Staatstheater Braunschweig: Wie man aus Horror Poesie macht

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Roman Koniecny und Christiane Motter als Ehepaar Laura und John Baxter am Braunschweigischen Staatstheater. © Fotografie Bjoern Hickmann

Daphne du Mauriers Novelle „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ (OT: „Don’t Look Now“) in einem Film zu verarbeiten, galt schlicht als unmöglich. Doch der Film von Nicolas Roeg mit Donald Sutherland und Julie Christie aus dem 1973 wurde ob der gelungenen Adaption zu einer Sensation und rangierte am Ende auf Platz 8 der Liste der „100 besten britischen Filme des Jahrhunderts“ des British Film Institute. Christoph Diem hat in enger Zusammenarbeit mit seinem Team Florian Barth (Bühnenbild, Video, Kostüme) und Pär Hagström (Musik) aus dem Stoff ein Theaterstück gemacht, das dem Cineasten zunächst unmöglich erscheint – aber am Staatstheater Braunschweig verblüffend gut funktioniert.

John und Laura Baxter (Roman Konieczny und Chtistiane Motter), die vor einem halben Jahr ihre sechsjährige Tochter Christine bei einem Badeunfall verloren haben, reisen nach Venedig. Nachdem ein merkwürdiges Schwesternpaar ihnen mitteilt, dass sie Christine in Venedig und glücklich am Leben gesehen haben, entgleitet John Baxter immer mehr der scheinbaren Realität – „Nichts ist, wie es scheint“, verkünden Videowände über einer übersichtlichen Bühnenszenerie, die sich zu allem Überfluss während des Stücles auch noch ständig leicht verwandelt. Dann (hübscher Einfall) spielt ein Teil des Ensembles auf der Unterbühne und ist für die Zuschauer nur in einem überdimensionierten Zerrspiegel zu beobachten – Realtität und Zweilhaftes mischen sich wie im Film oder den Gedanken des eigentlich rationalen Architekten John Baxter zu einer verzweifelten Mischung aus unfassbaren Halbwahrheiten. Nur Laura agiert in dem Geflecht aus Fiktion und Realtität noch rational.

 

Die Musik der Band „Next Stop: Horizon“ ersetzt in der Bühnenfassung die Schnittfolgen der Filmproduktion. ©Fotografie Bjoern Hickmann

Großen Anteil am Gelingen der Inszenierung hat die Band „Next Stop: Horizon“ von Hägström und seiner Frau Jenny Roos. Als Teil des Geschehens stehen sie mit auf der Bühne und zerbrechen bei Bedarf mit Basswummern, Vibraphon-Kakophonien oder überlagerndem Schlagzeug Szenen, die der Zuschauer gerade als ein Stück Realität begreifen möchte. Vollends der Ordnung den Garaus machen dann nachgestellte Filmzitate auf den Video-Screens.

Ein spannendes Stück mit vielen Überraschungen (und ein paar kleinen Längen), für das es verdient viel Beifall gab.

 

 

 

 

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