Latte macchiato unter kranken Kastanien

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Pflanzen zeigen oft die Umweltsituation an. Zumindest dann, wenn mit ihnen schlecht umgegangen wird. Sie machen sich bemerkbar, wenn ihnen die Umgebung nicht gefällt, wenn sie hungern oder dürsten, wenn die Luft schlecht ist und gelegentlich auch, wenn ihnen Gesellschaft fehlt. Sie sind halt Lebewesen.

Bäume werden oft missverstanden, weil sie nicht so schnell reagieren wie wir Menschen.  Sie reagieren langsam auf Missstände, oft sehr langsam – dafür aber unmissverständlich und nachhaltig. Bäume zeigen nicht nur die Umweltsituation sondern auch den Zustand einer Gesellschaft an. An Bäumen kann erkannt werden, wie eine Gesellschaft mit Lebewesen umgeht.

Betrachten wir den Umgang mit innerstädtischem Grün doch einmal genauer: Bäume werden planvoll zur Deko degradiert. Grüne „Wohlfühlinseln“ in Betonwüsten, geplant von Reißbrett-Menschen, von kalt kalkulierenden Umsatzrobotern, beraten von den allgegenwärtigen und inzwischen alles bestimmenden Juristen. Wenn man Bäume nur noch eigennützig als Schattenspender braucht oder als grüne Insel in einer Asphalt-Beton-Landschaft, als wohlgesetztes (K)übelgrün oder als Architektentrost für Betonfassaden (Efeu), dann können sie auch krank werden und sterben. Kein Wunder! Anstatt der entgrünten Stadtlandschaft gibt es dann blühende Landschaften und gewundene Bachläufe nur noch auf Postern, Kalendern, Postkarten, Kühlschrank-Magneten und so weiter… Sentimentale Träume einer heilen Welt überm Kinderbettchen.

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Totes Efeu am ECE-Warenhaus

Den Kastanien am Ritterbrunnen geht es immer schlechter. Die Blattschäden sind stärker geworden, der Zuwachs geringer, die Belaubung schütterer. Das trifft nun auch auf die rote Kastanie zu, die bisher weniger betroffen war. Herr Jonscher von der Braunschweiger Zeitung hat die möglichen Ursachen am 17.08.2010 beschrieben. Nun gibt es auch noch den Befall mit der Wolligen Napfschildlaus. Den armen Bäumen bleibt auch nichts erspart und den Gästen der zwei Cafes wohl auch kaum – die Wollläuse haben die unangenehme Eigenschaft, viel Honigtau abzusondern, und der klebt dann auf dem Außen-Mobiliar.

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Wollige Napfschildlaus an roter Kastanie am Ritterbrunnen

Alle Kastanien zeigen Symptome auf, die stark auf Streusalzschäden hinweisen. Insbesondere die rote Kastanie hat die typischen Symptome von Streusalzschäden (zunehmend brauner vertrockneter Blattrand, gelbe Übergangszone zum grünen gesunden Gewebe; siehe pdf).

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altBlattschäden an roter Kastanie im Vergleich zu gesunder Kastanie

Bei der Ursachenanalyse tappt die Verwaltung immer noch im Dunkeln. Eine Blattanalyse wurde durchgeführt. Ergebnis: Nicht erklärbar schwankende Werte beim Bor – mal zu hoch, mal zu niedrig. Diese Schwankungen können an dem Verfahren der Probenahme und Aufbereitung liegen. Das Element Bor, das die Pflanze als Spurennährstoff für die Zellteilung braucht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Ursache der Schäden sein. Die Symptome von Borschäden können bei massiven Überkonzentrationen zwar auch braune Nekrosen sein, sie haben jedoch eine andere Verteilung auf dem Blatt.

Der Verwaltung müssen Fragen gestellt werden:

  1. Hat sie bei der Interpretation der Ergebnisse einen ausgewiesenen Fachmann hinzugezogen?

  2. Ist der Chloridgehalt der Blätter gemessen worden?

  3. Falls gemessen: Wie wird der Chloridgehalt der Blätter interpretiert? Wurde bei der Interpretation die besondere Salzempfindlichkeit der Kastanie berücksichtigt?

  4. Hat die Verwaltung in den letzten Jahren alles getan, um das Ausbringen von Streusalz im Bereich des Ritterbrunnens zu verhindern?

  5. Kann ausgeschlossen werden, dass die Grundstücksbesitzer Streusalz ausgebracht haben?

  6. Sind die Bäume in der vergangenen Vegetationsperiode und im Frühjahr dieses Jahres stark bewässert worden?

  7. Beobachtet die Verwaltung nach dem Aufheben des Streusalz-Anwendungsverbots die Entwicklung der Straßenbäume?

Aber es geht nicht nur um die richtige Diagnose oder um technische Schutzmaßnahmen und um Erkenntnis. Es geht auch um die Frage, welche Einstellung haben die Bürger unserer Stadt und seine Entscheidungsträger zu Bäumen. Ein östliches Sprichwort sagt:

Bäume wachsen aus der Seele!

 

 

 

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