Die Wälder des Nordens geraten aus den Fugen

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Kronenbrand in der Taiga

Vor kurzem berichteten wir in den Kurzmeldungen: In Sibirien war es nördlich des Polarkreises von Januar bis Oktober mehr als fünf Grad wärmer als etwa im Schnitt von 1981 bis 2010.

Die dramatischsten Ereignisse für das Weltklima finden, wie wenig bekannt ist, zur Zeit in den subpolaren Gebieten statt!

Nördlich des Polarkreises liegt die Tundra (Kältesteppe), südlich davon liegt überwiegend die Taiga. Bei beiden ist der Permafrostboden gefährdet. An der sibirischen Nordküste liegt die Ostsibirische See, in dieser können bei Erwärmung große Mengen Methan freigesetzt werden.

Um zu zeigen wie dramatisch diese Nachrichten für das Weltklima sind, möchte ich hier auf die Bedeutung des borealen Waldes, bekannt als „Taiga“ oder „Schneewald“, eingehen.

Die natürlichen Abläufe im borealen Wald.

Die Taiga erstreckt sich von Nordeuropa über Sibirien, Mongolei, Japan, Alaska und Kanada. Sie bedeckt 14 Millionen km², das ist knapp 1,5 mal so groß wie Europa und entspricht knapp 10% der kontinentalen Landmasse. Sie ist der größte zusammenhängende Waldkomplex der Erde und die wirtschaftlich wichtigste Waldregion.

Die Taiga – dunkelgrün: immergrüner Wald, hellgrün: sommergrüner Wald, gelb: Laubholzauen Foto: [2]

Der boreale Wald wird überwiegend von Fichten geprägt. Die flächenmäßig geringeren Laubwälder der Taiga bestehen besonders in Kanada aus Espen (Zitterpappeln). Birken und Kiefern spielen mehr eine Rolle bei der Regeneration der Wälder. Die Fichten und Espen sind sehr widerstandsfähige Bäume, solange sie nicht unter Trockenheit leiden. Anders als in unseren Wäldern ist der Boden überwiegend mit Pflanzen bedeckt. Im jungen Wald viel von Heidelbeeren, später von Moosen und Flechten. Die von Moosen geprägte Oberfläche spielt ein bedeutende Rolle. Der Boden ist sauer und wird von den herunterfallenden Fichtennadeln immer sauerer. Der Abbau der organischen Stoffe findet kaum noch statt. Herunterfallende Äste verschwinden unter dem Moos. Je älter und saurer der Wald wird, um so weniger Bäume gibt es und eine dicke Moosschicht dominiert die Flächen. Eine weitere Konservierung der organischen Stoffe findet dort statt, wo der Permafrostboden die unteren Schichten dauerhaft gefriert. Dies geschieht überwiegend in Sibirien. Dort wo die Taiga auf Permafrostboden steht, werden die organischen Stoffe seit der letzten Eiszeit abgelagert. Diese Prozesse sind der Grund, warum die Taiga als Kohlenstoffsenke eine so große Bedeutung für das Weltklima hat. Der intakte boreale Wald speichert doppelt soviel Kohlenstoff, wie alle tropischen Regenwälder zusammen (Pro Jahr entstehen 5–6 t/ha Trockenmasse neu). Der tropische Urwald hat eine enorme Wuchskraft, aber das CO2 bleibt in der Regel im Kreislauf.

Der boreale Wald initiiert durch seine chemischen Ausdünstungen, den wir als Duft des Waldes wahrnehmen, eine dichte weiße Wolkendecke, die Licht und Wärme in den Weltraum zurück reflektiert und damit den Klimawandel verlangsamt.

Das Feuer

Das Abbrennen der Taiga ist ein natürlicher Prozess, der in den trockeneren Gebieten alle 50-100 Jahre, in den feuchteren alle 300-500 Jahre stattfindet.

Der Wald wird nach vielen Jahren ( hundert und mehr Jahren) immer karger. Durch das Feuer wird der Boden durch die Asche und das Abbrennen der Oberfläche wieder fruchtbar und innerhalb von 15 Jahren wächst wieder ein neuer Wald heran, der die ganze Oberfläche bedeckt. Es gibt Fichtenarten, die das Feuer regelrecht brauchen, um den Samen abzugeben. Diese fördern das Feuer, z.B. durch tote Zweige bis zum Boden (mehr in Kanada). Die Waldkiefer (mehr im sibirische Wald) macht das Gegenteil und schützt sich vor dem Feuer um wieder austreiben zu können. Die Pappeln dagegen überleben in den Wurzeln.

Der Fichtensamen wird durch Feuer freigesetzt. Foto[1]

Es gibt in der Taiga drei verschieden Typen von Waldbränden:

das Oberflächenfeuer, das im Wesentlichen nur die Oberfläche abbrennt und wenig Schaden hinterlässt, das seltene Grundfeuer, das zusätzlich die Moos- und Torfschicht abbrennen lässt und die Kronenbrände, bei denen zusätzlich die Bäume abbrennen. Die Kronenbrände geben etwa 2,6 kg Kohlenstoff pro m² frei, das Oberflächenfeuer etwa 1,3 kg. Die Kronenbrände sind häufiger in Kanada, wodurch dort langfristig nicht soviel Kohlenstoff wie in Sibirien gebunden wird.

Die Kronenbrände sind außerordentlich aggressiv. Sie können plötzlich die Richtung wechseln und auch springen. Über dem Feuer entstehen Pyrokumuluswolken. Diese Wolken schicken dem Feuer trockene Blitze voraus, die den Wald zusätzlich weit im voraus entzünden. Diese Feuer sind sehr schwer zu bekämpfen.

Die natürlichen Abläufe geraten aus den Fugen.

Durch die Wärme infolge des Klimawandels reicht das Regenwasser nicht mehr aus, um die Böden ausreichend feucht zu halten. Durch die Trockenheit werden die ehemals sehr widerstandsfähigen Bäume geschwächt. Hierdurch werden Insekten, die schon immer da waren plötzlich zu einer Bedrohung. So sind die riesigen Espenwälder Kanadas in den letzten 10 Jahren zu 2/3 abgestorben.

Die Trockenheit und die vielen abgestorbenen Bäume führen zu viel größeren Kronenbränden als in der Vergangenheit. Obgleich die Kronenbrände nur 3% der Feuer ausmachen, gehen auf diese 97% der Schäden zurück. Allgemein gilt: die Feuer werden häufiger, größer und intensiver.

Die Städte ersticken im schwarzem Kohlenstoff–Ruß :

Von Rauschschwaden durchzogene Städte Videoschnappschüsse aus dem Film „Die Wälder des Nordens“

Mitten in der Taiga befindet sich die 900 km² große Ölsandgrube bei Fort McMurray in Kanada. Für die Gewinnung des Öls produziert diese Grube 10% des menschlich produzierten Treibhausgases Kanadas. 2016 kam ein gewaltiges Feuer auf die idyllische Stadt am Rande der Grube zu (abgebrannte Fläche 5.900 km²). Obgleich nur ein kleiner Teil der Stadt abbrannte, war es mit 10 Milliarden € die teuerste Katastrophe in der Geschichte Kanadas:

Das Feuer rast auf Fort McMurray zu Foto:[1]

Die größte Gefahr geht vom tauendem Permafrostboden aus

Wenn die Temperatur steigt und der Schutz der Wälder fehlt, beginnt der Permafrostboden zu tauen. Die großen Mengen Kohlendioxid und das Methan, das im gefrorenem Boden konserviert wurde, kommt wieder in den Kreislauf. Methan ist übrigens ein 30-mal wirksameres Treibhausgas als Kohlendioxid.

1,4 Millionen km² sind temporär nicht bewaldet durch Sturm, großflächigen Insektenfraß oder menschliche Aktivitäten. Fichtenbäume haben in der Taiga nach 75 Jahren erst einen Durchmesser von etwa 10 cm und trotzdem wird der boreale Wald stark durch Abholzen bedrängt. Abgeholzter Wälder können sich nicht so gut regenerieren wie abgebrannte Wälder. Vielleicht sollte man auf abgeholzten Flächen wenigstens einen Oberflächenbrand auslösen.

Die Abholzungen der Taiga in Kanada belaufen sich jährlich auf die ungeheure Fläche von über 4.000 km². Aber das wird von den Abholzungen in Sibirien lässig in den Schatten gestellt mit 64.000 km². Zusammen ist das fast die Fläche Bayerns – jedes Jahr!

In den subpolaren Gebieten ändert sich das Klima 2 bis 3 mal so schnell wie anderen Gebieten der Welt.

Fazit: der Klimawandel beschleunigt sich selber, indem er die Kohlenstoffsenken beseitigt.

Ein großer Teil der Informationen stammen aus dem Film „Die Wälder des Nordens“. Dieser kanadisch, russisch, japanische Film kommt anfangs wie ein Naturfilm daher, er erklärt dann aber den borealen Wald gut und anschaulich. Der 52 minütige Film der dieses Jahr auf Arte gelaufen ist und 2019 produziert wurde, ist sehr zu empfehlen.

Fotos:

[1] Videoschnappschüsse aus dem Film „Die Wälder des Nordens“
[2] Wikipedia

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