deutsche Staat sich bereit erklärte, für drohende Verluste im Privatsektor grade zu stehen. Die vorangegangene Lehman-Pleite hatte nur als Vorwand gedient, um die durch Zockerei in Schieflage geratenen Banken für systemrelevant zu erklären und mit 480 Milliarden zu „retten“ Dem deutschen Beispiel folgten alle anderen europäischen Staaten.

So entzaubert Lucas Zeise in seinem Buch „Euroland ist abgebrannt“ die ins Mythische überhöhte Lehman-Pleite und macht deutlich, dass es in diesem Spiel allein um die Interessen von Einleger bei Banken, Hedgefonds und anderen Einrichtungen der Finanzwelt geht. Sie, d.h. die Einlagen, müssen gerettet werden, und zwar auf Kosten der Steuerzahler. Siehe auch den Vortrag von Lukas Zeise.

Denn etliche der Staaten, die für diese Einlagen bürgten, standen bald selbst vor der Pleite. Hier manifestierte sich die Fehlkonstruktion des Euro mit voller Deutlichkeit. Diese gemeinsame Währung beruht nicht auf einem einheitlichen Wirtschaftssystem, nicht einmal einem einheitlichen Steuer- und Zinssystem. Vielmehr wollten die neoliberalen „Väter“ des Euro so wenig Staat wie möglich und so viel Markt wie möglich und ließen die unter dem Dach der gemeinsamen Währung vereinten Nationalstaaten nach wie vor gegeneinander wetteifern. Der Konkurrenzkampf erstreckt sich nicht zuletzt auf die Zinsen, welche für Staatsanleihen zu zahlen sind. Das starke Deutschland schneidet bei diesem Wettbewerb gut ab, während die Staaten der Peripherie unter die Räder gekommen sind. Zeise beschreibt, wie die neoliberale Konstruktion die Staaten an direkter gegenseitiger Hilfe hindert.

Stattdessen werden „Rettungsschirme“ aufgespannt. Zeise zitiert einen Kollegen, der von einer „kolonialen“ Lösung bei der angeblichen „Rettung“ von Staaten spricht. In der Tat sieht das von der „Troika“ verhängte Austeritätsprogramm genau so aus wie die entsprechenden Sparprogramme, die während der Asienkrise (und ähnlichen strukturellen Krisen des Neoliberalismus) vom IWF für Länder der Dritten Welt verhängt worden waren: Einsparung der Kosten für Soziales, Gesundheitswesen und Bildung, sowie Lohnsenkungen und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen sind die Konsequenzen. Dass diese Länder durch diese Rosskur keinesfalls konkurrenzfähig werden, wie es die unheilige Allianz aus EU, EZB und IWF verlangt, hat sich mittlerweile herumgesprochen, ändert aber nichts an den Bedingungen der „Rettung“.

Schwierig wird es bei Alternativvorschlägen. Zeise plädiert für einen Schuldenschnitt. Letztlich glaubt er aber nicht an einen Fortbestand es Euro. Was wirklich notwendige wäre: eine grundlegende Änderung des Wirtschaftssystems, wodurch die Entstehung von “Blasen“ im unmäßig aufgeblähten Finanzsektor verhindert würde, hält er jedoch für eine illusorische Forderung.

Attac hat sich die ökonomische Alphabetisierung der Bevölkerung zum Ziel gesetzt. Zeises Buch könnte ein wichtiger Baustein dieses Projekts sein.

Papyrossa Verlag 2012 (11.90 €)

 

 

 

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.