Neujahrsempfang der SPD: Partei muss „Einiges besser machen“

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Ministerpräsident Stephan Weil forderte die SPD-GenossInnen beim Neujahrsempfang zu mehr Selbstbewußtsein auf. Foto: Klaus Knodt

„Das Jahr 2019 wird für Europa richtungsweisend“ – mit diesen Worten hatte Braunschweigs SPD-Vorsitzender Dr. Christos Pantazis zum traditionellen Neujahrsempfang des Unterbezirks in den Kongresssaal der Stadthalle geladen. Und wohl nicht nur für Europa, befürchtete so manche/r GenossIn. Sondern vor Allem auch für die SPD.

 

Als Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Braunschweig begrüßte Dr. Christos Pantazis MdL die Gäste des Neujahrsempfangs. Foto: Klaus Knodt

Im Bundestrend dümpelte die Partei zuletzt bei mageren 14 Prozent gleichauf mit den Rechten der AfD. Die Grünen sind laut Prognosen meilenweit enteilt. Drei Landtagswahlen stehen an in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Dazu die Bürgerschaftswahl in Bremen und zeitgleich Ende Mai die Wahl zum Europäischen Parlament. Braunschweigs SPD-Chef übte sich in Galgenhumor: „Es liegen draußen an den Tischen noch Beitrittsformulare aus.“ Gelächter im Saal.

 

Mitglieder, Amts- und Mandatsträger zeigten beim Neujahrsempfang der SPD sichtbar ihre Geschlossenheit. Foto: Klaus Knodt

Der war übrigens prall gefüllt, einige Gäste mussten sogar stehen. Um Geschlossenheit zu zeigen, waren alle Mandats- und Amtsträger der Region vor Ort: Sozialministerin Dr. Carola Reimann, alle Landtagsabgeordneten der Region, Oberbürgermeister Ulrich Markurth, Europa-Parlamentarier Bernd Lange und – Ministerpräsident Stephan Weil. Der nutzte sein Grußwort geschickt, um die Leistungen seiner Regierung heraus zu stellen: „Wann ging es Niedersachsen je so gut wie heute? Wir haben über 3 Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs im Land, und Braunschweig ist ganz vorneweg.“ Er halte nichts von denen, die versuchen, „alles schlecht zu reden und mies zu machen“. Und fast beschwörend rief er den GenossInnen zu: „Ein gewisses Maß an Selbstbewußtsein dürfen auch die Mitglieder der SPD zeigen. Wir haben überhaupt keinen Grund, mit dem Kopf unter’m Arm herum zu laufen.“ Die SPD sei eine Partei der Integration und „völlig unverzichtbar für die arbeitenden Menschen“. Das erwärmte die Seele der vielen Gewerkschaftsvertreter und Betriebsräte im Saal ebenso, wie die der Sozialverbände.

 

Oberbürgermeister Ulrich Markurth (links) und Ministerpräsident Stephan Weil hoben in ihren Grußworten die Verdienste der SPD heraus. Foto: Klaus Knodt

Sein Vorredner, Oberbürgermeister Ulrich Markurth, hatte bereits ähnliche Töne angeschlagen: „Wir haben nicht nötig zu sagen: Entschuldigen Sie, dass ich Sozialdemokrat bin.“ Man hole beim bezahlbaren Wohnen in der Stadt nach, wo viel versäumt worden sei. Stadtbahnausbau, Bildungsgerechtigkeit, der Bürgerdialog ISEK, die Sicherheit in der Stadt würden vorangetrieben. „Wir schaffen in Braunschweig so viel neuen Wohnraum wie seit den 70er Jahren nicht mehr“, so der OB. Und auch wenn man sich Sorgen über Steuerausfälle bei VW mache, sei die Stadt eine mit der geringsten Nettoverschuldung bundesweit. „Dazu muß man aber auch Kompromisse eingehen und darf individuelle Interessen nicht über das Gemeinwohl stellen“, so der OB.

 

Bernd Lange, Mitglied des Europaparlaments und Vorsitzender des Handelsausschusses, hielt die Festrede zum Neujahrsempfangs. Foto: Klaus Knodt

Wie wichtig eine starke Sozialdemokratie im Europäischen Parlament sei, hob MdEP Bernd Lange (Vorsitzender des Handelsausschusses) hervor. In einem weiten Bogen über Trump, Strafzölle (die insbesondere Salzgitter treffen), den Brexit, „Dexit“-Ängste, Ungarn, den „Länderwettbewerb der Steuersätze“ innerhalb der EU, chinesische Dumpingarbeit und ungerechte EU-Mindestlöhne beschrieb er detailliert und fachkundig den Bankrott des derzeitigen politischen Handelns in Brüssel. „Er wird seinen Plan für Europa bei unserem Neujahrsempfang vorstellen“, hatte Gastgeber Pantazis versprochen. Verhaltener Beifall im Saal bewies, dass die Beschreibung des jämmerlichen Status Quo den Gästen zu wenig Perspektive eröffnete. Die Fraktion der Sozialdemokraten und Sozialisten im EP besitzt nur ein Viertel der Stimmen – zuwenig, um etwas zu tun für die „steigende Zahl der Menschen ohne Arbeitsverträge“ (Lange). Sowas nennt man Defätismus. Oder, freundlich ausgedrückt: der Genosse Bernd Lange sprühte nicht gerade vor optimistischen Ideen. Aber das ist, so ganz old-fashioned, ja auch nicht der Sinn einer saturierten Opposition.

„Die SPD muss nicht alles anders, aber Einiges besser machen“, hatte Pantazis bereits zu Beginn der Veranstaltung in seinem Grußwort angemahnt. Er sehe 2019 als „ein Jahr der Weichenstellung“ für die Partei an. Er erinnerte die GenossInnen: „Der Aufschwung kommt bei Vielen nicht an.“ Hier müssten Braunschweig und Niedersachsen beispielhaft vorangehen.

Bemerkenswert für den aufmerksamen Beobachter war, dass die Begriffe „GroKo“, „Nahles“, „Grüne“, „Hartz-IV-Reform“, „Dieselgate“ oder „Energiewende“ von keinem der Redner angesprochen wurden. Stattdessen wurde „ein schweres Jahr hinter uns“ (Pantazis) beweint und „Lust und Mut auf die Zukunft“ (Markurth) beschworen. Eine inhaltlich doch recht vage Perspektive.

Doch tiefere Diskussionen über politische Inhalte sind bei Empfängen dieser Art ohnehin unerwünscht. Es ging darum, der treuen SPD-Anhängerschaft das „Wir-Gefühl“ mitzugeben – für ein vermutlich sehr schweres Jahr.

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