Paul-Joseph Raue oder die Abwicklung des Gebots der Wahrhaftigkeit in der BZ (Teil 28)

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„… eindeutig ist kein Wort, jedes Wort ist eine Interpretation. Und jeder hat Recht“ – beschließt Raue einen seltsamen Kommentar, mit dem die Braunschweiger Zeitung am 29.12.2006 „den Weg der kontroversen Debatte“ um die Verwendung des Wortes „Schloss“ in der Diskussion um die neue ECE-Ansiedlung in Braunschweig „dokumentierte“. (Vergleiche dazu auch die Beiträge der Schlossparkfreunde)

Unter einer Rubrik: „Stichwort“ kommt auf der Seite der Zeitung auch Bundespräsident Köhler zu Wort mit einem Zitat aus einer Rede zum 50-jährigen Bestehen des deutschen Presserats: Ein wesentlicher Kern der Arbeit des Presserates sei „die Einsicht nämlich, dass in der freien Presse niemand die Wahrheit für sich gepachtet hat.“

Präsident Köhler und dem Presserat geht es aber darum, klarzustellen, dass es deshalb gerade Aufgabe des Journalismus sein muss, sich um Wahrheit zu bemühen. Die Tatsache, dass man sie nicht pachten kann und also nie gepachtet hat, macht die Arbeit der Wahrheitssuche zur Pflicht des Journalismus. Ziffer 1 des Pressekodexes beschreibt als ethische Maxime des Journalismus die folgenden „publizistischen Grundsätze“:

„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.

Raue erstickt hier dies oberste Gebot eines seriösen Journalismus mit einem Gemeinplatz über das Wesen der Sprache („Sprache ist immer Interpretation und jeder hat Recht“). Denn wie in diesem Fall kann oft durchaus sehr gut unterschieden werden zwischen wahr und falsch – und immer dann ist es auch ein Gebot; das Bemühen um Wahrhaftigkeit muss guten Journalismus auszeichnen. Dabei geht es hier um mehr als um den „freien“ Gebrauch des Wörtchens „Schloss“ – es geht um richtige oder falsche Tatsachenbehauptungen.

Zwei Mal behauptet Raue in seinem Kommentar, das über dem Schlosspark jetzt neu errichtete „Schloss“ – wie er es nennt – habe denselben Grundriss wie das alte Ottmerschloss. Das ist aber falsch.

Hier zeigen wir wieder einmal den Grundriss des Baukörpers, der jetzt von der ECE gebaut wird. Der Grundriss zeigt des erste Obergeschoss. Grün sind die dortigen Verkaufsflächen, blau die Mall-Flächen. Am Rande hell die Flächen, die von der Stadt Braunschweig für städtische Einrichtungen im Gebäude angemietet werden.

Der Grundriss ist definitiv nicht identisch mit dem Grundriss des alten Ottmer-Schlosses, den wir hier ebenfalls noch einmal zeigen, ebenfalls mit dem ersten Obergeschoss und im selben Maßstab wie der darüberliegende Grundriss des neuen ECE-Gebäudes. Die Behauptung, die Grundrisse der Gebäude seien miteinander identisch, ist offensichtlich wahrheitswidrig. Man sollte eigentlich davon ausgehen, dass Paul Josef Raue dies auch weiß, er müsste es zumindest wissen.

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Ebenso falsch ist die Behauptung, das Gebäude, das Raue „Schloss“ nennt, werde „überwiegend mit den alten Materialen“ gebaut. Jeder müsste eigentlich wissen, dass das Gebäude, was die ECE dort errichtet, „überwiegend“ mit Beton gebaut wird. Beim alten Ottmer-Bau fand Beton meines Wissens keine Verwendung. Eine weitere wahrheitswidrige Behauptung Raues.

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(überwiegend die alten Materialien? (Behauptung Raue) – Oder nicht doch eher Beton? Hier der Portikusbereich)

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(überwiegend die alten Matierialien? (Behauptung Raue) – Oder nicht doch eher Beton? Hier der nördl. Eckrisalit)

Andere Behauptungen von Raue sind einfach absurd. Was soll das heißen, was kann gemeint sein, wenn Raue sagt, der ECE-Baukörper habe „fast dieselbe Masse wie das alte Schloss“ – meint er dasselbe Volumen, dasselbe Gewicht …?

Und kann man eine absurdere Beschreibung von dem ECE-Komplex abgeben als Raue, wenn er von einem „rekonstruiert“-em Schloss „mit Nebengebäuden“ schreibt? Sollen Kaufhaus und Parkhaus: d. h. die Hauptnutzungen und -funktionen des Gebäudes hier über den Missbrauch von Sprache zur Vernebelung der Wahrheit zu eigenständigen Nebengebäuden eines Schlosses gemacht werden?

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