Iran leidet. USA sanktionieren. Und die deutsche Bundesregierung? Schweigt.

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Militärische Aktion auf dem Rücken der Corona-Krise Grafik: B.K.

Viele gewinnen in diesen Tagen ein klares Bewusstsein dafür, dass im Kampf gegen das Corona-Virus alle Länder und alle Menschen zusammenwirken müssen. Weil alle vor dem Virus gleich sind. Manche hoffen sogar, dass angesichts des alle bedrohenden Virus bisherige politische Widersprüche in den Hintergrund treten. Das mag in einigen Fällen zutreffen. Für den Kampf der Regierung der USA gegen den Iran ist leider das Gegenteil festzustellen.

Hochrisikogebiet Iran

Iran ist eines der am schwersten betroffen Länder. Schon jetzt (26. März) sind nach den offiziellen Zahlen 30.000 Menschen infiziert, 2234 sind gestorben. Der Notfalldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Rick Brennan, geht nach einem Besuch des Iran allerdings davon aus, dass die Zahl der Infizierten in Wirklichkeit mindestens fünfmal höher ist. Wissenschaftler der Scharif-Universität gehen auch bei günstigsten Annahmen davon aus, dass das Virus Im Iran 12.000 Menschen das Leben kosten wird. Andere Berechnungen führen in den Millionenbereich und sind leider nicht völlig unrealistisch (Deutsche Welle, 20. März).

Denn die Bedingungen im iranischen Gesundheitswesen sind alles andere als günstig. Durch die – sogar dem Völkerrecht widersprechenden – Sanktionen der USA nach deren Austritt aus dem Atomabkommen leidet nicht nur die Versorgung der iranischen Bevölkerung, auch das Gesundheitswesen ist schwer getroffen. Schon seit einiger Zeit haben die Iraner „den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten verloren“ (Human Rights Watch, USA). Es fehlt an medizinischer Ausrüstung wie sogar an Covid-19-Test-Sets. Zwar seien humanitäre Importe von den US-Sanktionen theoretisch ausgenommen, aber in der Praxis komme nichts durch, weil auch die Banken und Firmen anderer Länder sich nicht trauten, die USA zu verärgern, was dann ihre Aussichten auf dem US-Markt verschlimmern würde.

Sogar die Berliner Firma, die bereit ist, Test-Sets zum Stückpreis von 2,50 Euro an den Iran zu liefern, kann nicht handeln, weil die Bundesregierung sich „schwertut“ mit der Ausstellung der dazu nötigen Bescheinigung (dw.com vom 20. März).

UN – Generalsekretär Guterres fordert sofortige Aussetzung der US-Sanktionen

Guterres untermauert seine Forderung mit dem Hinweis, „dass wir in unserer miteinander verbundenen Welt nur so stark sind wie das schwächste Gesundheitssystem“. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechtsfragen, Bachelet, ergänzt: Wer „im Kontext einer globalen Pandemie medizinische Anstrengungen in einem Land“ behindere, erhöhe dadurch nur „das Risiko für uns alle“. Konsequent wird auch die Aussetzung von Sanktionen der USA gegen andere Länder wie Kuba und Venezuela verlangt.

In der vergangenen Woche haben mehr als 25 Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam einen Aufruf zur Beendigung der Sanktionen veröffentlicht. Sogar der Direktor der Stiftung „Wissenschaft und Politik“, die die Bundesregierung berät, vertritt das „Zurückfahren oder die Aufhebung“ der Sanktionen angesichts der Pandemie (aber auch aus grundsätzlicheren Überlegungen).

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Nouripour fordert ebenfalls eine schnelle Reaktion, weil das iranische Gesundheitssystem zusammenzubrechen drohe. Thomas Oppermann (SPD), Vizepräsident des Bundestages, plädiert immerhin für eine zumindest vorübergehende Lockerung der Sanktionen gegen den Iran und Venezuela, damit die Länder in die Lage versetzt werden, die Krisensituation aus eigener Kraft zu meistern“ (dts Nachrichtenagentur, 26. März).

Die Bundesregierung schweigt

Es gehört eigentlich nicht viel dazu, sich der Forderung des UN-Generalsekretärs und der vielen anderen anzuschließen und von den USA in der Stunde der Not zumindest die Aussetzung der Sanktionen zu fordern. Das wäre nicht zuletzt im Interesse der eigenen Bevölkerung. Aber die Bundesregierung bringt anscheinend selbst das erforderliche Quäntchen Mut gegenüber den USA nicht auf.

Am 2. März, also vor dreieinhalb Wochen, hat sie zwar zusammen mit Frankreich und Großbritannien ein Flugzeug mit Hilfsmaterial und Ausrüstung für Labortests in den Iran geschickt und „zeitnah mehr als fünf Millionen Euro zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie im Iran“ in Aussicht gestellt. Sogar das soll aber nicht direkt fließen, sondern, um die USA nicht zu verärgern, über den Umweg der Weltgesundheitsorganisation. Und angesichts der Lage ist es sowieso nicht mehr als ein Tröpfchen auf einen heißen Stein.

US-Führung diskutiert sogar, die Katastrophe im Iran für eigene Zwecke auszunutzen

Die USA denken offenbar gar nicht daran, die Sanktionen aufzuheben. Vielmehr haben sie diese nach dem Ausbruch von Covid-19 sogar weiter verschärft. Wie die New York Times nun berichtet, gibt es in der amerikanischen Führung sogar starke Bestrebungen, die Schwäche des Iran auszunutzen. Außenminister Pompeo und der Ex-Botschafter Grenell hätten dafür plädiert, direkt gegen iranische Ziele wie etwa Schnellboote loszuschlagen, Militärs hätten sich dagegen ausgesprochen. Seit kurzem verfügen sie über einen zweiten Flugzeugträger im persischen Golf, von denen dutzende Kampfjets des Typs F-18 aufsteigen können. Einer davon soll schon mal die iranische Luftabwehr ausgetestet haben; er habe erst abgedreht, als die Iraner gefunkt hätten: „Das ist die letzte Warnung. Over.“

Volker Perthes, Leiter der oben genannten Stiftung „Wissenschaft und Politik“, stellt zum gesamten Verhalten der USA trocken fest: „Die USA müssen selbst entscheiden, inwiefern sie sich weiter als moralische Großmacht verstehen…“ (DW, 20. März)

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