Gedanken zur Schule von heute und morgen

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Die Schule ist ein Bereich des gesellschaftlichen Lebens und damit auch geprägt von den jeweiligen Situationen und Entwicklungen. Diese Abhängigkeit darf aber nicht so weit gehen, dass sie ihre wesentliche Aufgabe vernachlässigt oder gar aufgibt. Der Bildungsauftrag verlangt von der Schule, die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler weiterzuentwickeln, Wertvorstellungen, Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln und die hierfür erforderlichen Erfahrungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zu bieten. Dazu sind Leistungen selbstverständlich erforderlich. Die starke und oft einseitige Betonung einer durch zahlreiche Tests nachzuweisenden Leistung erschwert aber die Erfüllung des ganzen Bildungsauftrags und verfälscht das Bild einer guten Schule. Nicht alle Vorgänge in der Schule sind dem Prinzip der Leistung unterworfen und nicht alle Leistungen sollten und können beurteilt werden. Schule darf nicht der Verabsolutierung des Leistungsprinzips folgen, sondern muss um der Erziehung zur Selbstbestimmung willen dessen Grenzen deutlich machen. „Wenn wir Arbeit und Lernen und Wissen ganz im Prinzip der Leistung aufgehen lassen und alles, was Leistung heißt, in Messbarkeit, dann wird unser Verfahren nicht nur unmenschlich, es wird auch gesellschaftlich und pädagogisch sinnlos“ (von Hentig, Systemzwang und Selbstbestimmung, S.101). Einem so verfälschten Bildungsbegriff darf die Schule auch in einer Wissensgesellschaft nicht folgen. Es wird übersehen, dass Bildung mehr ist als Wissen und Wissen allein nicht zu mehr Sicherheit und Wohlstand in unserem Leben führt.

Zu den Kernaufgaben der Schule gehört der Unterricht. Eine Schule als Lern- und Lebensstätte von Kindern und Jugendlichen ist aber mehr.

Sie zeichnet sich durch ein gutes Klima im Zusammenleben und Lernen aus, in dem auch bessere Leistungen und soziales Lernen möglich sind. Alle Erfahrungen beweisen, dass ständiger Leistungsdruck und Stress dagegen Lernbereitschaft und Leistung vermindern.

Ohne Zweifel ist wirtschaftliches Denken auch in der Bildung wichtig. Es darf aber nicht zum bestimmenden Faktor werden. Begriffe wie Effizienz, Ressourcenoptimierung, Wettbewerb und Konkurrenz, Management und Output-Orientierung deuten an, in welche Richtung Schule sich zu verändern droht. Die Übertragung von unternehmerischen Verfahren auf die Schule verändert diese von Grund auf. Sie entwickelt sich von einer Lern- und Lebensstätte zu einer Lernfabrik für die Erzeugung von „Humankapital“. Sie verwandelt den Lehrer, der in Erfüllung des Bildungsauftrags in erster Linie seinen Schülern und sich selbst verpflichtet ist, in einen Agenten seiner Institution. An die Stelle von Berufsethik treten andere, der Wirtschaft entnommene Regeln wie Kosten-Nutzen-Rechnungen, Budgetierung, Berichtspflicht, kurz: die ganze „Illusionsmaschinerie“ des Wissens-managements“. An die Stelle des Schulrats sind „Unternehmensberater“ getreten, die die Schule vorrangig als unternehmerische Institution sehen und auf die Einhaltung der Zielvorgaben achten müssen. Dabei werden bestimmte Bereiche des Managements „Schule“ einer Punktwertung unterzogen. Wo solche Prinzipien herrschen, entsteht eine Sphäre, die permanent der Effizienzüberprüfung unterworfen ist. In ihr haben Rechenschaftslegung und Evaluation einen solchen Umfang angenommen, dass die eigentliche unterrichtliche und erzieherische Arbeit vom Zwang zur Berichterstattung und dem entsprechenden Aufwand an Zeit überfrachtet wird und zu kurz kommt.

Um in den für unser Volk wesentlichen Fragen der Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität und damit auch der Chancengleichheit zu richtigen Lösungen zu kommen, müssen wir eine Schule schaffen, die der Persönlichkeitsentwicklung des einzelnen ebenso dient wie unserer Gesellschaft.

  • In einer Schule als Lern- und Lebensstätte von Kindern und Jugendlichen sind Unterricht und Schulleben miteinander verbunden. Die Ganztagschule dient dabei nicht nur der Verlängerung der Unterrichtszeit, sondern beruht auf einem eigenen Konzept. Eine solche Schule zeichnet sich durch eine neue Lern- und Lebenskultur aus, die nicht vorrangig durch Wettbewerb und Konkurrenz bestimmt sind, sondern vor allem durch Zusammenarbeit und soziales Verhalten.

  • In dieser „neuen“ Schule werden jedes Kind und jeder Jugendliche nach seinen Fähigkeiten und Interessen und unabhängig von der sozialen Herkunft individuell gefördert. Stärken und Schwächen werden in der pädagogischen Arbeit, in der Didaktik und im Lehrerverhalten berücksichtigt.

  • Eine Schule, die den Ansprüchen unserer Gesellschaft gerecht wird, gibt kein Kind durch frühzeitige Auslese und Vorsortierung oder durch „Abschulen“ verloren, sondern jedem Schüler die Chance, durch gemeinsames und differenziertes Lernen bis zum 10.Schuljahr alle Abschlüsse zu erwerben.

  • Eine unserer Demokratie entsprechende Schule gewährleistet die Grundrechte auf Mitbestimmung und Mitwirkung aller Beteiligten, also der Lehrer, Eltern und Jugendlichen und öffnet sich nicht der Einflussnahme der Wirtschaft.

  • Eine gute Schule erweist sich als „lernende Institution“. Ihre Entwicklung wird niemals abgeschlossen sein, darf aber auch nicht zurückfallen in Strukturen vergangener Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte. Es kann nicht immer nur um „Schönheitsreparaturen“ gehen, sondern dann, wenn Bildung und Schule „neu gedacht“ werden müssen, um einen Umbau. Doch dafür brauchte es nicht nur eine „lernende“ Schule, sondern auch ein „lernendes“ Kultusministerium, dessen oberste Aufgabe es doch eigentlich sein sollte, eine Schule, die den Ansprüchen unserer Zeit genügt und von Wissenschaft und Schulträgern, von Eltern und Verbänden und von Kirchen gewünscht wird, zu ermöglichen und zu fördern und auf keinen Fall zu behindern oder gar zu zerstören.

Eltern und Schulträger, vor allem aber die für die Bildungspolitik und die nächste Generation Verantwortlichen, also die Landesregierung und die Abgeordneten des Landtags, sollten prüfen, ob das gegliederte Schulsystem den Anforderungen der Zukunft noch gerecht wird und welche Konsequenzen sich aus der vorgesehenen Zerschlagung der anerkannten und mit vielen Preisen ausgezeichneten Integrierten Gesamtschule ergeben werden. Und sie sollten ihrer Verantwortung gemäß die richtige Entscheidung treffen.

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