Karneval ist immer politisch

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Ein Narr sollte Herz, Verstand und Weitblick haben.“ Kurze Zeit nach dem rechten Terroranschlag in Hanau Fastnacht zu feiern, als sei nichts passiert, wäre für ihn nicht gegangen, so der Karnevalspräsident Schmitt in Mainz. Es sei „die verdammte Pflicht“ der Karnevalisten auf besorgniserregende Entwicklungen einzugehen, sagte Schmitt dem „Stern“. Hier die heiß diskutierte Büttenrede gegen Rechts vom Karnevalspräsidenten Schmitt.

Traditionell sind viele der Motivwagen politisch. Ebenso viele Büttenreden. Das ist das Wesen des Karnevals und wird symbolisiert durch die Übergabe der Macht, also des Rathausschlüssels. Die Narren sagen den Herrschenden wo sie fehl gehen oder gar versagen. Das nehmen auch Rechtsradikale für sich in Anspruch.

Auch Karneval ist politisch
Üblicherweise ist Karneval kein Thema für die FIR. Dass es in diesem Jahr anders ist, liegt an den politischen Vorgängen in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Wie im letzten Newsletter berichtet, gab es in Hanau (Deutschland) einen rassistischen Mordanschlag mit 10 Toten. Darauf reagierten zumindest die großen Karnevalsumzüge, indem nicht nur in Schweigeminuten der Opfer gedacht wurde, sondern auch in Motivwagen der Zusammenhang zwischen rassistischer Hetze und den späteren Schüssen anschaulich gemacht wurde. Diese Karnevalisten hatten verstanden, dass es nicht ausreicht, nur die Opfer zu betrauern. Die gesellschaftlich Verantwortlichen solcher Gewalttaten, die selbst in den Parlamenten ihre rassistischen Thesen verbreiten, sollten mit diesen Darstellungen entlarvt werden. Solche Beiträge wurden in der Öffentlichkeit sehr positiv aufgenommen.

Aber auch Neonazis, Geschichtsrevisionisten und Rassisten nutzten in diesem Jahr Karneval für ihre politische Propaganda. In einer sächsischen Kleinstadt nahm die neofaschistische „Identitäre Bewegung“ als Legionärsgruppe an dem Festzug teil, wobei sie auf Schildern großformatig ihr Organisationsemblem in die Kameras hielt. Angeblich hatte keiner der Organisatoren bemerkt, dass hier deutsche Neonazis am Faschingsumzug beteiligt waren. 

Ärgerlicher war der Aufzug in der spanischen Stadt Campo de Criptana. Auf Fotos sieht man in einer Fußgruppe Dutzende Menschen in Nazi-Montur. Andere trugen gestreifte KZ-Häftlingsanzüge. Ein Wagen war zudem wie eine Gaskammer gestaltet. Auch Kinder mit gelbem Davidstern nahmen an dem Umzug teil. Erst nachdem aus der internationalen Öffentlichkeit Kritik an dieser Form von Geschichtsklitterung laut wurde, erklärte die spanische Außenministerin Arancha González Laya bei Twitter, sie sei „entsetzt“ über den Umzug. „Ich lehne jede Banalisierung des Holocaust entschieden ab.“

Eine skandalöse Form von Rassismus waren in diesem Jahr die antisemitischen Provokationen beim Karnevalsumzug im belgischen Aalst. Dort waren Umzugswagen und Kostüme mit klischeehaften und abwertenden Anspielungen auf orthodoxe Juden zu sehen. Schon in vergangenen Jahren hatten antisemitische Darstellungen für Proteste gesorgt. Trotz weltweiter Empörung waren auch in diesem Jahr beim Straßenkarneval in Aalst wieder Figuren, die der Nazi-Zeitung „Stürmer“ entnommen worden sein können, zu sehen. Juden-Figuren wurden mit Geldsäcken und Ratten gezeigt. Anstatt sich von solchen rassistischen Provokationen zu distanzieren, provozierte der Bürgermeister von der flämisch–nationalistischen Partei mit der Aussage, er werde kein „Zensur-Bürgermeister“. Dagegen haben die UNESCO und die Menschenrechtskommissarin des Europarats die antisemitischen Darstellungen beim Karneval in Aalst eindeutig verurteilt.

Die FIR sieht es als positives Zeichen, dass in diesem Jahr die Medien kritischer auf solche Auftritte reagiert haben als in den vergangenen Jahren. Früher versuchte man so etwas unter „Folklore“ abzutun. Diesmal hat man verstanden, dass dies Zeichen von offen rechter Gesinnung sind, die es zu stoppen gilt.

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