Aus aktuellem Anlass zur Bürgerbefragung über den Stadionausbau veröffentliche ich nochmals den in der Umweltzeitung erschienenen Artikel zum Demokratieverständnis des Oberbürgermeisters Dr. Hoffmann.
Die Entdemokratisierung Braunschweigs
Seit neun Jahren dirigiert OB Gert Hoffmann uns in eine neue Richtung. Er regiert Braunschweig mit harter Hand und ist dafür sogar wiedergewählt worden.
Es fing schon damit an, dass er versprach, die Schlossfassade nicht mit seiner Einstimmen-Mehrheit durchsetzen zu wollen. Wenige Monate später war dieses Versprechen vergessen. Das BürgerInnenbegehren dagegen wurde vom Tisch gewischt. Genauso das Bürgerbegehren gegen das Spaßbad.
Früher war das anders: Als die Verwaltung 1984 den ersten Bürgerantrag der Friedensbewegung („Für eine atomwaffenfreie Stadt“) durch Nichtanerkennung von Unterschriften für ungültig erklärte, obwohl wir über 8.000 Unterschriften gesammelt hatten, machte ihn die SPD-Fraktion zu ihrer eigenen Sache und brachte ihn nach Kompromissen mit der CDU durch den Rat.
Seit der Machtübernahme der Schwarz-Gelben sind unzählige Ratsbeschlüsse mit knapper Ein-Stimmen-Mehrheit durch den Rat gepeitscht worden. Bei CDU/FDP gibt es grundsätzlich keine Kompromissbereitschaft. So etwas war früher in unserer Stadt und ist im Allgemeinen auch jetzt noch in Kommunen unüblich.
Einige Male mussten CDU/FDP die anderen Fraktionen schon „links überholen“. Ein Beispiel sind die Abstimmungen über die 4. Gesamtschule: Nachdem die Schwarz-Gelben mehrfach Anträge dazu abgelehnt hatten, musste die CDU schließlich, als der Druck aus der Bevölkerung zu groß wurde, selbst einen Antrag für diese Schule einbringen. Gleiches geschah mit der Straßenbahnverlängerung für Volkmarode.
Selbst kleine Zuschüsse für so wichtige Anliegen wie die Markierung von Gedenkpunkten gemäß dem 2001 beschlossenen Gedenkstättenkonzept sind immer wieder niedergestimmt worden, zuletzt 10.000 € in diesem Jahr. Das Ergebnis: eine blamable Geschichtsvergessenheit dieser Stadt.
Stattdessen gibt es Millionenbeträge für Großprojekte: Lichtparcours, Schlossfassade, Otto-Ausstellung, Flughafen. Nun beschränken sich auch die großen Stiftungen auf Großprojekte, so dass für kleine Initiativen kein Geld mehr übrig ist. Dabei sollte von ihnen gerade das Engagement der BürgerInnen gezielt gefördert werden.
Vorschläge von teuren Beraterfirmen und immer mehr Privatisierung, die kaum noch vom Rat kontrolliert werden können, ersetzen immer häufiger den Diskurs im Ratsplenum (Spaßgroßbad, Wallring).
Die Ratsmitglieder Holger Herlitschke und Elke Flake kritisierten am 14.5.2010 laut BZ, „dass durch die Einrichtung des Schlossmuseums die seit Amtsantritt von Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) zu beobachtende Entdemokratisierung des Rates in Braunschweig fortschreite.“
Sofort nach Amtsantritt des CDU-OB wurde die Zahl der Rats- und Ausschusssitzungen dramatisch reduziert. Die Information und Beteiligung der Bezirksräte, die sowieso kaum etwas zu sagen haben, wurden weiter eingeschränkt, statt sie auszuweiten. Überfallartige Anträge sind typisch für die derzeitige Mehrheit im Rat.
Bei BürgerInnenanfragen verlässt OB Hoffmann regelmäßig den Saal, zeigt damit seine Verachtung dieser demokratischen Einrichtung. Überlange Antworten der Verwaltung bei BürgerInnenanfragen verhindern zudem oft die öffentliche Beantwortung von Fragen. Dabei basiert Demokratie auf dem Grundgedanken, dass frühzeitige Informationen und kontroverse Debatten die beste Möglichkeit darstellen, dass Probleme aufgehellt und gute und dauerhafte Lösungen gefunden werden.
Ein charakterisierendes Licht auf Braunschweigs Demokratie-Defizit wirft der Umgang des OB mit der Mitgliedschaft der Stadt bei den internationalen „Mayors for Peace“. Das Friedenszentrum hatte kürzlich die Beteiligung an einer Konferenz der deutschen „Bürgermeister für Frieden“ in Hannover angemahnt, zu denen Braunschweig seit 1987 gehört. Die erste Reaktion aus dem Rathaus war, dass der OB für solche Themen keine Zeit habe. Unser Hinweis, dass die Vertretung der Stadt durch die Stellvertreterinnen oder auch jedes Ratsmitglied möglich sei, führte zu nichts.
Zudem schob OB Hoffmann Bedingungen für die Tagesordnung der Konferenz vor, obwohl er sie bei Teilnahme selbst hätte einbringen können. Nachdem seine Argumente nicht mehr zu halten waren, fiel ihm bei Überprüfung der sechs ReferentInnen der Tagung (darunter Staatssekretär Hoyer und Hannovers OB Weil!) auf, dass ein Artikel einer der ReferentInnen, nämlich von Regina Hagen, auf einer Webseite der DKP zu finden war. Obwohl dieser Artikel – wie inzwischen erwiesen – ohne ihr Wissen ins Internet gesetzt worden ist, das OB-Büro also unzureichend recherchiert hatte, fuhr der OB trotzdem nicht zur Konferenz in die Nachbarstadt.
Er weigerte sich auch, diese Aufgabe zu delegieren. Stattdessen schickte sein Büro erst am Tag der Tagung (!) dem Ratsmitglied Udo Sommerfeld folgende Absage:
„Abgesehen davon, dass er (Hoffmann) einen anderen, wichtigeren Termin wahrnehmen wird, hätte er allerdings an der Veranstaltung auch so nicht teilgenommen bzw. auch keiner seiner Vertreterinnen zugemutet, an ihr teilzunehmen. Auf der Tagesordnung steht ein Referat von Regina Hagen. Regina Hagen hat vor einiger Zeit die Website der DKP Hessen mit einem Beitrag zum Thema „Jugoslawien-Krieg“ gefüllt. Es spricht aus dem Inhalt und aus der Tatsache, dass sie auf der DKP-Seite publiziert, alles dafür, dass sie diesem linksradikalen Milieu zugeordnet werden muss.“
Und eine solche Frau hat Hannovers OB Weil eingeladen, Staatssekretär Hoyer aus Berlin hat ihr zugehört? Gert Hoffmanns Fürsorge gilt den Braunschweiger Ratsmitgliedern: er möchte ihnen eine der tüchtigsten AtomwaffengegnerInnen nicht zumuten! Und sie lassen sich das gefallen.
PS.
Neuste Missetaten:
2 x blockte Herr Hoffmann Wortmeldungen eines Bezirksratsmitglieds in der Bürgersprechstunde Schunteraue ab, obwohl dieses Antworten hätte geben können, die Hoffmann nicht wusste.
Ein vierseitiges Papier aus dem Rathaus zu einem TOP kam im Bezirksrat erst genau zu Sitzungsbeginn auf den Tisch. Absicht?