Selenz‘ Kommentar: „Ehrenbürger Glogowski“

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Am 11. Februar 2008 soll in der altehrwürdigen Dornse Gerhard Glogowski die Ehrenbürgerwürde der Stadt Braunschweiger empfangen. Vorgeschlagen wurde er von Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann persoenlich.

Als ich die Meldung las, glaubte ich zuerst an einen Druckfehler. Dann an einen Fastnachtsscherz. Aber Rosenmontag war in diesem Jahr bereits am 4. Februar.

Liess der OB nicht hoechstpersönlich vor Jahren ganze Aktenordner mit internem Material in Sachen Mundstock/Glogowski politisch engagierten Bürgern zuspielen? Seine Absicht: Die Bürger sollten der Staatsanwaltschaft Beine machen.

Die Genossen-Staatsanwälte sollten die schweren Betrugsvorgaenge beim Erwerb der Mundstock-Gruppe endlich aufarbeiten und ahnden. Er selbst blieb im Hintergrund – liess sich informieren. Was sich im Jahre 1997 abgespielt hatte, war Betrug, Untreu und vieles mehr.

Das Busunternehmen von Glogowski-Freund Mundstock war von den Braunschweiger Verkehrsbetrieben für 28 Mio. DM gekauft worden. AR-Vorsitzender: Glogowski. Dabei stand der Betrieb in Teilen kurz vor der Pleite. Im Schnitt der letzten drei Jahre hatte man Verluste von ca. 1. Mio. DM eingefahren. Der Ertragswert der Firma lag also bestenfalls bei minus 10 Mio. DM. Das Gutachten zum Unternehmenswert wurde nachträglich angefertigt. Da war der Kaufpreis längst fixiert. Die Bewerter der Firma BSL hatten am 29. April 1997 beim Geschäftsführer der Stadtwerke Braunschweig sogar „vertraulich“ nachgefragt: „Für eine Durchsicht und eine Rücksprache bezüglich weiterer Änderungswünsche waere ich Ihnen dankbar. Mit freundlichem Gruss Dr. Heiner Bente“.
Alles frei nach dem Motto: Wie hätten Sie´s denn gern? Es daurte folglich nicht lange, bis man aus diesem Schmieren-Deal 20 Mio. DM abschreiben musste. Klassischer kann man eine Stadt und deren Bürger nicht betrügen.

Braunschweigs Staatsanwälte spielen nicht nur im Fall Mundstock/Glogowski die Schlüsselrolle. Auch eine Strafanzeige wegen Urkundenfaelschung wurde von dieser Staatsanwaltschaft eingestellt. Glogowski hatte kurz vor seinem Rücktritt als Ministerpräsident ein TUI-Schreiben in seiner Wohnung gefunden. Rein zufällig. Das Schreiben sollte ihn entlasten. Es ging um die Bezahlung seiner Hochzeitsreise. Das Schreiben war aber gar nicht an ihn gerichtet. Adressat war die Staatskanzlei. Eingangsstempel der Staatskanzlei? Fehlanzeige. Die Preussag/TUI AG hat reichhaltige Erfahrung im Fälschen von Dokumenten. Die Anwaelte des Staates übergingen jedoch den offensichtlichen Schmu. Bei dieser Staatsanwaltschaft konnte sich auch die Eiterblase VW zu voller Pracht entwickeln. Ebenso Anlegerschäden in mehrstelliger Millionenhöhe durch die Göttinger-Gruppe – trotz massiver Hinweise durch die Bankenaufsicht und andere Justizbehörden. Sogar die Schändung des KZ-Drütte in Salzgitter am 16. Februar 1999 harrt noch immer der Bearbeitung durch die Justiz. Ministerpraesident damals? Glogowski.

Braunschweiger Staatsanwälte mussten sich im Landgericht am 16. Januar 2008 bereits anhoeren, sie haetten sich im Fall VW „strafbar gemacht“. „Das ist Strafvereitelung im Amt.“, warf ihnen Rechtsanwalt Kubicki vor. Die Staatsanwälte bekamen rote Koepfe und schwiegen. Ein weiteres Novum in einem deutschen Gerichtssaal. „Braunschweiger Verhältnisse“ urteilte SZ-Autor Leyendecker vor Ort im Gericht.

OB Dr. Hoffmann muss sich fragen lassen, welche Konsequenzen er aus seinem skandaloesen, persönlichen Verhalten im Fall Glogowski zieht. In Braunschweigs Geschichte wird er trotzdem eingehen. Es fragt sich nur noch wie. Er hat sogar Chancen, Weltgeschichte zu schreiben. Zumindest ein Kapitelchen. Mit seinem „Hoffmann-Schloss“. Ganz anders, als sein weltbekanntes Vorbild Potemkin. Dessen Pappmaschee-Doerfer waren angeblich nur Ausgeburten hinterhältigen Hofklatsches. Hoffmann hat dagegen ganze Arbeit geleistet. Er hat ein veritables Schloss vortäuschen lassen. Hinter einer Fassade aus teilweise originalen Materialien wuchert indes krebsartig ein Gekroese, das an schlimmste Architektursünden der sechziger Jahre erinnert. Es steht damit im Dialog mit dem kongenialen Kaufhof-Bau gegenüber. Wo waren unsere emsig-pedantischen Denkmalschützer, als man die Baugenehmigung für dies Monstrum erteilte? Beamte, die ansonsten sogar Farbe und Geschmacksrichtung von Fensterkitt vorschreiben. Hier wurden schliesslich Originalteile des früheren Schlosses verwendet. Im neuen „Ehrenbürger Glogowski“ findet das „Hoffmann-Schloss“ allerdings nun eine weitere kongeniale Entsprechung. Armes Braunschweig.

Peine, den 6. Februar 2008 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz

 

 

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