Vorhänge-Schloss klemmte

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Was als Ereignis von historischer Bedeutung für Braunschweig angekündigt war, nämlich die feierliche Portikus-Enthüllung, geriet zu einer unfreiwilligen Realsatire. Die von der Hamburger Unternehmensgruppe ECE GmbH & Co. KG inszenierte Feier zur Fertigstellung der Schaufassade ihrer Einkaufs-Mall im spätklassizistischen Retro-Outfit floppte nicht nur aufgrund eines technischen Defekts. Die unfreiwillige Komik des Spektakels war dafür ebenso verantwortlich. Der haltlose Vergleich des Baus als Beispiel einer hervorragenden baulichen Rekonstruktion mit der Wiedererrichtung der Dresdener Frauenkirche und die dann folgende billige choreographische und technisch schlechte Inszenierung der Wahlkampfauftaktveranstaltung des Braunschweiger Oberbürgermeisters zeugen von mangelndem Realitätssinn und erschreckendem Größenwahn.

Nach müdem rednerischen Beginn erweckte ein visueller Streifzug durch die Schlossgeschichte – Hoffnung auf eine niveauvolle Kulturveranstaltung. Der Streifzug vermittelte jedoch nur sentimentale Erinnerungen an feudale Zeiten. Der größte Teil der Geschichte dieses für die Braunschweiger Landesgeschichte bedeutsamen Gebäudes und des zugehörigen Areals im 20. Jahrhunderts wurde ausgeblendet: unter anderem auch die NS-Zeit, als das Schloss als SS-Junkerschule diente oder die jüngere Vergangenheit, in dem der Streit um den Erhalt des Schlossparks die Stadt spaltete. Die so aufbereitete Wahlkampfhilfe der Einkaufszentrums-Entwicklungsgesellschaft (ECE) dürfte vermutlich nur dem amtierenden Oberbürgermeister – mit in Braunschweig ausgeblendeter NPD-Vergangenheit – und seinen treuesten Anhängern gefallen haben. Welche kulturelle Wertschätzung das ganze Projekt national und international genießt, mag nicht nur aus den Verrissen überregionaler Zeitungen und Fachzeitschriften erkennbar sein, sondern lässt sich auch dadurch belegen, dass die Bewerbung Braunschweigs zur Kulturhauptstadt Europas aufgrund der Darstellung des Einkaufsschlosses als wichtigstes Leuchtturm-Projekt innerhalb der Bewerbungsschrift zu einem Ausscheiden aus dem Kreise der mitbewerbenden Städte führte. Von einem solchen Dilettantismus sollte auch die Veranstaltung nicht verschont bleiben: diesmal aber eher unfreiwillig.

Da der Vorhang, der den Portikus verhüllte, nicht fallen wollte, entstand eine etwa 45 Minuten lange Pause, in deren Folge etwa ein Drittel der knapp 12.000 Zuschauer enttäuscht abwanderte. Mit den Worten „Wir halten, was wir versprechen“, folgte – choreographisch eigentlich als Abschluss gedacht – doch noch ein kurzes Feuerwerk mit einer Illumination der noch nicht ganz fertig gestellten Schlossvorhangfassade in „blau“ und „gelb“. Schließlich lösten sich doch noch die Verklemmungen am Portikusvorhang, der dann in seiner ganzen Unvollständigkeit dem verbliebenden Braunschweiger Publikum gezeigt werden konnte. So kam es schließlich doch noch zu einem – ziemlich durcheinander geratenen – Finale.

Wieso man ein Bauteil, das schon über Wochen für die Braunschweiger zu sehen war, verhüllt, um es ihnen anschließend als etwas Neues zu präsentieren, bleibt das Geheimnis der Regisseure von ECE. Warum die Hamburger ECE nicht einen Profi wie den Hamburger Szenographen Michael Batz, der schon eindrucksvoll sein Können für Inszenierungen des Unternehmens bewies, mit dem Braunschweiger Event betraute, bleibt ebenso ein Mysterium. Sicherlich kann niemandem böse Absicht unterstellt werden, aber dennoch bleiben einige Fragen offen. So entstand nicht nur zum Verdruss der vielen Tausend vorzeitig abgewanderten Zuschauer ein Mitleid erregendes Spektakel, das zwischenzeitlich nur durch eine Prozession der Schlossparkfreunde mit illuminierten Geschenken in Form symbolischer Präsente erhellt wurde, die der Braunschweiger Oberbürgermeister im Zuge des Verkaufs des einstigen innerstädtischen Parks der Hamburger ECE gemacht haben soll.

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