Die Diskussion um das Projekt Konzerthalle kommt gerade so langsam in Schwung. Immer mehr Stellungnahmen gehen ein, zuletzt die des Braunschweiger Forums oder die des Architekten Rüdiger. Immer mehr Aspekte werden eingebracht, ob es nun um die Finanzierbarkeit, die Frage der Kombination von Konzerthalle mit Musikschule, die des Standortes oder die der Verödung der Innenstadt geht. Aber was eine Sternstunde der lebendigen Auseinandersetzung der Stadtgesellschaft werden könnte, soll nach dem Willen des OB am kommenden Dienstag gleich wieder abgeblockt werden. Denn nachdem der Vorschlag gerade einmal viereinhalb Wochen vorliegt, soll im Rat auf Biegen und Brechen am 21. März darüber abgestimmt werden. Die Braunschweiger Zeitung macht sich ebenfalls dafür stark und nennt ihre eigene Diskussionsveranstaltung am Tag davor sogar „eine vielleicht vorentscheidende Diskussion“.
Offene Frage: Wie soll ein zusätzliches Projekt von 100 Millionen finanziert werden?
Wir haben im letzten Artikel schon auf das Finanzierungsproblem hingewiesen. Die CDU, die FDP, die Fraktion, die AfD und die BIBS haben das Thema klar benannt, auch die Grünen haben gezeigt, dass sie das Problem sehen. Auf der Sitzung des Kulturausschusses wurde dies auch nachdrücklich vorgetragen. Die Antwort der Dezernentin war äußerst dünn; als sie eine mögliche Förderung des Landes in Aussicht stellte und vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Herrn Köster auf die schwierige Lage schon bei der Sanierung des Krankenhauses verwiesen wurde, für die das Land ja auch nicht aufkommen wolle, kam keine Antwort. (Das Projekt Sanierung der Stadthalle, für das 140 Millionen Euro nötig sein werden, soll übrigens erst im Mai beschlossen werden.)
Nach wie vor gibt es keine übersichtliche Bestandsaufnahme der städtischen Finanzen, die allein die Ratsfrauen und -männer zur kompetenten Entscheidung befähigen könnte. Man gewinnt den Eindruck, als erwärmten sich die Protagonisten an einem schönen Projekt (das ja jeder durchaus wünschenswert findet) und drückten die unangenehme Frage der finanziellen Realisierbarkeit einfach weg – wie ein Kind, das trotzig aufstampft, weil es nicht wahrhaben will, dass sein Wunsch nach einer kostspieligen Anschaffung das Budget seiner Eltern übersteigt.
Offene Frage: Wie soll der zunehmenden Verödung der Innenstadt entgegengewirkt werden?
Die Aussicht, dass nun auch Karstadt schließt, hat allen noch einmal deutlich das Problem vor Augen geführt: es wäre schon das dritte Großobjekt, das leer steht, mit der Burgpassage sogar das vierte. Die Innenstadt droht zunehmend auszutrocknen. In einer solchen Situation nicht wenigstens darüber nachzudenken, das Projekt Musikschule in der Innenstadt anzusiedeln, ist ein sträflicher Fehler. Die Gründung einer „Task Force“ (klingt immerhin viel besser als „Arbeitskreis“, ist aber dasselbe) zur Belebung der Innenstadt, nachdem das Problem schon lange vor sich hinschwärt, vermag wenig zu überzeugen. Die Stellungnahme des Braunschweiger Forums bringt eine ganze Reihe weiterer Argumente, die für Standorte in der Innenstadt sprechen, dazu übrigens ganz konkrete Vorschläge. Die Braunschweiger Zeitung erwähnt sie nur kurz, so dass keiner ihrer Leser die interessanten Positionen und Argumente im Einzelnen kennenlernen konnte.
Der Architekt Rüdiger hat einen Entwurf vorgelegt, nach dem der Konzertsaal wie die Musikschule im ehemaligen Galeria – Kaufhaus Platz finden könnten. Die negative Reaktion des Stadtbaurates spricht Bände: Er verweist auf die Lärmemissionen, die durch die „Anlieferungssituation“ entständen wie auf die „Barrieresituation“, die das Gebäude gegenüber dem Magniviertel einnehme. Das Braunschweiger Forum hat dagegen darauf verwiesen, dass schon das Kaufhaus mit zahlreichen Anlieferungen verbunden war. Und um die Barrieresituation gründlich zu bereinigen, müsste das Gebäude offenbar in die Luft gesprengt werden. Immerhin hat hier der Architekt einen interessanten alternativen Vorschlag entwickelt: eine diagonale Fußgängerpassage durch das Gebäude direkt ins Magniviertel hinein.
Offene Frage: Ist es sinnvoll, das Projekt der Musikschule auf Gedeih und Verderb an das Projekt Konzerthalle zu ketten?
Wenn die Mehrheit des Rates am Dienstag dem Beschlussantrag des OB zustimmen würde, hieße das, dass beide Projekte nur zusammen verfolgt werden können. Wenn man nach den vorgesehenen zwei Jahren Planungszeit feststellen würde, dass das Projekt finanziell nicht zu bewältigen ist, wäre damit nicht nur die Konzerthalle gestorben, sondern das Projekt Musikschule wäre auf den Punkt zurückgeworfen, an dem es schon 2019 stand. Und rund eine halbe Million Euro wäre nutzlos verpulvert. Die Planung des Projekts Musikschule müsste völlig neu angegangen werden. Ob sie dann überhaupt noch realisiert würde, ist angesichts der sich zuspitzenden Finanzlage der Stadt möglicherweise unsicherer als heute. Ohnehin soll der Bau des kombinierten Projektes nach dem vorgelegten Zeitplan erst im Jahr 2031 fertiggestellt sein. Der Bau einer Musikschule bräuchte sicher nicht acht Jahre.
Wer also das dringend nötige Projekt einer integrierten Musikschule voranbringen will, tut gut daran, es nicht unlösbar mit dem Projekt Konzertsaal zu verbinden. Die zwingende Verbindung könnte sich als Sackgasse erweisen.
Der Rat sollte sich und der Stadtgesellschaft die Zeit geben, die sie für eine gut durchdachte Entscheidung brauchen
Es gibt wünschenswerte Projekte und lebenswichtige Aufgaben. Die Konzerthalle ist der ersten Art zuzuordnen. Die zunehmende Verödung der Innenstadt dagegen ist eine bedrohliche Entwicklung. Ihr entgegenzuwirken dürfte für die Stadt lebenswichtig sein. Wenn es möglich wäre, beides miteinander zu verbinden, umso besser. Wenn nicht, sollte man sich auf das Lebenswichtige konzentrieren.
Kann mal jemand schlüssig erklären, warum unbedingt am 21.03. der Beschluss herbeigeführt werden muss. Warum diese Eile? Zumal fast nichts belastbar geklärt ist. Auch die SPD erklärt in ihren PM die Eile nicht. Kann sie wohl auch nicht.
Es hat den Anschein, dass die SPD und die Grünen die Innenstadt bereits aufgegeben haben und ein neues Zentrum in Bahnhofnähe fördern wollen. Das abgestimmte Konzept zur Fürderung der Innenstadt wurde wohl schon längst in die Tonne getreten – ohne Diskussion, versteht sich.
Während früher ECE die innerstädtische Strukturpolitik gemacht hat mit dem Ergebnis des Aufbaus der Schloss-Arkaden und dem erkenntnisreichen Rückzug aus dem Innenstadtbereich, macht nunmehr anscheinend die BRAWO Bank diese Politik und verlegt das Zentrum in Richtung Bahnhof. Das erklärt aber nicht die Eile. Wahrscheinlich kennen die SPD und die Grünen die massiven Schwächen des Bauprojekts und wollen keine Diskussionen in der Stadt.
Es ist festzustellen, dass die Stadtverwaltung den Niedergang des Einzelhandels aktiv mitgestalten will.
Dafür ist nicht nur der Rückbau der 2-Stunden-Parkplätze im Ring (innerhalb der Okerumflut) verantwortlich.
Vielmehr setzt die Braunschweiger Stadtverwaltung alles daran, die Innenstadt an den Hauptbahnhof zu verlagern.
Als sich die Stadtverwaltung für das Gebäude neben der Toblerone entschied, war VIELLEICHT noch nicht absehbar, dass die Kaufhof Galeria (am Bohlweg) leer steht.
Nun steht auch das HaG in der Poststraße leer, und auch dieser Teil der Innenstadt verödet.
Ob und wie lange das Galeria-Haupthaus (in der Schuhstr.) noch am Leben erhalten wird, ein nachhaltiges Konzept wird sich nicht mehr etablieren können, da auch die notwendigen Investitionen nicht kommen werden.
Wir sehen im Ruhrgebiet, wie sich Städte durch Verzögerungen und Fehlentscheidungen gegenseitig das Leben schwer machen.
Vielleicht ist es einigen noch nicht bewusst:
Es gibt das Internet.
Karstadt hat den Anschluss an das WWW verschlafen.
Wenn man Bauvorhaben hat, die Leben und Frequenz bringen, dann muss man sie in die Innenstadt holen und nicht einen Neubau an den Stadtrand/Hauptbahnhof verlegen.
Die Kosten für den notwendigen Umbau der bestehenden Gebäude mögen hoch sein, aber der volkswirtschaftliche Schaden, der durch diese Fehlplanungen entsteht, wird die Bürger und Steuerzahler der Stadt auf lange Dauer treffen.
Die Stadtverwaltung hat weiter ihr Auskommen.
Die betroffenen braunschweiger Bürger aber nicht!
Und was wird das dann?
Eine Innenstadt mit teurem Edelkonsum und Eigentumswohnungen fuer Wohlhabende, umgeben von Schlafstaedten mit Lebensmittellaeden (mehr Einrichtung passt in die kleinen Wohnungen nicht, ausser den Insassen) fuer den arbeitenden Niedriglohnsektor im Pflege-, Bildungs- und Sicherheitsbereich?
Keine Heimat, nur ein Standort, bewacht von Kameras mit KIs …
Jetzt weiss ich auch, woran mich der Bahnhofkomplex erinnert: an Gotham City aus den Batman-Filmen.