Minister sieht keine Ermittlungsfehler – bei geschlossenen Augen

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Einige Überlegungen zu den Aussagen des Innenministers von Niedersachsen in der Ausgabe der BZ vom 11.01.2010:

  1. Herr Schünemann sagt, wenn man die Untersuchung des Vorfalls vom 20.12. einer anderen Polizeidienststelle übertragen hätte, hätten die Untersuchungen erst Stunden später aufgenommen werden können. Allerdings: die zwei beteiligten Polizisten waren nach Angaben der BZ vom Mittwoch, 21. Dezember, nach zwei vollen Tagen immer noch nicht zum Geschehen befragt worden. Da hatten es die Ermittler also gar nicht eilig. Obwohl doch auf der Hand liegt, dass bei sofortiger Befragung die Wahrheit eher ermittelt werden kann, als nach einem Zeitraum von zwei Tagen. „Unbedachte“ spontane Äußerungen wird es so nicht mehr geben, auch ließen sich die Sichtweisen der beiden Beamten besser synchronisieren. Das kann übrigens schon dadurch geschehen, dass die beiden mehrmals über ihre Wahrnehmungen und Gefühle sprechen, es muss also nicht einmal eine bewusste Täuschungsabsicht dahinter stecken. Um so etwas zu vermeiden, werden Zeugen eben gleich und unabhängig voneinander befragt – normalerweise.
  2. Dagegen: als die Augenzeugen am Unfallort Aussagen machen wollten, wurden sie nach eigenen glaubwürdigen Angaben von der Polizei bezichtigt, die Ermittlungen zu gefährden. Warum wurden sie nicht gleich gehört, wo das doch ganz neue Aspekte für die Ermittlungen eröffnen konnte (was die später abgefragten Aussagen dann ja auch taten)? Mir scheint das ein schwerer Kunstfehler zu sein.
  3. Von mehreren Seiten ist das Argument Schünemanns, man habe keine Alkoholprobe genommen, weil man das nur dürfe, wenn es Anzeichen gebe, dass jemand unter Alkoholeinfluss stehe, schon in Frage gestellt worden. Zu Recht. Es ist sicher schon dem einen oder anderen so ergangen, dass er irgendwo im Stadtgebiet in den Nachtstunden in eine Routinekontrolle geraten ist und pusten musste – ohne dass ihm oder ihr irgendwelche Anzeichen genannt werden konnten. Mir ist es jedenfalls schon einmal (wirklich nur einmal!) passiert, was ich übrigens nicht schlimm fand. Auf jeden Fall aber dürfte das ruckartige Wenden und das Fahren entgegen der Fahrtrichtung (und das offenbar im Kreuzungsbereich) bei den gegebenen Wetter- und Straßenverhältnissen durchaus Anlass für die Vermutung geben, dass vielleicht doch ein kleiner Alkoholeinfluss gegeben war. Diese Vermutung kann durchaus völlig falsch sein, aber dann ist es umso besser, wenn sie durch Fakten widerlegt werden kann.
  4. Schünemann antwortet auf die Frage nach der Alkoholprobe: „Die Beteiligten standen unter Schock, daran denkt in so seiner Situation niemand. Deshalb ist das vermutlich unterblieben.“ Allerdings: das Opfer wurde offenbar trotz seines lebensbedrohlichen Zustands und trotz des von Schünemann genannten Schocks auf Alkohol untersucht, das bestätigt auch die Staatsanwältin Seel.
    Vor allem aber: natürlich standen die zwei beteiligten Beamten unter Schock, denn das hatten sie gewiß nicht gewollt und auch wohl kaum billigend in Kauf genommen. Und natürlich standen auch die ermittelnden Beamten unter einem gewissen Schock, auch, weil sie sahen, dass Kollegen da in eine ganz schreckliche Sache verwickelt sind. Diese sich fast zwangsläufig ergebende emotionale Nähe macht es ja gerade so schwer, objektiv und ohne Ansehen der Person zu ermitteln. Gerade deshalb war es geboten, Ermittler auszuwählen, die zumindest aus einer anderen Stadt kommen. Und selbst die hätten um ihre Professionalität ringen müssen.

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