Einweihung der Informationsstele vor dem Braunschweiger Gefängnis

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Renate Wagner-Redding legt nach der Enthüllung der Stele eine Rose nieder. Alle Fotos Uwe Meier

Die Informatiosnstele zur Geschichte des Gefängnisses in der Nazizeit wurde am 12.07.2022 in der Rennelbergstr. 10 von der Gastgeberin und Leiterin der Gedenkstätte Wolfenbüttel Martina Staats, durch die Ministerin der Justiz Niedersachen Barbara Havliza, der Bürgermeisterin Annete Ihbe und der Stv. Direktorin der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz Brunhilde Frye-Grunwald eingeweiht.

Nach der Enthüllung

Etwa 20 BürgerInnen nahmen an der würdevollen Feierstunde teil. Als stadt-bekannte Persönlichkeiten sind zu nennen die 1. Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Braunschweig Frau Renate Wagner-Redding und Prof. Biegel.

Für die musikalische Begleitung war am Saxophon verantwortlich Hanns-Wilhelm Goetzke.

Hanns-Wilhelm Goetzke aus Lehrte mit seinem Saxophon begleitete die Feierstunfe würdevoll.

Frau Staats begrüßte die Gäste und ging in ihrer Ansprache u.a. auf die Justiz als wichtiger Handlungsgehilfe zur Durchsetzung des Nationalsozialismus ein, so auf die Verfolgung und Ausschaltung von politischen Gegnern durch Inhaftierung nach Aburteilung von
nationalsozialistischen Sondergerichten. Ebenso kam es zu einer Zusammenarbeit von Justiz, Polizei, Gestapo und Militärgerichten. Als Namen von inhaftierten politischen Gegnern nannte Frau Staats beispielhaft Ernst Böhme, Felix Kopfstein, Otto Thielemann und Heinrich Jasper. Sie sieht die Steleneinweihung als einen ersten Schritt, um auf diesen NS-Tatort aufmerksam zu machen.

Frau Staats, die Gedenkstättenleiterin, bei ihrer Begrüßungsrede

Frau Staats dankte allen, die an der Stelenentwicklung- und aufstellung beteiligt waren: dem Leipziger Büro KOCMOC, der Radebeuler Firma Machwerk und den Beteiligten der Braunschweiger Stadtverwaltung sowie den Kolleginnen der JVA Wolfenbüttel, Abteilung Braunschweig. Ebenso dankte sie der Stiftung Zukunftsfonds Asse, der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (Frau Frye-Grunwald als Vertreterin der Stiftung) sowie der Braunschweigischen Stiftung, die das Projekt mit insgesamt 165.000 Euro förderten und es somit ermöglichten. Hier die Begrüßungsrede von Frau Staats.

Die Ministerin Frau Havliza erinnerte an Persönlichkeiten, die im Rennelberg 1933 ohne Grund eingesessen hatten, wie z.B. an den damaligen Braunschweiger Oberbürgermeister Ernst Böhme und den Braunschweigischen Ministerpräsidenten Heinrich Jasper. Ähnliche Schicksale widerfuhren auch anderen Oppositionellen.

Ministerin der Justiz Barbara Havliza bei ihrer Begrüßungsrede

Mit den Stelen gibt es nun Orte, die informieren und die uns zum Nachdenken und Erinnern anregen sollen. Die Stelen erzählen von Menschen, die unter der Willkür des Unrechtregimes gelitten haben oder gar ihr Leben lassen mussten, deren Spuren nicht getilgt werden dürfen, weil man sonst auch ihr Schicksal tilgen würde. Tilgen wir die Spuren unserer Erinnerungsorte, so laufen wir irgendwann Gefahr, auch die Erinnerungen zu tilgen“, so Havliza. Hier die Rede von Ministerin Havliza.

Frau Ihbe (SPD) erinnerte neben den Prominenten Gefangenen wie Böhme, Jaspers und den Sozialdemokraten Otto Thielemann, auch an das Schicksal von Erna Wazinski, die im Rennelberg vor ihrer Überstellung in das Hinrichtungsgebäude in Wolfenbüttel einsaß.

Deutliche Worte fand Frau Ihbe hinsichtlich des zunehmenden Rechtsradikalismus, der auch in den Parlamenten angekommen ist. Rechtpo-
pulistischen Anwürfen und Hass-Tiraden machen sich wieder massiv bemerkbar. Studien belegen, dass rechtspopulistisches Gedankengut wieder „salonfähig“ ist – auch in der Mitte der Gesellschaft. Diese Rechtspopulisten weigern sich, Fakten anzuerkennen und aus der Geschichte zu lernen. Mehr noch: Sie sabotieren bis zur Zerstörung unsere Erinnerungsarbeit. Regelmäßig werden Stolpersteine verunreinigt oder beschädigt. Am „Zentralen Ort“ des Erinnerns, der Gedenkstätte KZ-Außenlager Braunschweig Schillstraße, wurden Gedenktafeln mit rechten Parolen beschmiert. Das wird die Stadtgesellschaft nicht dulden, so Frau Ihbe.

Bürgermeisterin Annegret Ihbe bei ihrer Begrüßungsrede. Die Stele ist rechts noch schwarz verhüllt.

Über der Gedenkstätte KZ-Außenlager Braunschweig Schillstraße steht der Satz: „Die Zukunft hat eine lange Vergangenheit!“ Dieser Satz ist gültig. Wir können und wollen unsere Geschichte nicht verleugnen. Sie wirkt fort in unsere Zeit. Rede von Frau Ihbe.

Frau Staats, Ministerin Havliza und Frau Ihbe in stillem Gedenken. Im Hintergrund die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frau Renate Wagner-Redding.

Kommentar

Es war eine würdevolle Veranstaltung. Die Bedeutung unterstrichen die Anwesenheit und die Grussworte der Ministerin. Wir BürgerInnen der Stadt haben nun einen weiteren wichtigen Ort der Erinnerung und des Gedenkens. Es ist richtig, dass das Land über die Gedenkstätte in Wolfenbüttel durch die Initiative „outsite Wolfenbüttel“ Orte der Einnerung schafft.

Bei diesem offiziellen Gedenken durch Aufstellen von Erinnerungstafeln oder vergleichbaren Gedenkorten kommt jedoch auch die Frage in den Sinn – warum erst jetzt, 77 Jahre nach Kriegsende? Bedurfte es erst einer offiziellen Gedenkstätte, wie die in Wolfenbüttel im Gefängnis, um Gedenkorte zu schaffen? Und auch die in Wolfenbüttel musste erst durch die Zivilgesellschaft erkämpft werden. Gegen die Widerstände im Niedersächsischen Justizministerium.

Hat denn nun dieses Justizministerium in Hannover dazugelernt? Vermutlich nicht! So hat Frau Havliza, die eine schöne Rede in Braunschweig gehalten hat (s.o.), verfügt, dass eine originale SS-Baracke aus dem ehemaligen KZ in Versen und die heute im Gefängnis in Meppen steht, abgerissen werden soll. (siehe TAZ-Bericht und NDR-Bericht). Der Widerstand durch die Zivilgesellschaft ist akut. Da drängen sich direkte Vergleiche auf mit dem vor 45 Jahren von Werner Remmers (CDU) verfügten Abriss der Hinrichtungsstätte in Wolfenbüttel. Remmers scheiterte damals an dem widerständigen Engagement von Dr. Helmut Kramer und den von ihm mobilisierten internationalen Opferverbänden.

Und warum wird immer wieder die Zivilgesellschaft vergessen, die überhaupt entscheidend war und ist bei der Gedenkkultur im Nachkriegsdeutschland. Warum gibt es immer noch keine Gedenk- und Forschungsstelle für die Straftaten und die Kontinuitäten der Blutrichter und anderen Juristen in den „Roben mit den Dolchen darunter“ (engl. Richter bei den Nürnberger Prozessen) und ihrer juristischen Spießgesellen in den Justizpalästen der Nazizeit und denselben Juristen in der Nachkriegszeit? Für Wolfenbüttel war das mal angedacht. Daraus wurde nichts. Wahrscheinlich war in den juristischen Kreisen des Ministeriums der Widerstand zu groß – heute noch.

Es sollte jedoch angesprochen werden, dass die Braunschweiger Zivilgesellschaft, wie z.B. das Friedenszentrums bereits Mitte der 90er Jahre das Gefängnis Rennelbergstraße als wichtigen Gedenkpunkt bezeichnete, der jedoch bis vor kurzem unberücksichtigt blieb. Für eine Gedenktafel wurde seinerzeit folgender Text entworfen:

DIE BRAUNSCHWEIGER POLITISCHE FÜHRUNG UND DIE GESTAPO BENUTZTEN DAS GEFÄNGNIS RENNELBERG ZWISCHEN 1933 UND 1945, UM ANDERSDENKENDE, POLITISCHE GEGNER UND JUDEN OHNE GERICHTSURTEIL EINZUSPERREN. DIE MEHRZAHL DIESER HÄFTLINGE WURDEN IN KONZENTRATIONSLAGER DEPORTIERT, DORT UNMENSCHLICH BEHANDELT UND OFT ERMORDET

Die Liste der Gedenkpunkte ist auf der HP einzusehen: Gedenkstätten – Gedenkpunkte, das Untersuchungsgefängnis Rennelbergstraße steht unter Punkt 13.

Aber daraus wurde damals auch nichts.

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