Darf Stadt Bein zeigen?
Grüne und Gleichstellungsbeauftragte sind offenbar der Meinung, Frauen würden durch diese Abbildung von Frauenbeinen herabgewürdigt, denn: "die Frauenbeine stehen nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Produkt, für das es wirbt" - so die Aussage. Das Produkt, für das geworben wird, ist die "Einkaufsmöglichkeit" in Braunschweig - d. h. die Möglichkeit, die Braunschweig nackten Frauenbeinen bietet, mittels überlassung eines kleineren oder größeren Geldbetrages ein kleineres oder größeres Stück Textil zu erwerben, mit dessen Hilfe man den Körper bzw. das Körperteil vom Zustand der Nacktheit in den der Verhülltheit versetzen kann. Ich denke, es kann ein legitimes Ansinnen von Frauen sein, die von nackten Beinen getragen werden, diese auf die eine oder andere Weise teilweise oder ganz zu verhüllen und ich denke, das Versprechen, dass Braunschweig die Möglichkeit bietet, ein solches Ansinnen in die Wirklichkeit zu überführen, ist folgerichtig und sachgerecht ins Bild gesetzt worden. (Deswegen muss man das Bild ja nicht unbedingt mögen.)
Ralf Ehlers schreibt und meint nun, dass es bei der Reaktion der Grünen um "Aufrechterhaltung überkommener Herrschaftsverhältnisse von Frauen über Männer" geht - wenn ich das richtig verstehe.
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Wie auch immer: ich möchte nicht in einer Republik leben, in der es Frauen verboten ist, in der Öffentlichkeit "Bein zu zeigen", wenn sie es denn möchten. Kann doch ein nacktes Gesicht eine viel eroterische und "anziehendere" Wirkung haben als ein nacktes Bein. Dennoch (vielleicht auch deshalb) möchte ich auch nicht in einer Republik wohnen, in der es Frauen verboten ist, in der Öffentlichkeit "Gesicht zu zeigen". Ein Gesicht kann solche Wirkung durch Verstärkung der Physiognomik (z. B. Lippenstift) und Mimik unwillkürlich oder willkürlich kontrolliert hervorrufen, wie Beine das durch Stellung, Bewegung und Bekleidung ebenfalls unwillkürlich oder willkürlich kontrolliert können. - Schlimm?
Im Anschluss einige nackte Beine, die Rubens ins Bild gesetzt hat. Gegenüber den Beinen in der Braunschweiger Werbung zeigen sie sich insofern depraviert, wie ihnen kein kleidsames Textil zur Hand liegt, das es ihnen erlauben würde, ihren Körper vom Zustand der Nacktheit in den Zustand der Verhülltheit zu überführen.
Die Braunschweiger Zeitung und ihr „Schloss“ oder die Verschiebung von Wahrheit (Teil 35)
Die Braunschweiger Zeitung zitierte gestern, am 2. Juni, Pressestimmen zum „Braunschweiger Schloss". Vorab wird der Tenor der Berichte zusammengefaßt: "Kunst- und Architekturzeitungen äußern sich kritisch, andere begeistert."
Aus Kunst- und Architekturzeitungen wird dann aber rein gar nichts zitiert, die genannten "Anderen" äußern sich zwar durchaus nicht nur begeistert – zitiert wird aber nichts wirklich Kritisches. Wenn denn aber schon ein kritischer Artikel zitiert wird, dann so, dass an der Kritik möglichst vorbei zitiert wird: niedere Demagogie paart sich mit höherer.
Schloss-Attrappen – nur ein Vorspiel zur Vertreibung der Farbe aus dem Stadtbild?
In der Juni-Ausgabe des populären Kunstmagazins „Art“ wurde auch aus dieser berufenen Quelle - anbei eine Collage aus Bruchstücken; eine ausführliche Wiedergabe würde einen Bruch des Copyrights bedeuten - ein Urteil abgegeben über die Braunschweiger „Schloss-Arkaden“: Was die Braunschweiger damit „bekommen haben, ist keine Rekonstruktion, sondern eine Attrappe“ heißt es, und:
„Hier handelt es sich schlicht um eine Mogelpackung“ - so das Fazit von „Art“ über die prätentiöse Prachtentfaltung des Braunschweiger Potentaten.
Dabei hatte es an gutem Rat durchaus nicht gefehlt.
So verwies im Juli 2003, als es noch nicht zu spät war, Professor Jürgen Weber in einem Extrablatt auf die „bizarre“ Vermischung von Klassizismus und Kommerz: „Die klassizistische Fassade hat keinerlei Identität mit der Kaufhaus-Architektur. Wo früher Festbälle abgehalten wurden, sollen jetzt Socken verkauft werden ... Eine Kulturschande und ein Schlag ins Gesicht des Klassizismus ... Wir machen uns damit unsterblich lächerlich.“ - mahnte Weber, aber vergeblich: die Spitze der Braunschweiger Verwaltung erwies sich als bemerkenswert beratungsresistent und immun gegen die Stimme der Vernunft.
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Richtigstellung zum BZ-Artikel „Beim G8-Gipfel: Bono singt, und Braunschweig trommelt“
Leider haben sich bei dem Artikel
Beim G8-Gipfel: Bono singt, und Braunschweig trommelt
von Ralph-Herbert Meyer einige Missverständnisse und Fehler eingeschlichen. Textpassagen jeweils fett-kursiv:
Attac Gruppe um Matthias Breuer…
Die genannte Person stand zum Gespräch mit der BZ bereit. Attac-Mitglieder bilden zusammen eine Gruppe gleichberechtigter Menschen. Eine „Führerschaft“, wie der Ausdruck andeutet widerspricht den Idealen Attacs.
Herbert Grönemeyer …
Tatsächlich findet an dem 7.Juni, weitgehend abgekoppelt von der allgemeinen Protestbewegung ein Konzert mit genannten Künstlern statt. Es nennt sich „Music and Message“ und wird koordiniert von der Grönemeyer-Initiative „Deine Stimme gegen Armut“.
(Zugesagt haben: Herbert Grönemeyer, Bono, Die Fantastischen Vier, Die Toten Hosen, Seeed, Silbermond, 2Raumwohnung, Sportfreunde Stiller)
Dieses Konzert (Eintritt 2,50) ist jedoch nicht Abschlusskundgebung einer Demo.
Der Braunschweiger Flughafen und die Kunst
In Braunschweig wird um die beabsichtigte Verlängerung der Startbahn des dortigen Flughafens gestritten und geklagt. Ein belastbarer und vor allem der Bevölkerung verständlicher Nachweis für den Bedarf einer Verlängerung konnte oder wollte bisher aber niemand erbringen. Vielleicht gelingt es nun der Kunst, den Braunschweigern bisher nicht gekannte Dimensionen des bisher unverstandenen Ausbaubegehrens ins Bewusstsein zu rücken.Dazu soll am 17. Juni 2007 (hatte dieser Tag nicht einmal eine ganz andere Bedeutung?) die deutsche Erstaufführung des Helikopter-Streichquartetts von Karlheinz Stockhausen auf dem Flughafen Braunschweig stattfinden. Dabei erhebt sich ein Streichquartett mit vier Helikoptern in die Lüfte - pro Streicher ein Helikopter. Dieses Musikerlebnis vermischt ohrenbetäubenden Maschinenlärm mit der Musik der in den Helikoptern eingesperrten Streicher. Das staunende Publikum hört und sieht dann in einer Flugzeughalle vor Lautsprechern und Fernsehschirmen mittels Telekommunikation jeden der vier Musiker in Nahaufnahme. Und das ganze dann gleich drei Mal, nämlich um 15, 17 und um 19 Uhr.
… ein Fluch auf diesem Schloss? …
Nicht nur Kulissen – Architektur in Braunschweig
In der Neuen Zürcher Zeitung widmet sich am heutigen Tage Jürgen Tietz der Stadt Braunschweig (Die Artikel der NZZ sind in der Regel nur einen Tag über das Internet abrufbar). Wie gewohnt in diesen Zeiten mit einem Blick auf die Schloss-Arkaden: "Willkommen in überall" - und wie gewohnt auch das Urteil: "Das architektonische Ergebnis ist enttäuschend. ..."
Mit einer Stimme Mehrheit fiel die Entscheidung für eine Rekonstruktion des Schlosses. Nun also ist es mit rund 600 alten Bausteinen zurückgekehrt, die bei dem Abriss geborgen worden waren. Dem stehen 8200 neu gefertigte Elemente gegenüber. Und obwohl die Presseerklärung der ECE stolz darauf verweist, dass am Schloss Handwerker mitgearbeitet hätten, die schon an der Dresdner Frauenkirche beschäftigt waren, verströmt der auf alt getrimmte Neubau bestenfalls den Charme einer Klötzchenarchitektur aus dem Steinbaukasten. In engen Abständen gesetzte Öffnungen für die Hinterlüftung der Fassade lassen das Schloss wie perforiert wirken. Das Ergebnis ist ein architektonisches Abreissbildchen, ein baugeschichtliches Pin-up, das für den Fortgang der Rekonstruktionswelle in Deutschland nichts Gutes erwarten lässt. Was einst als Residenz ausreichte, das genügt der ECE als Shopping-Mall bei weitem nicht. Und so hat der neue Einkaufstempel auch den einstigen Garten mit verschlungen, der das Schloss früher seitlich flankierte. Mit Glas und Beton, ein bisschen grün, ein bisschen kupferfarben, bietet der Neubau eine auf edel getrimmte Durchschnittsarchitektur. Mit ihrer vertikalen Strukturierung bemüht sie sich darum, die gewaltigen Abmessungen für die rund 30 000 Quadratmeter Verkaufsfläche auf ein erträgliches Mass herunterzuzoomen. Doch spätestens mit der Seitenansicht des Parkhauses endete alles architektonische Bemühen. Da spendet nur noch eine Fassadenbegrünung Trost - doch bis die sich gnädig über die nackten Wände ausbreitet, wird noch einige Zeit vergehen.
Aber ganz ungewohnt in diesen Zeiten, auch eine Ehrenrettung der Stadt in der NZZ. Denn, Architekt sei Dank: es gibt mehr in Braunschweig als nur die Schloss-Arkaden, anderen Umgang auch mit baulicher Vergangenheit. Tietz wirft einen Blick auf die ebenfalls gerade fertig gestellte Jakob Kemenate:
Die etwas versteckt am Eiermarkt gelegene Kriegsruine haben die Architekten Rainer Ottinger und Thomas Möhlendick zusammen mit dem Kieler Künstler Jörg Plickat wiederbelebt. Eine neue Fassade mit einer Verkleidung aus rostrotem Cortenstahl sowie ein Zwischenteil aus Stahl und Glas ergänzen nun das historische Mauerwerk und das alte Gebälk. Hier schreit nichts «Kauf mich! Jetzt!». Stattdessen beginnt die Architektur mit ihrer spannungsvollen Komposition und Materialsinnlichkeit harmonisch zu klingen, kraftvoll, aber nicht lärmend. Und so wird die Jacobs-Kemenate ganz im Gegensatz zur Beliebigkeit der Schlossarkaden zu einem regionalen Architekturerlebnis von überregionaler Qualität.
Gönnen auch wir uns hier einige Blicke auf die Jakob-Kemente:
Rätselhafter Osten
"Vergebliches warten auf die Wagenlenkerin Brunonia - Polnischer Fahrer lag schlafend in seiner Koje"
Glosse zum Artikel in der BZ
Wie Herr Jonscher in der BZ vom 7. Mai zum Besten gab, hat er aus sicherer Quelle erfahren, das es vor allem auch Schuld eines ‚pennenden’ polnischen Kraftfahrers war, dass die termingerechte Errichtung der Rietschel-Quadriga -und somit auch die groß angekündigte spektukuläre Enthüllung derselben- ins Wasser gefallen ist. Hoffmann und Borek stehen mit weißer Weste da; alles war bestens vorbereitet; erst in letzter Minute vermasselte ein Ausländer alles.
Ein Blick hinter die Schlosskulissen
"... Säulen im Bereich der Treppenanlage zonieren den langgestreckten Raum," gibt Yorck Stuhlemmer (1) - in zuckersüßem Architektendeutsch - die Baubeschreibung für den Zeitschriftenlesesaal im Südflügel der Schlossfassaden zum Besten. Und weiter: "An den Wänden entsprechen der Säulenstellung Pilaster(3), so dass die Deckenfelder darauf bezogene Kassatierungen erhalten."
Zwischen zwei Schmucksäulen ein Stück tragende Betonmauer, das weder in Lage, Größe, Form, das in keiner Weise mit den Säulen und Pilastern korrespondiert. Es ist einfach nur unförmig und hässlich. Längs gezogene Lüftungsschlitze weisen die horizontalen Deckenstreben plump als technische Versorgungsleitwerke aus. Auf das Gruseligste disharmonieren die billig antikisierenden Säulen mit der Technodecke (Stuhlemmer spricht auch von "akustisch wirksamen Decken"), die zu tragen sich die Säulen den Anschein geben. Darunter modernistische Hängelampen (6), die in keinerlei proportionalem Verhältnis zu den Feldern stehen, die sie umgeben:
Das ist nicht komisch, es ist kein Kitsch, es ist einfach nur fürchterlich ... und der Gipfel: 1,2 Millionen Euro hat die Erstellung dieser "schlossähnlichen Anmutung" gekostet.