Einmal hat die Menschheit schon in den Abgrund geblickt. Das war 1962 in der Kubakrise, als ein Krieg zwischen den Großmächten USA und der Sowjetunion drohte. Präsident Kennedy stellte ein Ultimatum. Die ganze Dramatik der Situation wird sehr anschaulich im Film „13 Days“ dargestellt (auch wenn Einiges, u. a. die Vorgeschichte ausgeblendet wird). Nur noch wenige Tage, dann würde es Krieg gegeben, wahrscheinlich auch einen Atomkrieg. Einen Krieg, der zur gegenseitige Vernichtung führen würde, wie Kennedy und einigen seiner Berater schlagartig klar wurde: „Alles, was wir aufgebaut haben, … würde in den ersten 24 Stunden zerstört!“ Andere Berater, etwa aus dem Militär, forderten sofortiges Losschlagen und sahen Kennedy als Schwächling an. Er behielt aber einen kühlen Kopf und erreichte die rettende Verhandlungslösung. Ein gutes halbes Jahr später, im Juni 1963, hielt er eine Rede, in der er seine Erkenntnisse und seine Schlussfolgerungen für die Zukunft ausführlich darlegte, an der American University in Washington. Ein halbes Jahr darauf wurde Kennedy durch ein Attentat ermordet.
Kennedy analysiert die Lage ganz nüchtern. Er greift das Argument auf, dass Frieden unmöglich sei, solange die Führer der Sowjetunion ihre Haltung nicht aufgäben, und setzt sich damit ausführlich auseinander. Einer seiner Kernsätze lautet „Frieden ist ein Prozess, ein Weg, um Probleme zu lösen“.
Es ist wirklich erstaunlich, und jede Leserin und jeder Leser kann es selbst überprüfen: wenn man statt „Sowjetunion“ das Wort „Russland“ oder meinetwegen „Putin“ einsetzt, merkt man, dass der Text hochaktuell ist. Gleichzeitig wird einem klar, dass die heutige Führung der USA sich meilenweit von Kennedys Gedanken entfernt hat, gefolgt von der EU in ihrem Schlepptau. Die aktuelle Politik des Westens arbeitet mit Volldampf erneut auf den Abgrund hin. Die geplante Raketenstationierung in Deutschland ist nur der letzte Beleg dafür. Ob der Absturz auch dieses Mal – wie 1962 – vermieden werden kann? Das hängt vermutlich mehr denn je von den Völkern ab, die die ersten Opfer wären, also von uns allen. Ein neuer Kennedy ist jedenfalls nicht in Sicht. (Hervorhebungen von mir, a.m.)
John F. Kennedy: American University Speech vom 10. Juni 1963 (in Auszügen)
„Ich habe diese Zeit und diesen Ort gewählt, um über ein Thema zusprechen, über das zu oft Unwissenheit herrscht und die Wahrheit zu selten wahrgenommen wird – und doch ist es das wichtigste Thema der Welt: der Weltfrieden.
Welche Art von Frieden meine ich? Welche Art von Frieden streben wir an? Nicht eine Pax Americana, die der Welt durch amerikanische Kriegswaffen aufgezwungen seine sollte. Nicht den Frieden des Grabes oder die Sicherheit des Sklaven. Ich spreche von echtem Frieden, der Art von Frieden, die das Leben auf der Erde lebenswert macht, der Art, die es Menschen und Nationen ermöglicht, zu wachsen und zu hoffen und ein besseres Leben für ihre Kinder aufzubauen – nicht nur Frieden für Amerikaner, sondern Frieden für alle Männer und Frauen – nicht nur Frieden in unserer Zeit, sondern Frieden für alle Zeiten. (…)
Manche sagen, es sei sinnlos, von Weltfrieden oder Weltrecht oder Weltabrüstung zu sprechen, und dass es sinnlos sein wird, bis die Führer der Sowjetunion eine aufgeklärtere Haltung einnehmen. Ich hoffe, dass sie das tun. Ich glaube, wir können ihnen dabei helfen. Aber ich glaube auch, dass wir unsere eigene Haltung überprüfen müssen – als Einzelne und als Nation -, denn unsere Haltung ist ebenso wichtig wie die der Sowjetunion. Und jeder Absolvent dieser Schule, jeder nachdenkliche Bürger, der am Krieg verzweifelt und den Frieden herbeiführen will, sollte damit beginnen, nach innen zu schauen – indem er seine eigene Haltung gegenüber den Möglichkeiten des Friedens, gegenüber der Sowjetunion, gegenüber dem verlauf des Kalten Krieges und gegenüber Freiheit und Frieden hier zu Hause überprüft.
Erstens: Wir sollten unsere Einstellung zum Frieden selbst überprüfen. Zu viele von uns halten ihn für unmöglich. Zu viele halten ihn für unwirklich. Aber das ist ein gefährlicher, defätistischer Glaube. Er führt zu der Schlussfolgerung, dass Krieg unvermeidlich ist – dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist, dass wir von Kräften beherrscht werden, die wir nicht kontrollieren können.
Wir brauchen diese Ansicht nicht zu akzeptieren. Unsere Probleme sind von Menschen gemacht, daher können sie auch von Menschen gelöst werden. Und der Mensch kann so groß sein, wie er will. Kein Problem des menschlichen Schicksals ist jenseits der Menschen. Die Vernunft und der Geist des Menschen haben schon oft das scheinbar Unlösbare gelöst – und wir glauben, dass sie es wieder tun können. (…)
(…) Frieden ist ein Prozess, ein Weg, um Probleme zu lösen. (…)
Unter den vielen Gemeinsamkeiten zwischen den Völkern unserer beiden Länder ist keine größere als unsere gegenseitige Abscheu vor dem Krieg. Unter den großen Weltmächten ist es fast einzigartig, dass wir noch nie gegeneinander Krieg geführt haben. Und keine Nation in der Geschichte des Krieges hat jemals mehr gelitten als die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Mindestens 20 Millionen Menschen verloren ihr Leben. Unzählige Millionen von Häusern und Bauernhöfen wurden verbannt oder geplündert. Ein Drittel des Territoriums der Nation, darunter fast zwei Drittel der industriellen Basis, wurde in ein Ödland verwandelt, ein Verlust, der der Verwüstung dieses Landes östlich von Chicago entspricht.
Sollte heute jemals wieder ein totaler Krieg ausbrechen – egal wie -, würden unsere beiden Länder die Hauptziele sein. Es ist eine ironische, aber zutreffende Tatsache, dass. die beiden stärksten Mächte die beiden sind, die am meisten von der Zerstörung bedroht sind. Alles, was wir aufgebaut haben, alles, wofür wir gearbeitet haben, würde in den ersten 24 Stunden zerstört werden. Und selbst im Kalten Krieg, der für so viele Nationen, auch für die engsten Verbündeten dieser Nation, Belastungen und Gefahren mit sich bringt, tragen unsere Nationen die schwersten Lasten. Denn wir geben beide enorme Geldsummen für Waffen aus, die besser für die Bekämpfung von Unwissenheit, Armut und Krankheit eingesetzt werden könnten. Wir sind beide in einem gefährlichen Teufelskreis gefangen, in dem Misstrauen auf der einen Seite Misstrauen auf der anderen Seite hervorruft und neue Waffen zu Gegenwaffen führen.
Kurz gesagt, sowohl die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten als auch die Sowjetunion und ihre Verbündeten haben ein beiderseitiges tiefes Interesse an einem gerechten und echten Frieden und an der Beendigung des Wettrüstens. Vereinbarungen zu diesem Zweck liegen sowohl im Interesse der Sowjetunion als auch in unserem – und selbst die feindlichsten Nationen können die Vertragsverpflichtungen akzeptieren und einhalten, die in ihrem eigenen Interesse liegen, und nur diese (…)“
Quelle: JFKLibrary.org
Die Rede von Kennedy kannte ich noch nicht. Sie ist wegweisend und für die derzeitige Kriegsführung geradezu zielführend. Wir lernen nicht aus der Geschichte. Das war noch nie so!
„Wir sind beide in einem gefährlichen Teufelskreis gefangen, in dem Misstrauen auf der einen Seite Misstrauen auf der anderen Seite hervorruft und neue Waffen zu Gegenwaffen führen.“ Da sind wir jetzt wieder, im Jahr 2024! Nein, wir sind schon einen gefährlichen Schritt weiter: Misstrauen ist durch überzeugte Feindschaft und große Entschlossenheit ersetzt worden, den Krieg fortzusetzen ad infinitum, ganz gleich, welche Brutalität und Zerstörung und wieviel massenhaftes Sterben und Leid damit einhergeht. Und noch gefährlicher ist das Schweigen der Zivilgesellschaft, die lähmende Gewöhnung an die permanente Kriegspropaganda unserer Medien. Wir sind auf dem Weg in eine unaufhaltsam anmutende Militarisierung der Politik, die unsere Gesellschaft wie ein Krebsgeschwür zersetzen wird. Wo ist der Aufschrei der einstigen Friedenspartei, der GRÜNEN oder der SPD?
Da ist der Ausdruck aus Rainer Mausfelds Vortraegen – ‚Empoerungsmanagement‘.
Da ist ein Artikel aus Amerika21 über die „Ära der leisen Staatsstreiche in Lateinamerika“ – die USA haetten gelernt, „Regierungen ohne zu viel Blutvergießen zu stürzen“.
https://amerika21.de/analyse/109311/aera-der-leisen-staatsstreiche
Das ist nur bedingt richtig, aber daran wird gearbeitet. Dafuer gibt es think tanks – ‚Denkpanzer‘.
Da ist auch das Interview in telepolis mit Prof.Katchanovsky ueber die Maidan-Morde.
https://www.telepolis.de/features/Aufklaerung-der-Maidan-Morde-Ich-bin-nicht-sicher-wann-ich-wieder-in-die-Ukraine-reisen-kann-3369117.html
(bzw sein englisches dokumentiertes paper darueber, leicht zu finden)
Was hatten wir nicht alles – Snowden und Assange, Cambridge analytica und Pegasus-software, Integrity initiative und StratCom east … da ist der Beitrag der Londoner City zum Brexit eine amuesante petitesse:
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5735438
Wenn jemand wissen moechte, was sich alles veraendert hat in den letzten 20 Jahren, der werfe einen Blick in einen Artikel von 2003, der macht das sehr deutlich.
Die Bundeszentrale fuer politische Bildung hatte damals noch Zaehne. Sie dokumentiert einen Artikel aus der Beilage ‚Aus Politik und Zeitgeschichte APuZ‘ zur Zeitung ‚das Parlament‘ – soweit alles voellig harmlos.
Der Bericht ueber „Medien als Waffe“ laesst an Deutlichkeit aber nichts offen – Kritik in dieser Deutlichkeit an Militaer und Medien, so mein Gefuehl, waere heute kaum mehr moeglich in diesen Medien der ‚lupenreinen Demokratien‘.
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/27247/medien-als-kriegswaffe/
Was vergessen? Achja, der obligatorische Warnhinweis:
„Bitte nicht rauchen – Munitionslager der Aufklaerung“
In der Astronomie gibt es das Fermi-Paradox (s.wiki):
nach dem kopernikanischen Prinzip gibt es woanders auch intelligentes Leben, und Simulationsrechnungen zufolge könnte ‚unsere‘ Galaxie (mit Unterlicht-Geschw.) mehrfach durchquert worden sein.
Das Paradox von Enrico Fermi lautet: wenn es sie gibt, wo sind sie?
Da hier anscheinend niemand ist, wurde die Hypothese der ‚grossen Mauer‘ formuliert, eine (oder mehrere) grosse Krisen, die intelligente Spezies am Verlassen ihres Planeten hindern (Ewigkeitschemie, Nanoplastik, Artensterben, Klimakatastrophe, Atomkrieg, …).
Kann sein, ich liege falsch, aber ich glaube an die Vernunft.
Wir sollten uns zusammenreissen, nachdenken und miteinander reden, und unsere Konflikte und Probleme lösen.