Feiern wie die Welfen? – ach egal!

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Die Eröffnungsfeier zum Schlossmuseum am 9. April 2011

Am 9.4.11 wurde das Schlossmuseum eröffnet. Das ist kein geringes Ereignis. Immerhin wird damit laut Oberbürgermeister Hoffmann die Rekonstruktion des Schlosses endlich vollendet. Und diese Rekonstruktion war ja immerhin das Vorzeigeprojekt für Braunschweigs Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt 2010. Dementsprechend durfte man eine ambitionierte Eröffnungsveranstaltung erwarten, bei der sorgsam darauf geachtet würde,  Peinlichkeiten der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

 

Bild links: Hofbraukunst, geadelt mit dem Wappen der Welfen

 

„Die Feier auf dem Schlossplatz beginnt bereits um 11:00 Uhr mit einem Kulturprogramm…“ so die Pressemeldung der Stadt. Als ich gegen 11.15 erschien, traf ich auf ca. 200 Menschen, die etwas verloren herumstanden, da eine moderierte Veranstaltung -u.a. höfische Tänze  waren angekündigt- nicht auszumachen war. Das eigentliche Programm begänne erst um 12:00 Uhr, teilte mir eine allerdings sehr höfisch gekleidete Dame mit. Ach so……
Im Davonschlendern höre ich von der Schlossnordfassade Ziehharmonikamusik im volkstümelnden Stil, entdecke eine Gruppe von Personen in Bauerntrachten – ist hier etwa gerade der Bund der Vertriebenen bei einer Konkurrenzveranstaltung? Die höfische Dame, die ich danach frage, verweist mich an eine neuzeitlich gekleidete Person, die Bescheid weiß.
‚Das ist Teil der Museumseröffnung. Die werden nachher die höfischen Tänze aufführen’ teilt sie mir mit.
Mit Ziehharmonika!?’ frage ich.
‚Ja.’
‚Aber die Ziehharmonika ist doch kein Instrument des Hofes!’

Sind Sie sicher? Es geht doch um Musik des 19. Jahrhunderts.
‚Definitiv nicht!’ 
insistiere ich.
‚Dann sind das eben Tänze der Angestellten, die im Schloss gedient haben.’ sagt sie sehr freundlich lächelnd. (Hofangestellte in Bauerntrachten?….aber egal)
Aber die Bediensteten werden im Schloss doch kaum getanzt haben dürfen?
’Hmm, aber vielleicht im hinteren Teil des Schlossgartens?’
Dann wollen wir mal hoffen, dass der Herzog ihnen das erlaubt hat.

Als ich nach halbstündiger Abwesenheit zurückkehre, ist die Dorftrachtentanzgruppe in Aktion (das steife Mädchen dreht sich, der stumpfe Bursche bläht sich) – der Ziehharmoika-Spieler ein guter Alleinunterhalter, der mit seiner Musik und seinen launigen Ansagen jedem Musikantenstadl einen Glanzpunkt aufsetzen würde – aber höfische Tänze zur Eröffnung eines Schlossmuseums? … Hochkultur? ….naja egal.
Immerhin gibt es jetzt einen Impressario, den Hofmarschall. Sehr fesch angezogen mit seiner  schwarz-weiß-roten Schärpe. Aber eigentlich geht es hier doch um das Herzogtum: blau-gelb also. Was sollen denn da die Farben des Kaiserreichs?….aber egal, alt ist alt.
Der Hofmarschall kündigt von der Treppe des Schlossmuseums aus das weitere Programm an: Seine Redeweise durchgehend forsch und mit ausschließlich sehr stereotypen altertümelnden Wendungen versehen: so wie man sich eben das 19. Jahrhundert vorstellt, wenn man…ach egal.
Seine Ankündigung: der Chor der Domsingschule würde singen, danach die Schlosswache Salut schießen. Die Schlosswache? Das sind Hobbysoldaten in Uniformen der Braunschweiger Jäger von 1780. Das Ottmer-Schloss wurde1838 erbaut. Das ist ja eigentlich genauso anachronistisch, als ob man wilhelminische Soldaten vor der Henry-Moore-Skulptur des Bonner Kanzlerbungalows abstellen würde, um so einen Eindruck zu vermitteln, wie das damals so war mit Bonn als Hauptstadt…. ach egal!

Zunächst kam ohnehin die Domsingschule: ‚Geh aus mein Herz und suche Frrreuttt!!!!’ schnarrt der Impressario, weil man im 19. Jahrhundert nun einmal bei jeder Gelegenheit forsch war. So also der Titel des folgenden Liedes.
Ich erwartete Gediegenes: Ich kenne hervorragende Chöre in Braunschweig, und die Domsingschule -die ich bislang nicht gehört hatte- hat einen Namen. Es kam anders. Ein elekronisches Klavier setzt zur Begleitung an: viel zu laut und aggressiv – und vor allem mit einem selbstverliebten pop-musikalischen Begleitarrangement, das jeden einzelnen Takt dieses schönen Lieds unerträglich verkitschte. Dass der Chor selbst zumindest von meinem Platz aus dürftig klang und vor allem höchst unsauber intoniert war, mag vielleicht der Aufregung der 11 – 15jährigen Kinder geschuldet gewesen sein. Nach 2 weitere Lieder im gleichen Stil war ich um eine Illusion betreffs der Musikpflege am Dom ärmer.

Danach endlose Pause mit Durchhalteparolen des Impressarios. Irgendwas zögerte das dreimalige Salutschießen der Schlosswache hinaus. Dann endlich:
1.puff!…
2.puff!!…
3.pupuff!!!…
Fanfarenklänge!!!!
Und dann der Oberbürgermeister.

Er leitet seine Rede ein mit seiner bewährten Standardverteidigung, mit der er auch schon Bundesminister Tiefensee und Bundespräsident Köhler überzeugte:
„Unser Schloss ist kein Kaufhaus, wie es einige behaupten, die unser schönes Schloss nicht von innen gesehen haben, sondern ein Kulturschloss. Das Einkaufszentrum aber ist hinter dem Schloss.“
Mit der Eröffnung des Schlossmuseums, so der OB weiter, sei man jetzt dort angekommen, wo man hingewollt hätte: Originale Fassade und nun endlich auch originale Innenräume. Jungen Menschen könne das Schloss-Museum Orientierung in ungewisser Zeit bieten.
Und dann begrüsste Herr Hoffmann Herrn Heinrich Hannover, den er wie folgt titulierte:
„Prinz Heinrich von Hannover, und ich sage ausdrücklich: Herzog von Braunschweig-Lüneburg.“ War da nicht eine Abdankung?….ach egal.
Jedenfalls aufbrausender Beifall der nun ungefähr 500 – 800 Anwesenden. Dass der OB in seiner Rede in einem Nebensatz anmerkte, dass die Braunschweiger zu Tausenden zur Schlossmuseums-Eröffnung gekommen wären…egal: so stand es wohl im Manuskript.

Die niedersächsische Kultur-Ministerin Wanka sagte dann noch, wie schön zentral das Schlossmuseum gelegen sei, so direkt neben einem Einkaufszentrum. Diesen Satz habe ich aber nicht in der Presseerklärung der Stadt wiedergefunden.

Dann Schnitt durch das rote Band – das Museum eröffnet. – Dixiemusik.

Pracht und Glanz wie bei Hofe -wie die nB meinte- bot die Museumseröffnung kaum. Aber  vielleicht wurde sie gerade deshalb um so mehr dem Wahlspruch der Welfen gerecht, der auf jeder Bierflasche von Wolters Hofbräu nachzulesen ist:
‚Nec aspera terrent’, zu deutsch: ‚Grausligkeiten schrecken uns nicht.

 

 

 

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