Projekt Konzerthalle: Leuchtturm oder finanzielles Blackout?

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Gerd Altmann auf Pixabay

Am 21. März kann der Rat nicht sinnvoll entscheiden

Der Oberbürgermeister hat es auffällig eilig. Die Pläne für ein Konzerthaus plus Musikschule sind gerade erst vorgestellt worden, da soll der Rat schon die Weichen stellende Entscheidung treffen, am 21. März – kaum fünf Wochen später. Keine endgültige Entscheidung? In mehrfacher Hinsicht eben doch! Der Rat soll beschließen, dass nicht nur eine Musikschule geplant werden soll, sondern zusätzlich ein Konzerthaus mit 1000 Sitzplätzen. Und er soll beschließen, dass das Ganze in Viewegs Garten platziert werden soll. Der architektonische Wettbewerb, die baulichen Untersuchungen, das künstlerische Konzept – all das muss sich an diese Vorgaben halten, wofür nun immerhin die Ausgabe von 500.000 Euro beschlossen werden soll.

Konzerthalle aus finanziellen Gründen höchst fragwürdig

Dabei wird immer deutlicher, dass das Projekt aus mehreren Gründen höchst fragwürdig ist.

Schon für die Sanierung der Stadthalle sind 140 Millionen Euro erforderlich, teilt der OB am 1. März mit. Einen Tag später veröffentlicht er ein Schreiben an Bund und Länder, in dem er erwähnt, dass das Großprojekt der Modernisierung des Klinikums „weit über eine halbe Milliarde Euro“ kostet, allein im Zeitraum 2020 bis 2024 sei ein städtischer Vorschuss von „voraussichtlich über 110 Millionen Euro“ erforderlich; dabei ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass Bund und Land für die fehlenden Hunderte von Millionen einspringen werden. Vor allem aber wird im Jahr 2035 eine Schuldenlast von 600 bis 800 Millionen aus dem Abwassergeschäft auf die Stadt zukommen, wie die Verwaltung am 2. Februar im Finanzausschuss berichtete; wie diese Last bewältigt werden soll, ist vollkommen unklar. Von anderen Aufgaben, die sich aus dem Klimawandel oder der Schulsanierung ergeben, gar nicht zu reden.

Finanzierungsfrage wird vor sich hergeschoben

Angesichts dieser schwierigen Finanzlage nun noch ein Projekt anzugehen, das wohl noch einmal an die 100 Millionen Euro (oder mehr) verschlingen würde? Das kann nicht gut gehen! Der OB ist denn auch bemüht, die Finanzierungsfrage aus der Entscheidung am 21. März herauszuhalten: man werde 2025, wenn der endgültige Beschluss zur Umsetzung des Projekts anstehe, „belastbare Aussagen zum erforderlichen Investitionsvolumen“ vorlegen; blumig formuliert er weiter, dann sei auch über „alternative Finanzierungsvarianten“ zu reden (Beschlussvorlage vom 21.2.2023). Immerhin deuten die Grünen in ihrem Änderungsantrag an, dass die „finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt“ dem Projekt entgegenstehen könnte; es dürfe keine „Schieflage des Haushalts“ entstehen. Falls das Projekt nicht umgesetzt werden könne, solle „prioritär die Musikschule mit kleinem Saal zeitnah verwirklicht werden“. Offenbar sind das aber Fragen, die geklärt sein müssen, bevor man die Planung für ein 100-Millionen-Projekt (für immerhin eine halbe Million Euro) in Auftrag gibt, die dann eventuell in der Mülltonne landet. Schon deshalb wäre die Zustimmung am 21. März ein Fehler, auch wenn der OB–Antrag durch die grünen Änderungsvorschläge ergänzt würde.

Weitere wichtige Fragen müssen vorher geklärt werden

Und es gibt noch andere wichtige Gesichtspunkte, die zu klären wären, bevor man Planungen und bauliche Untersuchungen auf den Weg bringt. Der Arbeitsausschuss Innenstadt (AAI) etwa spricht sich für einen Standort in der Innenstadt aus; er könnte sich vorstellen, dass das Projekt im seit Längerem leerstehenden Kaufhof – Gebäude realisiert werden könne. Auch die CDU sieht das Projekt „nicht zwingend im Bahnhofquartier“, dem Ziel der Belebung der Innenstadt werde so eher entgegengewirkt; auch sie vermisst einen Finanzierungsplan für das Projekt insgesamt. Ähnlich die FDP. Stimmen aus der BIBS, der Linken und der AfD lehnen zudem den Eingriff in den Park ab. Die FRAKTION (Linke, VOLT und DIE PARTEI) lehnt den Beschlussantrag des OB gut begründet ab, weil er eine ergebnisoffene Prüfung aller möglichen Planungsvarianten und Standorte unmöglich macht.

Entscheidung am 21. März wäre Entscheidung ins Blaue

All das zeigt: die Stadtgesellschaft, die Parteien und die Ratsvertreter beginnen gerade erst sich ihre Meinung zu bilden. Vor allem brauchen sie zunächst genauere Informationen, etwa über die finanzielle Gesamtlage der Stadt und über mögliche Alternativen, sei es zur Frage des Projektes oder zur Frage des Standortes. Erst auf dieser Grundlage können sie eine gut durchdachte Entscheidung treffen. Am 21. März können sie das nicht.

Es wäre eine Entscheidung ins Blaue hinein. Die Grünen, ohne die der OB-Antrag keine Mehrheit finden kann, haben nun eine besondere Verantwortung.

Auch das Argument, der „finale Umsetzungsbeschluss“ stehe ja erst im Jahre 2025 an, kann nicht überzeugen. Denn dann würde es im Wesentlichen nur noch die Entscheidung zwischen „ja“ und „nein“ geben. Im Falle der Ablehnung müsste dann die Suche nach Alternativen und praktikablen Lösungen von vorne beginnen. Die Realisierung einer neugebauten Musikschule wäre dann mit Sicherheit um weitere Jahre verzögert. Vielleicht sogar gar nicht mehr realisierbar.

Schon im Jahr 2019 wurde die Verwaltung beauftragt, die Planung für eine Musikschule aus einem Guss plus Konzert- und Probensaal mit 199 Sitzplätzen voranzutreiben. Nun, vier Jahre später, legt sie nicht diesen Plan, sondern einen deutlich anderen Plan vor. Denn es ist klar, dass man mit einer Konzerthalle mit 1000 Sitzplätzen in ganz andere finanzielle Dimensionen vorstieße, als wenn man beim ursprünglichen Musikschulprojekt bleiben würde. Es mag sein, dass die Verwaltung schon zwischendurch über ihre geänderten Absichten am Rande informiert hat. Aber erst jetzt haben alle in voller Klarheit vor Augen, welches Projekt auf den Weg gebracht werden soll. Und dabei handelt es sich wahrlich nicht nur um eine kleine „Ergänzung“. Da ist es nur recht und billig, wenn allen Beteiligten der Raum und die Zeit gegeben wird, den sie für eine sachgerechte Entscheidung benötigen. Schnellschüsse gehen meist daneben.

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