Großer Doktor, Kleiner Doktor: Who is Who? and What is What?

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Bis zum 4. Mai kannte man ihn als den „Dr. Ulrich Stegemann“. Diskret hielt er die Fäden im Vorfeld des Oberbürgermeisters in der Hand. Einem jeden, gleich welcher politischen couleur, trat er zuvorkommend gegenüber, sachlich, höflich und adrett, ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, stets respektvoll und respektiert, der – da war man sicher – sich nie ohne seinen Knigge unter dem Kopfkissen zur Ruhe legen würde. Hoffmann schlug ihn – quasi als Super-Minister der Stadt – für das wohl wichtigste, mächtigste Dezernat vor.

Und dann das: Mit Presseerklärung vom 4. Mai tritt Stegemanns väterlicher Förderer, Dr. Gert Hoffmann, „hinter den Kulissen“ eine Debatte los, die zuvor so wohl nicht auf seinem Spielplan stand.

2006 promovierte er an der Comenius Universität in Bratislava zu einem stiftungsrechtlichen Thema (das Führen seines Doktortitels ist nach neuerer Rechtslage ohne Zusatz als JUDr. nicht mehr möglich).

Wie das? Was hat es mit diesem Doktortitel aus Bratislava auf sich?

„Dr. Bratislava“ befriedigt die Eitelkeit und Ein kleiner Doktor aus Bratislava

schlagzeilte die Süddeutsche Zeitung diesbezüglich am 27.04.2009.

Obwohl man in Bratislava auch Doktorgrade anstreben kann, die dem klassischen Doktorat entsprechen (dort „PhD“) und 3 bis 6 Studienjahre in Anspruch nehmen, werden daneben auch „kleine“ Doktorentitel verliehen, die eher Diplom- oder Magisterniveau aufweisen. In nur wenigen Monaten können sie erworben werden und entsprechend klar sind sie vom klassischen Doktorgrad abzuheben und zu unterscheiden. Für den Bereich der Jura ist der „kleine“ Doktorgrad ein Doktor práv. Als Abkürzung für den Doktor práv ist auch „JUDr“ zugelassen. Dies wird beispielsweise im Informationssystem „Anabin“ über die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse klargestellt: die Abkürzung für den „kleinen Doktor“ der Rechte, den Doktor práv, ist „JUDr“. Das war so auch schon im „Deutsch-slowakichen Äquivalenzabkommen über die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Bildungsnachweisen“ vom 23. November 2001 festgelegt (S. 4).

 

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Haben beide den Doktorhut auf: großer Doktor(links) und kleiner Doktor (rechts)

Und auch eine „Interessengemeinschaft der Inhaber slowakischer/tschechischer Doktorgrade“  (gewissermaßen ein Zwergenaufstand „kleiner“ Doktoren, die gleichgestellt werden wollen mit den großen) hält fest, dass die korrekte Abkürzung für den kleinen Doktor der Rechte (Doktor práv) der „JUDr“ ist. Und wie Dr. Gert Hoffmann richtig ausführt, ordnet das niedersächsische Hochschulgesetz an, dass solche ausländischen akademischen Abschlussgrade in der gleichen Form wie in ihrem Ursprungsland zu verwenden sind, was auch für die Abkürzungen gilt. Herr Stegemann darf sich gemäß seines akademischen Abschlusses also als Doktor práv oder als JUDr bezeichnen, denn Herrn Stegemann wurde von der Comenius Universität in Bratislava ein kleiner Doktortitel verliehen.

So als habe er damit einen großen Doktortitel erworben, hat Stegemann sich aber „Dr.“ genannt. Auf eine Bitte der Grünen Ratsfraktion um Auklärung versucht Ziehvater Hoffmann nun, entgegen der Sach- und Rechtslage, seinen Ziehsohn von jeglichem Missbrauchsverdacht reinzuwaschen, indem er fälschlich die Abkürzung „JUDr“ zur eigentlichen Version des akademischen Grades macht und den „Dr“ dann zur zugelassenen Kurzversion des JUDr verfälscht – wobei doch der JUDr selbst schon die gebräuchliche Kurzversion ist und es bei den unterschiedlichen Titulierungen um nichts anderes geht, als um eine klare Unterscheidung des akademischen Kopfschmucks von großen und kleinen Doktoren, auch und gerade in der Kurzform.

In Hoffmanns Antwortschreiben heißt es: Demnach dürfe der Stegemann „verliehene Hochschuldoktorgrad „Doktor práv“ in der Slowakei neben der Langform als „JUDr“ auch allgemein zugelassen und rechtmäßig in der Kurzform als „Dr“ geführt werden. Hoffmann behauptet dies, obwohl aus allen einschlägigen Dokumenten klar hervorgeht, dass „JUDr“ schon die gebräuchliche Abkürzung der Langform des „Doktor práv“ ist. Dabei ist diese mutwillige Verwischung von klaren Grenzen rechtlich nicht ganz ohne Belang, denn juristisch kann der Missbrauch des großen Doktortitels (Dr) für den kleinen Doktorgrad (Doktor práv; JUDr) durchaus strafrechtliche Folgen nach sich ziehen, wie ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18.02.2009 zeigt.

 

Kleine Auswahl weiterführender Literatur rund um das Thema:

von Braunfels, York, Doktormacher: Doktortitel aus Deutschland und Europa. Berlin: Gentlemans Digest, 10. Aufl. 2008.
Porombka, Stephan, Felix Krulls Erben – die Geschichte der Hochstapelei im 20. Jahrhundert.  Salzhemmendorf: Blumenkamp Verlag, 2. Auflage 2008.
de Vries, Kets und F. R. Manfred, Führer, Narren und Hochstapler – die Psychologie der Führung. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2. Aufl. 2008.

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