Einer jungen Frau, die Tochter eines Industriellen aus der Goslarschen Straße in Braunschweig, ist die Stadt viel zu eng. Das verspürt sie schon früh und bricht aus. Das war seinerzeit zu Beginn des 20ten Jahrhunderts höchst ungewöhnlich und nicht “schicklich”.
Der Braunschweig-Spiegel war auf den Spuren von Emelie Esther Scheyer, dieser ungewöhnlichen und mutigen Frau aus Braunschweig, die später nur noch “Galka” genannt wurde und insbesondere in Amerika ihre Abdrücke hinterließ.
Wir veröffentlichen diese Kurzbiografie in drei Folgen. Wir geben wertvolle Hinweise wertvolle Hinweise, falls weiteres Informationsbedürfnis besteht. Davon gehen wir bei dieser spannenden Frau aus. um
Gegensätze: Von Hollywood über Nazi-Deutschland zu ihrem frühen Tod
Sie lernt dort, natürlich wie immer ziemlich schnell, den bekannten Maler Maynard Dixon kennen, den Platzhirschen der Bay-Area Kunstszene. Durch ihn ist sie bald Teil der Künstlergemeinde und schon organisiert sie Ausstellungen für die “Blauen Vier”, hält Vorträge, nicht nur an ihrem neuen Wohnsitz in der Bay Area, sondern auch in Chicago und im Grunde überall, wohin man sie eben einlädt.
Mit den wenigen Verkäufen und den gelegentlichen Mini-Honoraren, kann sie allerdings kaum die Kosten decken. Galka verdient sich ihren Lebensunterhalt als Kunstlehrerin auf einem teuren Mädcheninternat. Sie hält weiter viele Vorträge, gibt aber auch Kindern und Jugendlichen aus prekären Verhältnissen kostenlosen Kunstunterricht. Die Kunstvermittlung an Kinder und Jugendliche bleibt ihr ein lebenslanges Anliegen.
Und sie organisiert Ausstellungen für die gerade aufkommende fotografische Kunst. Galka vernetzt sich mit der chinesischen Theater- und Kunstszene in San Francisco und ist fasziniert von der Kunst der indianischen Ureinwohner (Pueblo Indianer) in New Mexiko.
Anfang der 1930er Jahre wird Galka ihren Lebensmittelpunkt Stück für Stück von San Francisco nach Los Angeles verlagern, wohin sie schon sehr oft gereist ist, um dort Ausstellungen zu organisieren und Vorträge zu halten.
Der Film ist spätestens seit dem Umzug von New York ins sonnige kalifornische Hollywood, also ab 1910, von einem Business zu einer Industrie geworden und immer mehr auch zu der Geldmaschine, die es noch heute teilweise ist.
Und Galka arrangiert sich mit Hollywood, trotz aller Vorbehalte, gegen “Gangster-Darsteller” wie Edward G. Robinson zum Beispiel, der auch ein engagierter Kunstsammler ist und Bilder von ihr kaufen wird. Galka tut einfach, was sie mit am Besten kann, sie schließt Freundschaften mit Filmstars, wie Ingrid Bergman oder Marlene Dietrich. Sie knüpft sich ein Netzwerk und verkauft bald bei arrangierten Abendessen und Parties in ihrem vom Architekten Richard Neutra 1934 gebauten Haus in Hollywood Bilder an die Celebrities und neuen Reichen dieses boomenden neuen Mediums.
Eine eigene Galerie wird sie allerdings nie besitzen.
Aber Galka ist auch immer – ihr ganzes Leben lang – im Aufbruch, auf Reisen, immer nach dem Neuen suchend.
1930 unternimmt sie eine viele Monate lange Schiffsreise über Yokohama, Kobe, Shanghai, Hongkong, Manila nach Bali, um dort den deutschen Maler und Musiker Walter Spiess zu besuchen, dessen Bilder und vor allem auch seine Beschäftigung mit der balinesischen Kultur damals prominente Besucher aus der ganzen Welt anziehen.
1931 lebt sie bei ihren Freunden Frida Kahlo und Diego Rivera in Mexiko. Sie trifft viele andere mexanische Künstler, organisiert in Mexiko City natürlich auch Ausstellungen für ihre “Blauen Vier”. Dieses Jahr 1931 ist auch deshalb ein besonders wichtiges Jahr für sie, weil sie zur amerikanische Staatsbürgerin wird.
Noch zweimal in ihrem Leben – im Sommer 1928 und von Oktober 1932 bis zum Mai 1933 sieht sie ihre alte Heimat wieder. So war sie gerade bei einem Familienbesuch in Braunschweig, als sie dort am 30. Januar 1933 die Machtübernahme der Nazis miterlebte.
Im Freistaat Braunschweig sind die Nazis ja schon seit 1931 der beherrschende Teil der Landesregierung und hatten bereits Berufsverbote gegen Juden und Sozialdemokraten verhängt.
Der Staatsminister für Bildung und Inneres, Dietrich Klagges, hat auch schon dafür gesorgt, dass Adolf Hitler am 25. Februar 1932 zum braunschweigischen Regierungsrat ernannt und dadurch deutscher Staatsbürger wurde. Als Staatenloser hätte Hitler sonst nicht im selben Jahr für das Amt des Reichspräsidenten kandidieren können. Er unterliegt allerdings Hindenburg, der ihn statt dessen dann 1933 zum Reichskanzler ernennt.
Für die Familie Scheyer wurde nun deutlich – es wird immer schwieriger werden, sie in den USA finanziell zu unterstützen.
Bei ihrer Rückreise im Mai 1933 nimmt Galka viele neue Bilder der “Blauen Vier” mit in die USA und rettet sie so sehr wahrscheinlich vor der Zerstörung.
Zum Glück ist Galka inzwischen amerikanische Staatsbürgerin geworden und kann somit problemlos ausreisen. Nicht lange darauf muss sie in Hollywood die ersten Emigranten aus Deutschland betreuen, die vor dem Nationalsozialisten geflohen sind.
Wieviel Geld sie mit der Vermittlung von Bildern verdient hat, die heute Millionenwerte darstellen, weiß niemand mehr. Wirklich viel wird es aber wohl nicht gewesen sein.
Nach 1933 kommen immer mehr als “entartet” gebrandmarkte Kunstwerke aus Deutschland auf den amerikanische Markt und so wird es für Galka noch schwieriger, Käufer für “ihre” Künstler zu finden, die einen angemessenen Preis zahlen.
Auch deshalb verschlechtert sich ab Mitte der 1930er Jahre Galkas finanzielle Lage immer mehr. Ihre Brüder können ihr inzwischen überhaupt kein Geld mehr schicken und natürlich ist die Familie in Braunschweig auch persönlich stark gefährdet.
Der nationalsozialistisch beherrschte Staat presst durch Gesetze und Verordnungen alles aus den deutschen Juden heraus. 1938 werden die Brüder Paul und Erich schließlich gezwungen ihre Firma weit unter Wert an die “arische” Konservenfabrik “Meinecke “ zu verkaufen.
Am Tag der Reichspogromnacht, dem 10. November 1938, werden die Brüder verhaftet und ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. 1939 dürfen sie schließlich, nach dem kompletten erpresserischen Raub durch die exzessive Anwendung der sog. Reichsfluchtsteuer von 1931 und die anschließende Enteignung aller restlichen Vermögenswerte der Familie durch den Staat, in die USA bzw. nach Großbritannien ausreisen. Galkas Mutter stirbt am 24. Februar 1941 an einem Herzinfarkt nach einer Lungenentzündung in einem jüdischen Altersheim in Hannover.
Im ersten Kriegsjahr, 1939, verhilft Galka der Komponist John Cage, ein großer Verehrer Jawlenskys, immerhin noch zu mehreren Einzelausstellungen im Bundesstaat Washington. 1941 organisiert sie ihre letzte “Blaue Vier”-Ausstellung in Honolulu auf Hawaii. In den beiden darauf folgenden Jahren gelingen ihr nur noch zwei weitere Ausstellungen.
Der Krieg hat auch in den USA die Macht übernommen und das Interesse für Kunst ist verständlicherweise in dieser Zeit gering.
Galka erlebt die Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands vom 8. Mai 1945. Sie stirbt am 13. Dezember desselben Jahres mit 56 Jahren an einer Krebserkrankung in ihrem Haus am Blue Heights Drive in den Hollywood Hills (wo Häuser heute acht Millionen Dollar und mehr kosten).
a) Wer möchte, kann in Braunschweig wunderbare Spaziergänge zu den Orten machen, die für Galka Scheyer, ihre Familie, ihre Freunde wichtig waren in dieser Stadt. Weitere Informationen findet man hier.
b) Es gibt die sehr gut recherchierte und informative Broschüre der “Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa” in der TU BS in der Tourist-Info in Braunschweig. Hier kann man sich eine eigene Kennen-Lern-Route zusammenstellen, die auch ein Rundgang durch die großartige jüdische Geschichte des Braunschweiger Bürger-Lebens ist. Viele der Informationen in diesem Artikel über Wohnsitze und das Leben von Galka in Braunschweig sind aus dieser lesenswerten Broschüre.
c) Das Galka Emmy Scheyer Zentrum in Braunschweig bietet auf seiner schön gestalteten Website viele Fotos und eine Vielzahl interessanter Informationen und Details aus ihrem Leben und freut sich über Mitarbeit und Informationen.
d) Das Norton-Simon-Museum im kalifornischen Pasadena hat eine eigene “Blaue-Vier/Galka-Scheyer” Sammlung und bietet interessante Video-Lectures.
e) 2023 ist Braunschweig ein Galka Schleyer Jahr geplant – mit Austellungen im Herzog-Anton-Ulrich und im Städtischen Museum. Der Braunschweig Spiegel wird darüber natürlich weiter informieren.
ENDE