STERBEHILFE – was Bundesminister Jens Spahn und sein bestellter Gutachter Udo de Fabio aus dem Problem machen. Folge 1

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FOLGE 1: Wenn Politiker sich einen Sachverständigen selbst aussuchen – Udo Di Fabio und das Problem der Sterbehilfe von Helmut Kramer

Dr. Helmut Kramer hält am 8.12.2017 einen Vortrag vor der Juristischen Fakultät der Leibniz-Universität Hannover Foto Uwe Meier

Ausgangspunkt des nachfolgenden Aufsatzes des Wolfenbütteler ehemaligen Richters am OLG Dr. Helmut Kramer, ist der inzwischen bundesweit bekannte Fall der Braunschweiger Tierpflegerin Bettina Koch. Sie ist nur eine der vielen von einem ähnlich schweren Schicksal betroffene Patienten.

Als Folge eines Unfalls war Bettina Koch querschnittgelähmt und bis zum Hals bewegungs- und sprachunfähig. Das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann: Bei vollem Bewusstsein wie ein lebender Leichnam zu liegen, bewegungsunfähig, ohne sich rühren oder sprechen, nicht einmal jammern und sich ausweinen zu können. Wer würde sich da nicht eine schmerzlose Medizin wünschen, um aus dem Leben zu scheiden?

Um ihren Entschluss umzusetzen, hat Bettina Koch bei dem hier zuständigen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Hilfe ihres Ehemannes die Erlaubnis beantragt, fünfzehn Gramm des Präparats Natrium-Pentobarbital zu erwerben. Die Bundesbehörde verweigerte die Genehmigung. Als die Behörde auch ihren Widerspruch ablehnte, ließ die Todkranke, die eigentlich kaum noch transportfähig war, sich unter unsäglichen Schmerzen und Schwierigkeiten in die Schweiz bringen, wo sie sich mithilfe der Sterbehilfeorganisation Dignitas das Leben nahm.

Vorher ließ sie sich von ihrem Ehemann versprechen, ihren Fall weiter zu betreiben, im Interesse auch anderer Leidensgefährten. So hat der Grundsatzfall in einer 12-jährigen Prozessdauer, mit vielem Hin und Her die Gerichte beschäftigt, bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und zum Bundesverwaltungsgericht. Beide Gerichte bejahten das Recht von unheilbar schwerkranken Menschen in „extremen Notlagen“ die todbringende Arznei zu erhalten.

Dennoch hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn das BfArM angewiesen, Anträge auf Genehmigung des Erwerbs dieses Medikaments ausnahmslos zurückzuweisen. Um das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auszuhebeln und sich den Anschein einer gewissenhaften Prüfung zu geben, ließ das BfArM sich von einem Sachverständigen beraten. Aber von wem? Es war der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio, Katholik und wegen seiner reaktionären Gesinnung bekannt. Und so sprach Di Fabio sich in dem bestellten Gutachten erwartungsgemäß gegen jede Leistung von Sterbehilfe aus, womit er im Ergebnis auch den inzwischen 115 weiteren Antragstellern die menschliche Autonomie und das Recht auf ein würdevolles Sterben absprach.

In dem Aufsatz von Helmut Kramer geht es also um das Leben und um den Tod.

Worum es in dem Aufsatz von Helmut Kramer geht, geht auch alle Bürger an. Immer wieder versuchen im Dienst der politischen Macht stehende Juristen, das Recht auf den Kopf zu stellen. Gerade deshalb sollten diese Fragen auch diejenigen nicht abschrecken, die sonst mit juristischen Problemen nicht viel am Hut haben. Denn das Recht gehört nicht den Juristen allein. Es geht alle Bürger an. Und deshalb ist die Justiz auf Anstöße von außen, gerade auch auf Kritik angewiesen. Es ist eine Aufgabe aller Bürger und der Medien, Juristen auf die Finger zu schauen und darüber nachzudenken, wie mit den Mitteln des Rechts Machtmissbrauch und Willkür verhindert und die Grundrechte geschützt werden können.

Wieder einmal gelingt es Helmut Kramer nicht nur die Sachverhalte äußerst kritisch und allgemeinverständlich zu beleuchten, sondern auch den Juristen, der rechtlich mit dem Fall befasst ist. Es handelt sich um den von der Politik bestellten Gutachter und ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht Udo de Fabio. Helmut Kramer hat Herrn de Fabio in einem weiteren Aufsatz gewürdigt („Di Fabios ‚Kultur der Freiheit‘. Zur Geschichtsideologie und zum Hitlerbild eines Rechtskonservativen“), der morgen am 26.12.2018 hier veröffentlicht wird. Dadurch wird noch deutlicher, wes Geistes Kind derjenige ist, dem in diesem Instanzenzug die Letztentscheidung in Sachen Sterbehilfe anvertraut worden ist. (um)

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