Fritz Bauer – Biografie eines großen Braunschweiger Juristen

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Wer war Fritz Bauer? Immer mal wieder wird an ihn erinnert, wie zuletzt von Henning Noske in der Braunschweiger Zeitung vom 23. Juni. Sein Name steht für Gerechtigkeit in einem Maße, wie man es hierzulande kaum kennt. Fritz Bauer war Jurist, ein Staatsanwalt – ein ungewöhnlicher und ein mutiger! Gelebt hat er von 1903 bis 1968; gearbeitet in Braunschweig und in Frankfurt/M.

Vielleicht kann man sich ein wenig an ihn herantasten, wenn man hört, dass Konrad Adenauer versucht hat, dass sein Staatssekretär Hans Globke nicht in das Visier von Fritz Bauer kam. Globke war Verfasser des Kommentars der Reichsrassengesetze von 1935 und wurde unter Adenauer Staatssekretär, der als „Graue Eminenz“ in wesentlicher Weise für den Aufbau der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich war.

Aber zurück zu Fritz Bauer. Er war es, der den Auschwitz-Prozess in Gang setzte. Er gab den entscheidenden Hinweis über den Aufenthaltsort Eichmanns in Argentinien, und zwar direkt nach Israel, wodurch Eichmann gefasst wurde. Er hatte sich bewusst nicht an die deutsche Justiz gewandt sondern direkt Kontakt mit Israel aufgenommen, obwohl er Generalstaatsanwalt in Frankfurt war. Er wusste, warum es klüger war nicht die deutsche Nachkriegsjustiz einzuschalten.

Wer war Fritz Bauer? 1903 wurde er in Stuttgart in einer deutsch-jüdischen Familie geboren.

Er studierte Jura und wurde mit 27 Jahren Deutschlands jüngster Anwalt. Er war Mitglied der SPD, kam ins KZ, konnte dann mit viel Glück nach Dänemark und später nach Schweden fliehen. Nach dem Krieg wollte er nach Deutschland zurückkehren. So kam er 1949 nach Braunschweig und war sieben Jahre Direktor am Landgericht bis 1956.

Schon bald wurde er durch seine ungewöhnliche und entschiedene Haltung, NS-Täter zu verfolgen, bekannt – und zwar in einer Zeit des Schweigens und Verdrängens. Von den vielen Prozessen in Braunschweig erregte einer besondere – auch internationale – Aufmerksamkeit. Es war der „Remer-Prozess“. Remer, Kommandeur des Wachbataillons „Großdeutschland“, hatte nach dem Krieg die Männer des 20.Juli als „Landesverräter“ bezeichnet und verhöhnt. Fritz Bauer erreichte in dem Prozess eine Verurteilung von Remer und eine Rehabilitation der Männer um Stauffenberg.

Nach den sieben Jahren in Braunschweig ging Fritz Bauer nach Frankfurt und war dort von 1956 bis zu seinem Tod (1968) als Generalstaatsanwalt tätig. Dabei kämpfte er gegen das große Schweigen und Vergessen als einer der wenigen Juristen gegen eine ganze Gesellschaft (wobei er durchaus gute Unterstützung in seiner Behörde sowie vom Ministerpräsidenten des Landes Hessen hatte). Mit einer Hartnäckigkeit verfolgte er Leute wie Eichmann, Mengele, setzte den Auschwitz-Prozeß (1963-65) in Gang und sorgte dafür, dass die dortigen Verbrechen in das allgemeine Bewusstsein der Öffentlichkeit kamen. Sein weiteres Ziel waren die Euthanasie-Prozesse gegen die beteiligten Ärzte und insbesondere die Juristen, die die rechtlichen Grundlagen für die Euthanasie-Morde gelegt hatten.

Obwohl er diese enorme Aufklärungsarbeit geleistet hatte, ist sein Name doch nur wenigen bekannt geblieben. Und obwohl er zahlreiche Werke und Aufsätze schrieb, die einen wesentlichen und für die deutsche Rechtsgeschichte fast revolutionären Beitrag lieferten, erhielt er kaum Ehrungen – er war und blieb ein einsamer Mensch, der sich in seinem Rechtsempfinden sehr deutlich unterschied von den Menschen seiner Zeit. Sein Ziel war, dass in der Öffentlichkeit das Bewusstsein von dem Unrecht in der NS-Zeit nicht verlorenging – und das ist ihm gelungen.

Nun scheint man sich in neuer Weise auf Fritz Bauer zu besinnen. Ein Zeichen dafür ist sicherlich die neue – und längst überfällige Biographie über ihn von Irmtrud Wojak, die im Frühjahr 2009 im C.H.Beck-Verlag erschienen ist (34 Euro). Ein großartiges Buch, das spannend wie ein Krimi zu lesen ist und Einblick in das ganz eigene Leben dieses Menschen gibt. Fast wie ein Robin Hood, der in einer Weise für das Gute kämpft, wie es in der deutschen Geschichte leider nicht so häufig vorkommt.

Seit 1995 gibt es das Fritz-Bauer-Institut, das seinen Sitz im IG-Farben-Haus (!) in Frankfurt hat. Es lohnt sich, diese Internetseite zu besuchen. Ein ungewöhnliches Institut, das sich mit der Aufarbeitung des NS-Unrechtes beschäftigt (www.fritz-bauer-institut.de ).

Es ist kein Wunder, dass der Name dieses großen Juristen lange Zeit fast vergessen war. Er rührte an die Wunden, das Unangenehme – in Deutschland ging es seit 1946 doch fast nur um das Verdängen, den Wunsch, endlich einen Schlussstrich zu ziehen und den Versuch, neu zu beginnen, ohne sich mit dem Alten zu beschäftigen. Die Versuche von Adenauer dazu bis zur unseligen Rede von Martin Walser in der Paulskirche von 1998… und dann ist da ein Mensch, der einfach nicht locker lässt, dem es nicht gleichgültig ist, was mit den Opfern passierte…

Es ist erfreulich, dass das Andenken an diesen Menschen wieder beginnt – noch kennen ja viele nicht einmal seinen Namen mehr. Aber er sollte in einer Reihe der Personen stehen, die wirklich Großes für das eigene Land geleistet haben. Städte wie Tübingen, Stuttgart und Frankfurt beginnen sich langsam wieder auf ihn zu besinnen. In Stuttgart ist er geboren worden und aufgewachsen, dort ist jetzt auf Antrag der Grünen eine Straße nach ihm benannt worden. In Tübingen hat er viel Zeit in seiner Kindheit und Jugend bei den Großeltern verbracht und in Frankfurt gibt es jetzt das Institut mit seinem Namen.

Und in Braunschweig? Keine Erinnerung, kein Gedenken… Dafür hat er andererseits – außer den Prozessen – etwas Markantes in Braunschweig hinterlassen: An das Gebäude der Staatsanwaltschaft hat er in seiner eigenwilligen Art – und für alle sichtbar – den Spruch in die Fassade einmeißeln lassen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Das war ihm einfach ein Anliegen.

Damit dieser Satz nicht vergessen wird, sollte man auch das Andenken an diesen großen Mann wieder pflegen – der nach der unseligen Rolle Braunschweigs vor und im 3.Reich solche positiven und kraftvollen Akzente gerade hier wieder gelegt hat. Es wäre gut für Braunschweig und seine Bürger, wenn auch hier eine wichtige Straße oder ein bedeutender Platz nach ihm benannt würde. Damit auch nachfolgende Generationen und vor allem auch junge Leute Kenntnis von diesem Menschen haben, der schon in den fünfziger Jahren einen Aufsatz schrieb mit dem Titel „Im Kampf um des Menschen Rechte“ (1955), als hier dieser Begriff der Menschenrechte noch wenig bekannt war. Nicht nur seine Handlungen wie in den Prozessen sind wegweisend, genauso seine Gedanken, die in vielen Aufsätzen und Büchern zum Ausdruck kommen. Mögen die Braunschweiger das Erbe dieses großen Menschen und Juristen, der eine wichtige Etappe seines Lebens hier in der Stadt verbracht hat, in angemessener Weise pflegen.

Wegen seiner jüdischen Wurzeln fühlte Fritz Bauer sich gerade auch als Patriot, was später in den Kontakten zu Thomas Harlan (dessen Vater den unseligen Film „Jud Süß“ gedreht hatte), sehr deutlich zum Ausdruck kam. Thomas Harlan, der sich deutlich von seinem Vater distanziert hatte, war immer wieder überrascht, wie sehr sich Fritz Bauer mit Deutschland verbunden fühlte und für das „positive“ Deutschland eintreten wollte, ein Deutschland, in dem menschliche Werte und Menschenwürde eine wichtige Rolle spielen.

Weitere Hinweise über Fritz Bauer:

Biographie: Irmtrud Wojak – Fritz Bauer 1903-1968. C.H.Beck. 2009.
Zur Autorin Irmtraud Wojak – Vom Verlag gesammelte Ausschnitte aus Rezensionen.
Fritz Bauer: http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Bauer
Fritz Bauer-Institut: www.fritz-bauer-institut.de
Fritz Bauer-Preis und Preisträger: http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz-Bauer-Preis
Zum Remer Prozess in Braunschweig
Filme über Fritz Bauer unter: youtube (Stichwort: Fritz Bauer)
„Humanistische Union“ http://de.wikipedia.org/wiki/Humanistische_Union und http://www.humanistische-union.de/

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Es ist mir ein Anliegen, dass in Braunschweig eine Straße, ein Platz oder auch die neue 4. IGS in Volkmarode nach ihm benannt wird.

Wer diese Initiative unterstützen möchte, kann sich gern bei mir melden:
Udo Dittmann, Große Str.9,
38116 Braunschweig, Telefon 0531- 57 69 42;
udo.dittmann@t-online.de.

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