Interview mit General a.D. Harald Kujat zur neuen Weltordnung und Europa

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General Kujat Foto: Wikipedia

Von Dieter Daunert

Der Schweizer Zeitschrift „Zeitgeschehen im Fokus“ gab General a.D. Harald Kujat ein Interview über die USA dominierte unipolare Weltordnung, die durch eine multipolare Weltordnung abgelöst werden könnte. Das Interview wird in seinen wesentlichen Aussagen nachfolgend wiedergegeben. Das Originalinterview ist hier zu lesen.

Auf die Frage nach der strategischen Autonomie Europas, die eine Idee von Macron sei, antwortet General Kujat, es sei eine überzeugende Schlussfolgerung aus der gegenwärtigen geopolitischen Lage. Harald Kujat fordert die Fähigkeit Europas, sich in der neuen Weltordnung mit den rivalisierenden, großen Mächten wie China, Russland und den Vereinigten Staaten aus eigener Kraft zu behaupten. Der Ukrainekrieg zeige, dass Europa nicht in der Lage sei, europäische Interessen gegenüber anderen Mächten durchzusetzen. Er betont eindeutig, dass die USA als Mitglied der NATO, ihren Beitrag nicht aus humanitären, sondern aus nationalen, sicherheitspolitischen Interessen leisten.

Auf die Frage nach unterschiedlichen europäischen und amerikanischen Interessen betont er, dass die Kündigung des INF Vertrages durch die amerikanische Regierung 2019 eindeutig europäischen Interessen widerspreche. Schon damals betonte ausschließlich Präsident Macron, dass diese Kündigung europäischen Interessen widerspreche. Damals forderte Präsident Macron eine eigene, europäische nukleare Abschreckung, die unabhängig von den USA etabliert werden müsse. Er forderte auch von Deutschland eine Stärkung der militärischen Aufrüstung. Gerade in dem Ukrainekrieg zeigen sich die unterschiedlichen Interessen der USA und Europas. Zu Anfang des Krieges seien die Friedensbemühungen von Macron und Bundeskanzler Scholz von den USA unterlaufen worden. General Kujat fordert eine europäische Sicherheits- und Friedensordnung, in der die Ukraine und Russland eingebunden sein müssten. Er betont, dass die Vereinigten Staaten Russland wirtschaftlich und militärisch schwächen wollen, um sich anschließend dem geopolitischen Rivalen China zuzuwenden.

Die Frage, ob die Russische Föderation einen Angriffskrieg gegen Europa plane, beantwortet er, dass er dafür keine Belege sehe, sondern er glaube, dass Russland allein aus geostrategischen Gründen die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO verhindern wollte, um eine Verschiebung des geostrategischen Gleichgewichts im Westen der russischen Föderation zu verhindern und Russland nach seiner Auffassung bereit wäre, einen hohen Preis dafür zu zahlen.

Auf die Frage, ob ein Konflikt zwischen China und den USA drohe, betont er, dass die USA und China ihr Verhältnis ausschließlich aus geopolitischen Aspekten bestimmten. China sei überzeugt, dass die globalen Risiken durch den Ukraine Krieg gestiegen seien und dass die USA die Hauptverantwortung dafür trügen. Daraus schließt er, dass China und Russland eine engere Zusammenarbeit anstrebten, um langfristig eine multipolare Welt zu etablieren.

General Kujat glaubt, dass aus amerikanischer Sicht China, sowohl in wirtschaftlicher, diplomatischer, militärischer und technologische Weise, die führende Weltmacht werden könne. Die USA versuchen aus diesem Grund, aus den Partnerländern, USA, Australien, Japan, Südkorea Neuseeland und Philippinen ein indopazifisches Netzwerk aufzubauen, wobei der Schulterschluss mit Europa in einem künftigen Konflikt mit China ein wichtiger Baustein sein könne.

General Kujat glaubt, dass Präsident Macron aus diesem Grund, eine autonomere Position anstrebt, um als europäische Macht, nicht in diesen von den USA und China auszutragenden Konflikt hineingezogen zu werden. Präsident Macron glaube, dass Europa in dem zukünftigen Konflikt, seine politischen, wirtschaftlichen, technologischen und nicht zuletzt militärischen Fähigkeiten ausbauen müsse, um handlungs-fähiger zu werden.

Der Konflikt um Taiwan, wird in der aktuellen Situation genutzt, um die europäischen und pazifischen Partner in den Konflikt mit einzubinden. Auf die zunehmend aggressivere Politik Chinas, aber auch die amerikanischen Reaktionen, veranlassen Präsidenten Macron erneut vor diesem Konflikt zu warnen und zu verhindern, dass Europa in diesem kleinen Konflikt mit hineingezogen wird.

Auf die Frage nach der strategischen Autonomie Europas im Verhältnis zu den USA, betont General Kujat, dass die Sicherheit Europas seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und sicherlich noch einige Zeit darüber hinaus von dem amerikanischen Engagement abhängt. Er betont jedoch, dass die strategische Autonomie gegenüber den großen Mächten und eine eigenständige Sicherheits- und Verteidigungspolitik im europäischen Interesse ist. Die Großmächte liefern sich seit Jahren Auseinandersetzung um Einflusszonen, in denen Stellvertreterkriege geführt werden, um die eigenen Interessen durchzusetzen.

Auf die Frage, ob diese Probleme in der Peripherie überall überwiegend durch das Eingreifen der USA entstanden sind, antwortet Harald Kujat, dass die amerikanischen militärischen Interventionen beispielsweise im Irak, in Libyen oder in Syrien, zu großen, regionalen Verwerfungen geführt haben und die Sicherheit des europäischen Kontinents negativ beeinflusst haben.

Auf die Frage, ob das Verhältnis China und USA man auch als Kampf der USA um den Erhalt ihrer Vormachtstellung verstehen könne, antwortet General Kujat, dass die Vereinigten Staaten in China, die umfassendsten und ernsthafteste Herausforderung für ihre nationale Sicherheit sähen. Diese Konkurrenz betrifft unabhängig von den militärstrategischen Aspekten, auch wirtschaftliche Aspekte, um die Gefährdung des Dollars als Weltleitwährung und den politischen Einfluss in Südamerika, Afrika und Asien.

General Kujat glaubt, dass sowohl die USA als auch Europa, die Dynamik, die durch den Ukraine Krieg entstanden ist, unterschätzt haben und fordert, dass Europa in geopolitischer, wirtschaftlicher, technologischer und nicht zuletzt auch in militärischer Sicht Wege der Selbstbehauptung einschlagen müsse. Er konstatiert, dass China und Russland zu einem zweiten geopolitischen Block zusammengewachsen sind mit engen wirtschaftlichen und politischen Bindungen an die BRICS Staaten. Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika umfassen 40 % der Weltbevölkerung, während die G-7 Staaten 12,5 % der Weltbevölkerung repräsentieren. Inzwischen ist das Bruttoinlandsprodukt der BRICS Staaten höher als das der westlichen G-7 starten. China arbeitet mit Saudi-Arabien auf dem globalen Öl Markt und der
Nutzung der Kernenergie zusammen und unterstützt den Beitritt Saudi-Arabiens zu der BRICS-Gruppe. China treibt ferner die Bildung einer rohstoffbasierten Reservewährung als Konkurrenz zum Petrodollar voran.

Auf die Frage, ob sich jetzt andere Koalitionen bilden, antwortet General Kujat die von den USA geforderten und von der europäischen Union umgesetzten Sanktionen haben bei weitem nicht die Wirkung entfaltet, die erwartet worden war. Russland ist bei weitem nicht so sehr geschwächt worden wie erhofft, was als weiterer Beleg angesehen werden kann, das der Übergang in eine multipolare Welt möglich ist .

Auf die Frage, wie die Europäer sich in einer multipolaren Welt zurechtfinden sollen, antwortet General Kujat, dass die geostrategischen Lagen der beiden Kontinente sehr unterschiedlich sind und die Europäer künftig eine größere Verantwortung auf ihrem Kontinent übernehmen müssten. Das heißt, eine neue Sicherheitspolitik, die in einer neuen Sicherheitsarchitektur auf dem europäischen Kontinent und eine Formulierung gemeinsame Interessen im Rahmen einer neuen geopolitischen Weltordnung zu schreiben, sei vordringlich .

Auf die Frage, ob China interessiert sei, in einem Konflikt eine militärischen Auseinandersetzung zu provozieren, betont General Kujat, dass China bezogen auf Taiwan bereit sei, auch militärische Mitteln einzusetzen. Bezogen auf die Dominanz in der Welt versucht China eher auf politisch-wirtschaftlicher und diplomatische Weise Einfluss zu nehmen. Kujat führt weiterhin aus, dass eine ideologisch eingefärbte Außenpolitik zu politischen Risiken führe und neben allgemeinem auch wirtschaftlichen Schaden verursachen könne. Er betont, dass das deutsch-chinesische Handelsvolumen über 200 Milliarden € beträgt und dass wirtschaftlicher Verkehr grundsätzlich auf gleicher Augenhöhe erfolgen solle.

Auf die Frage welche Rolle Europa im Ukrainekonflikt spielen sollte, antwortet Herr Kujat. Er würde seine Aussagen gern auf Deutschland beschränken. Er betont, dass Deutschland aufgrund des Grundgesetzes zu einer Friedensverpflichtung gezwungen sei, was heißt, dass Deutschland sich für ein Ende des Krieges einsetzen muss. Er sei irritiert über die Aussage des amerikanischen Außenministers der aussagte , dass Verhandlungen keine gute Idee seien. General Kujat sagte weiterhin, dass das zwölf Punkte Papier Chinas, dass sich auf UNO-Resolutionen bezog und eine Wiederaufnahme von Verhandlungen vorschlägt, unisono von der deutschen Politik abgelehnt wird, und er sei darüber sehr irritiert.

Abschließend sagte General Kujat, dass Verhandlungen die einzige Möglichkeit seien, um diesen Konflikt zu lösen. Die aktuellen kriegerischen Entwicklungen von beiden Seiten dienen dazu, eigene Verhandlungspositionen zu verbessern, was sich seiner Ansicht nach als Trugschluss erweisen könnte.

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