Proteste gegen den AFD-Parteitag am 12.09.2020 in Braunschweig: Polizei handelte rechtswidrig

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So wird in Braunschweig gegen linke Gegendemonstranten vorgegangen. AfD-Parteitag 12.09. 2020: Screenshot aus dem Video von Felix Bach, das den inzwischen als illegal verurteilten Polizeieinsatz gegen Anti-AfD-Demonstrierende dokumentiert.

Update 8.1.21: Beitrag ergänzt durch Stellungnahme des Bündnis gegen Rechts, s.u.

Amtsgericht Braunschweig stellt fest: Polizeiliche Freiheitsentziehungen anlässlich der Proteste gegen den AFD-Parteitag am 12.09.2020 in Braunschweig waren rechtswidrig

Siehe dazu auch unseren Beitrag „AfD-Parteitag in Braunschweig: Vernichtende Kritik des Demo-Beobachtungsteams an Polizeieinsätzen„.

Göttingen/Braunschweig, den 07.01.2021

Die polizeilichen Freiheitsentziehungen von Protestierenden gegen den AFD-Parteitag in Braunschweig am 12.09.2020 waren von Anfang an rechtswidrig. Dies hat das Amtsgericht Braunschweig in insgesamt vier Beschwerdeverfahren (Az.: 33 b XIV 246/20 L, 33 b XIV 247/20 L, 33 b XIV 249/20 L und 33 b XIV 250/20 L) mit nun veröffentlichten Beschlüssen vom 14.12.2020 festgestellt.

Die vier Demonstrierenden im Alter von 18 bis 39 Jahren aus Wanzleben, Goslar und Braunschweig hatten am 12.09.2020 ab 8 Uhr gegen den Parteitag der AFD in Braunschweig protestieren wollen. In der Nähe einer Kleingartenkolonie hatten sie gegen den Willen der eingesetzten Polizeibeamten versucht, auf die Straße Am Ganderhals zu gelangen. Dort wurden sie mit Reizgas besprüht, zu Boden gebracht und anschließend in polizeiliches Gewahrsam verbracht. Nach einer richterlichen Vorführung wurde in allen Fällen ohne Einzelfallprüfung der Gewahrsam bis 18 Uhr gerichtlich angeordnet.

Diese gerichtlichen Anordnungen wurden auf die Beschwerde der Betroffenen nun durch andere Kammern des Amtsgerichts Braunschweig aufgehoben und der Gewahrsam für insgesamt rechtswidrig erklärt. Hiernach sei dem Polizeibericht kein individuelles Verhalten der Betroffenen zu entnehmen, was eine Freiheitsentziehung hätte begründen können. Das Gelangen auf eine Straße sei mit Blick auf den hohen Rang der Freiheit der Person nicht ausreichend, um eine mehrstündige Freiheitsentziehung zu begründen.

„Das Amtsgericht Braunschweig hat an dem Tag selbst als Kontrollinstanz für polizeiliche Freiheitsentziehungen versagt. Meine Mandanten wurden verletzt, zu Unrecht festgesetzt und rechtswidrig mehrere Stunden in Polizeizellen gesperrt“ ärgert sich der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam über die richterlichen Anordnungen zur Freiheitsentziehungen am 12.09.2020. „Es ist allerdings erfreulich, dass dieser Fehler zumindest durch das Gericht selbst nachträglich korrigiert wurde.“

Gegenüber der Polizei wird nur für die vier Betroffenen jeweils Schmerzensgeld wegen der mehrstündigen rechtswidrigen Freiheitsentziehung geltend gemacht.

Zudem sind aus dem Komplex aktuell noch Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig anhängig. Die Polizeidirektion hat mit Bescheiden vom 03.11.2020 gegenüber den Betroffenen sogar eine Gebühr in Höhe von insgesamt 80,00 € für die „Beförderung einer in Gewahrsam zu nehmenden Person mit einem Polizeifahrzeug“ und die „Unterbringung im Polizeigewahrsam je angefangene 24 Stunden“ erhoben. „Schon die Erhebung dieser Gebühr ist zynisch. In den Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht der Polizei die Rücknahme der Gebührenbescheide folgerichtig nahegelegt“ so Adam abschließend.

Update 8.1.: Stellungnahme des Bündnis gegen Rechts Braunschweig:

Das Braunschweiger Bündnis gegen Rechts sieht sich durch die Beschlüsse des Amtsgerichtes in seiner Kritik an den überzogenen Polizeieinsätzen am 12.09.2020 bestätigt. Das Bündnis weist darauf hin, dass es im Zusammenhang mit Protesten gegen Veranstaltungen von Naziparteien wie der Rechten und der NPD oder der rechtsextremen AfD auch in Braunschweig zu unverhältnismäßigen polizeilichen Maßnahmen und Einsätzen kommt.

Sebastian Wertmüller für das Bündnis: „Zum Glück gibt es genügend unerschrockene Bürgerinnen und Bürger, die das nicht akzeptieren und vor Gericht ziehen.“ Die aktuellen Beschlüsse geben ihnen recht.

Mit Blick auf die zunehmende Gefahr und die zunehmenden Bedrohungen von rechts nicht nur gegenüber Migrantinnen und Migranten, sondern auch gegenüber antifaschistisch Engagierten, erwarte man ein deutlich anderes Agieren der Polizei.

Wertmüller: „Die Feinde der Demokratie sind nicht die Demonstrantinnen und Demonstranten gegen Nazis und andere Rechte, sondern rechtsextreme und nazistische Parteien und Verbände und deren Mitglieder.“

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