GRENZWERTE – nur noch Stammtischparolen

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Für jedes ökologische oder toxikologische Problem gibt es Grenzwerte. Verfolgt man die derzeitige Diskussion, scheint ein Grenzwert zunehmend etwas Böses zu sein. Etwas, was uns am Autofahren hindert, wegen Stickoxide, Feinstäube und Kohlendioxid. Etwas, das das Essen und Trinken vermiest (Pestizide, Stickstoff, Antibiotika). Etwas, was uns am kräftigen Durchatmen bei der Arbeit hindert (Maximale Arbeitsplatzkonzentration /MAK von Luftschadstoffen), usw. Unser Leben wird schlicht von Grenzwerten begrenzt. Das freie Leben der freien Bürger – eine einzige Begrenzung. Nicht mal mehr einen Diesel darf man fahren, geschweige denn einen russenden.

Mit Verlaub, ich bin heilfroh, dass es Grenzwerte für alles Mögliche in unserem modernen Leben gibt. Ohne Grenzwerte wäre unser Leben nicht auszuhalten. Dank unserem klug vorsorgenden Staat und unseren Wissenschaftlern, die naturwissenschaftlich begründete Werte ermitteln, damit die Politik daraus Grenzwerte entwickelt, damit wir alle gesund bleiben. Doch gibt es leider auch verantwortungslose und /oder dumme Politiker, was in unseren Tagen besonders deutlich wird. Lesen Sie hier einen Kommentar von Jens Berger, eines kritischen Journalisten.

Das Problem: Die wenigsten Menschen verstehen etwas von Grenzwerten und Grenzwertsetzung. Vertrauen in die wissenschaftliche Erkenntnis ist also angesagt. Schlimm ist, Sachkundige stellen einfach mal so eben Grenzwerte infrage und treten eine hoch unsachliche Diskussion los. Das untergräbt Vertrauen. Da fragt man sich doch warum? Es gibt nur zwei starke Motive: Finanzielle Zuwendung oder Eitelkeit, wahrscheinlich Letzteres.

Gerade die Sachkundigen wissen doch wie schierig das Thema Grenzwerte ist. Das kann man nicht mal so eben in der Talkshow, so zwischen Tür und Angel, für alle rasch erklären. Dieses Verhalten ist Scharlatanerie – auch weil das Thema zu ernst ist und Vertrauen untergräbt.

Nur so viel sei hier zunächst erwähnt: Die Grundlagen der Grenzwerte werden nach weltweit einheitlichen Methoden (OECD-Standard), die mehrfach in wissenschaftsbasierten internationalen Ringstests, oft über viele Jahre überprüft wurden, beschrieben und festgelegt. Auf dieser wissenschaftlichen Grundlage wird der Grenzwert politisch festgelegt. Politisch deshalb, weil die Grenzwertfestlegung vor allem eine soziale Frage ist. Denn wie hoch ein mögliches Risiko (z. B. durch Luftschadstoffe oder Trinkwasserkontamination) von der Bevölkerung tragbar ist, kann nur politisch beantwortet werden. Ein Naturwisenschaftler hat  dafür nicht das politische Mandat.       

Ein Grenzwert ist selten der Wert an dem ein Schaden auftritt oder auftreten kann. Zahlreiche Sicherheitsfaktoren werden eingerechnet. Das allein schon deshalb, weil Menschen körperlich sehr unterschiedlich sind und oft auch Tierversuche durchgeführt wurden, deren Erkenntnisse nur begrenzt auf Menschen übertragbar sind. Weitere Sicherheitsfaktoren werden eingerechnet aufgrund des Verhaltens von Menschen (z. B. Verzehrsgewohnheiten oder Expositionsbedingungen (Summe der Umgebungseinflüsse)). 

Weil nicht alle Stoffe in der Umwelt hinsichtlich ihres Risikos untersucht und Grenzwerte festgelegt werden können, werden z. T. Leitstoffe genutzt. Diese gelten als Indikatoren. Das heißt, der Leitstoff zeigt an (indiziert), wann die anderen Stoffe den Grenzwert überschritten haben. Diese relative Unsicherheit des Nichtwissens ergibt Restrisiken, die bei der Grenzwertsetzung Berücksichtigung finden.

Aber letztendlich gilt: Kein Verhalten ist ohne Risiko. Es stellt sich nur immer wieder aufs neue die Frage, welche Restrisiken die Bevölkerung bereit ist zu tragen. Das muss politisch immer wieder neu ausgehandelt werden. Kurzatmige Talkshowevents und populistische Stellungnahmen sind völlig fehl am Platze und damit unverantwortlich.

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