Bildung

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Nach mehr Bildung ruft die Politik, einen Qualifizierungsgipfel will die Kanzlerin im Herbst veranstalten. Gut wäre es, wenn nicht nur neue Tests dabei herauskämen, durch die kein Schüler klüger wird. Schön wären kleinere Klassen, mehr Lehrer, Ganztagsschulen, noch schöner wären Gesamtschulen. Aber selbst wenn eine plötzliche Erleuchtung über die politisch Verantwortlichen käme, die sie veranlasste, über Nacht das dreigliedrige Schulsystem abzuschaffen – hätten wir dann motivierte Schüler? Die frühe Etikettierung entfiele zwar, aber auch der leistungsschwache Gesamtschüler könnte sich ausrechnen, dass keine Lehrstelle für ihn da ist. Selbst wenn die Schüler so qualifiziert würden, dass sie allesamt einen Sek-I-Abschluss bekämen, dann setzte, dank dieses Fahrstuhleffekts, der Verdrängungswettkampf eben eine Stufe höher ein als bisher.

Hier liegt der Hase im Pfeffer. Es fehlen Ausbildungsplätze, und unsere Industrie, die über den heraufziehenden demografischen Wandel jammert, ist nicht bereit, ihrem künftigen Nachwuchs eine Chance einzuräumen. Anders formuliert: Man muss jungen Menschen deutlich machen, dass sie gebraucht werden. Wenn sie schon als Zehnjährige wissen, dass sie keine Perspektive haben, dann geht ihnen die ganze Bildung „am Arsch vorbei“, wie sie es selber ausdrücken. Nur die begründete Aussicht, dass ein Bildungsabschluss auch zu einem Platz in der Gesellschaft (und nicht nur im „abgehängten Prekariats“) führt, kann die Jungen mit oder ohne Migrationshintergrund dazu bringen, dass sie sich auf die abstrakten Formeln und Symbole einlassen, die in der Wissensgesellschaft nun einmal zum Standard gehören.

„Mehr Bildung“ soll die Verwendungsfähigkeit (neudeutsch: „Employability“) des jungen Menschen erhöhen, es ist ein Wunsch, der primär aus der Wirtschaft kommt. Im Interesse der Betroffenen wäre es, wenn ihnen endlich konkrete Chancen eingeräumt würden, für die zu lernen sich lohnt.

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