Der Fritz-Bauer-Freundeskreis informiert

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Inschrift von Fritz Bauer an der Braunschweiger Staatsanwaltschaft Foto Udo Dittmann

Liebe Interessenten des Fritz Bauer Freundeskreises, anbei wieder aktuelle Informationen zum Thema Fritz Bauer:

1. Fritz Bauer und die Strafverfolgung zur NS-„Euthanasie“

Was nicht so bekannt ist, dass Bauer auch zur NS-„Euthanasie“ ermitteln ließ, übrigens zeitgleich zu Auschwitz. Beide Ermittlungsinitiativen von Bauer begannen im Jahr 1959, wobei die Ermittlungsakten zur NS-„Euthanasie“ noch umfangreicher als zum Auschwitz-Prozess sind.

Allerdings kam der geplante Großprozess zur NS-„Euthanasie“ (1964) gegen Werner Heyde u.a. nicht zustande.

„T4“ vor Gericht. Fritz Bauer und die Strafverfolgung der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen.

PD.Dr. Tobias Freimüller, stellvertretender Direktor des Fritz Bauer Institutes und Privatdozent am Historischen Seminar der Goethe-Universität Frankfurt a.M. hielt seine Antrittsvorlesung am 5.Mai 2021 an der Universität Frankfurt über Fritz Bauer und dessen Strafverfolgung zur NS-„Euthanasie“. Der Vortrag ist veröffentlicht im neuen Bulletin des Fritz Bauer Institutes (Einsicht 2021, S. 84- 93) und steht dort als Download zur Verfügung. Freimüller beschreibt die drei Tatkomplexe, die Bauer bezüglich der NS-„Euthanasie“ betrieb:

1. Verfahren gegen Schlegelberger u.a., 2. Verfahren gegen Ärzte und weiteres Personal der T4- Aktion sowie 3. das Verfahren gegen Werner Heyde u.a. Der Vortrag gibt einen guten Überblick über Entstehung und Durchführung der Strafverfolgung, die insgesamt für Bauer recht enttäuschend verlief.

  • Dazu auch: Helmut Kramer – Das Verfahren Fritz Bauers zur Beteiligung der Justiz am Anstaltsmord (in H. Loewy/ B. Winter: NS- „Euthanasie vor Gericht“. Fritz Bauer und die Grenzen juristischer Bewältigung. Frankfurt. 1996. S.81- 131)

2. Fritz Bauer in Braunschweig – Stadtrundgang und Remer-Prozess

Im Begleitprogramm zur Fritz-Bauer-Ausstellung in Braunschweig wurde ein Stadtrundgang zu Fritz Bauer angeboten (mit Udo Dittmann und Anna-Sophia Fischer). Der Rundgang umfasst 7 Stationen und beschreibt historische Orte in Braunschweig jeweils mit Bezügen zu Bauer. Anbei in einem 1. Teil die ersten vier Stationen (Städtisches Museum, Magnikirche, Volksfreundhaus, Schloss). – Die Bezüge von Bauer zu Braunschweig sind vielfältig und eng verbunden mit der Braunschweiger Geschichte ab 1930.

Bauer bezeichnete Braunschweig einmal als „hiesiges Nest“, in das er nun geraten war. Allerdings spielte Braunschweig von 1930- 1933 reichsweit eine Sonderrolle (nicht zuletzt durch die Einbürgerung Hitlers in Braunschweig 1932), mit der er ab 1950 sich als Generalstaatsanwalt auseinandersetzen musste.                                                                                                         Anhang 1

Dazu auch ein Text von Gerd Biegel: Fritz Bauer und der Remer-Prozess 1952

Der Text erschien in der Braunschweiger Zeitung am 1.Dez. 2021. Gerd Biegel hatte im Begleitprogramm zur Bauer-Ausstellung einen Vortrag zu dem Thema gehalten.                  

Geplant:

Der Fritz Bauer Freundeskreis plant gemeinsam mit dem DGB eine Veranstaltung zum 10jährigen Bestehen des Fritz-Bauer-Platzes in Braunschweig (im September 2022). Außerdem wird der Fritz-Bauer- Freundeskreis einen Antrag stellen, die neue 6. IGS in der Stadt nach Fritz Bauer zu benennen.

3. Die Ausstellung „Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht“ –  ab April 2022 in Wien

Die nächste Station der Frankfurter Fritz Bauer Ausstellung wird nach Braunschweig Wien sein (voraussichtlich ab 21. April 2022 im Justizpalast Wien).

4. Neuer Dokumentarfilm zu Fritz Bauer

Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht. (Deutschland, 2022) – 98 Min von Sabine  Lamby, Cornelia Partmann, Isabel Gathof Der Film ist in deutscher, englischer und hebräischer Sprache zu sehen.

5. Laudatio und Dankesrede zum Fritz Bauer Preis 2021 der Humanistischen Union

Der Fritz Bauer Preis 2021 der HU wurde an das Redaktionsteam von Netzpolitik.org vergeben. Im Folgenden die Links zur Laudatio von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und die Dankesrede von Markus Beckedahl:

6. Verschiedene Aspekte zum Holocaust

– Zur Wannseekonferenz (20. Januar 1942)

Anbei ein Beitrag von Achim Engelberg: „Was bedeutet die Wannseekonferenz von 1942 heute?“ Der Text informiert kurz über die Konferenz sowie über den ZDF-Spielfilm „Die Wannseekonferenz“ von Matti Geschonneck. Ein sehr gelungener, vielleicht auch sehr „deutscher“ Film, in dem die Menschenverachtung der Teilnehmenden sehr deutlich zum Ausdruck kommt.                    

– Zum Verhältnis von Holocaust und Kolonialismus

Im oben genannten Beitrag von Engelberg wird auf eine Diskussion zum Thema Holocaust und Kolonialismus verwiesen, die 2021 in der ZEIT geführt wurde. Eine nicht einfache Debatte, da es um die Frage der Einzigartigkeit des Holocaust geht. Jürgen Zimmerer (Uni Hamburg) und Michael Rothberg (Los Angeles) fordern eine Enttabuisierung des Vergleichs. Im SWR gab es am 18.01.2022 zu dem Thema eine Diskussion mit Norbert Frei (Jena), Sybille Steinbacher (Fritz Bauer Institut Frankfurt) und Jürgen Zimmerer (Hamburg).

7. Joachim Perels: Lebensstationen eines kritischen Gewissens (biographische Gespräche)

Joachim Perels, geboren 1942, war Hochschullehrer in Hannover für „Politische Wissenschaft“ und großer Fritz-Bauer-Kenner. 1998 gab er mit Irmtrud Wojak das erste Buch mit Aufsätzen von Fritz Bauer unter dem Titel „Die Humanität der Rechtsordnung“ heraus, 2012 erhielt er den Fritz Bauer Preis der Humanistischen Union.

Als Student hatte er 1968 mit Bauer zu tun, als es um die Gründung der Zeitschrift „Kritische Justiz“ ging, die von Bauer tatkräftig unterstützt wurde. Der Vater von Joachim Perels wurde 1944 nach dem 20. Juli als Widerstandskämpfer verhaftet und hingerichtet. Nun ist ein biographisches Buch zu Joachim Perels erschienen. Es sind Gespräche, die Martin Arends mit Perels geführt, aufgezeichnet und bearbeitet hat. Ein interessantes Buch über Lebenserinnerungeneines Juristen und Historikers, der viel mit deutscher Geschichte und auch mit Fritz Bauer zu tun hatte.

Joachim Perels. Ansichten und Lebensstationen eines kritischen Gewissens“. Gespräche, aufgezeichnet, bearbeitet und herausgegeben von Martin Arends, Edition Coram Deo, Vöhrum, 2021.

Außerdem ein Hinweis auf das Buch von Perels „Der Nationalsozialismus als Problem der Gegenwart“ (2015) mit zahlreichen Beiträgen und Rezensionen von ihm, insbesondere auch zu dem Buch von Fritz Bauer „Die Kriegsverbrecher vor Gericht“ (1945).

8. Ronen Steinke: Terror gegen Juden (2020)

Der Jurist und SZ-Journalist Ronen Steinke, bekannt auch durch seine Fritz Bauer Biographie „Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht“ hat ein neues Buch herausgebracht, das informativ und erschütternd zugleich ist:

„Terror gegen Juden. Wie antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt. Eine Anklage“.

Von Ronen Steinke. Berlin Verlag. 2020.

Dass Buch ist als Anklage verfasst und schildert die Bedrohungen, denen jüdische Menschen auch nach 1945 in Deutschland ausgesetzt sind. In einem umfassenden Anhang listet er die Angriffe der Verbrechen seit 1945 auf. Diese kommen von rechts, auch von links und zunehmend von muslimischer Seite. Er kritisiert den Staat bei der Verfolgung der Straftaten, es gäbe zu schnelle Einstellungen, zu milde Urteile. Das betrifft letztlich nicht nur Juden, sondern auch andere Minderheiten in Deutschland wie Muslime, Homosexuelle, Roma und Sinti usw. Er erwähnt den Fall von Semiya Simsek, die in ihrem Buch „Schmerzliche Heimat“ ebenfalls das Versagen der Behörden im Falle des NSU´ beschreibt, wie die Opfer lange Zeit sogar als Täter verdächtigt wurden.

Angesichts des Versagens von Behörden und Justiz stellt Steinke verschiedene Forderungen auf, um Juden und andere Minderheiten stärker zu schützen, darunter auch wesentlich härtere Strafen bei „hate crimes“.

Anbei eine Rezension von Andrea Kirchner im Bulletin des Fritz Bauer Institutes (Einsicht 21, S.140) sowie von Dietmar Buchholz in Erziehung& Wissenschaft (GEW) Dez 2021/ Jan 2022         Anhang 4

9. Gedenkstätten mit „doppelter Vergangenheit“/ Waldheim-Prozesse

Nach dem Krieg wurden von den Sowjets in ihrer Besatzungszone eine Reihe von „Speziallagern“ eingerichtet, die in der DDR später weitgehend tabuisiert wurden. Nach der Wende wurde dies eine neue Thematik. Einige der insgesamt 10 Speziallager wurden auf dem Gelände früherer KZs wie Buchenwald oder Sachsenhausen eingerichtet, nachdem diese von den Alliierten befreit worden sind.

Die Gedenkkultur nach der Wende musste dies berücksichtigen, insofern diese KZ-Gedenkstätten eine „doppelte Vergangenheit“ haben. Dabei ging es auch darum, die NS-KZs nicht zu relativieren. Die  „Faulenbach-Formel“ wurde dafür Leitmotiv, wonach die „NS-Verbrechen (…) weder durch die Verbrechen des Stalinismus relativiert noch die Verbrechen des Stalinismus durch Hinweis auf die NS-Verbrechen bagatellisiert werden“ dürfen.

Die Speziallager in der ehemaligen SBZ sind noch wenig erforscht. Diese Lager sind von den Erfahrungen des sowjetischen Gulag geprägt worden, was das Rechtsverständnis und die Methoden betrifft. Die Todesrate in den Speziallagern war und entspricht etwa mit einem Drittel derjenigen der deutschen KZs (es gab ca 122.000 Internierte, davon starben etwa 42.000). Inhaftiert wurden in erster Linie politische Gegner, also nicht nur Nazis, sondern auch kritische Mitglieder von KPD und SPD.

Beendet wurde die Phase der Speziallager im Jahr 1950 mit ihrer Auflösung. Die  Häftlinge aus den drei letzten Lagern, die noch keine Verurteilung hatten (insgesamt 3442 Personen), wurden nach Waldheim (Sachsen) gebracht und dort angeklagt. Die „Waldheimer Prozesse“ waren geheim, d.h. nicht öffentlich. In Schnellverfahren gab es Massenaburteilungen, die nicht westlichen Standards entsprachen.

Peter Reif-Spirek, Bodo Ritscher (Hg): Speziallager in der SBZ. Gedenkstätten mit „doppelter Vergangenheit“. Berlin. 1999.

Wolfgang Eisert: Die Waldheim-Prozesse. Der stalinistische Terror 1950. Ein dunkles Kapitel der DDR-Justiz. München. 1993.

10. „Zustand und Gelände“: Ein Film über frühe KZs der Nazis  (1933)

Der Film „Zustand und Gelände“ (2021) von Ute Adamczewski berichtet über wilde Konzentrationslager der Nazis 1933, die heute weitgehend vergessen sind und ihre geschichtlichen Überschreibungen in den Jahren 1945, 1977, 1990 und 2011. Der Film erhielt auf der DOK Leipzig (Internationales Festival für Dokumentar – und Animationsfilm) den Preis als bester Dokumentarfilm und den ver.di Preis für Menschlichkeit, Solidarität und Fairness.

11. NS-„Euthanasie“

– Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation

Die Herbsttagung 2021 des Arbeitskreises fand in Brandenburg an der Havel vom 12.- 14.11.2021 statt. Dazu ein Tagungsbericht von Udo Dittmann (siehe Anhang) Anhang 5 sowie ein Bericht auf H/SOZ/KULT von Till Strätz, Gedenkstätte Sachsenhausen

Die nächsten AK-Tagungen finden statt (Info unter www.ak-ns-euthanasie.de) vom 10.6.- 12.6.2022 in Evangelischer Stiftung Alsterdorf (Hamburg) vom 11.11.- 13.11.2022 in Lüneburg

AK-Online-Treffen „Zwischendurch“

In Brandenburg wurde auf der Tagung verabredet, dass es wegen des großen Interesses auch Online-Treffen zwischen der Frühjahrs- und Herbsttagung geben sollte. Ein erstes Online-Treffen fand statt am 8.02.2022. Ansprechpartner für weitere Treffen ist Robert Parzer (Berlin) robert.parzer@gedenkort-t4.eu

Gedenkstätte Wehnen (Oldenburg)

Bei dem Online-Treffen „Zwischendurch“ stellte Hannah Sandstele ihr neues Projekt (ein online-Spiel zur NS-„Euthanasie“) vor, das insbesondere auch für SchülerInnen konzipiert wurde. Das Spiel (als serious game) ist auf der Webseite der Gedenkstätte nachzuspielen.

– „Die Anstalt Wiesengrund und ihre Patienten, 1938- 1946“ Deutsch-tschechische Tagung

Die Tagung fand vom 17.11.- 19.11.2021 in der Sozialakademie  Haus Silberbach (Bayern) statt. Eine CD mit Präsentationen kann bestellt werden bei Rene Milfait (rene.milfait@efj.de ) Dazu auch das zweisprachige Buch (in deutsch und tschechisch) von Rene Milfait Hg): NS-„Euthanasie“. Lebensunwertes Leben versus Menschenwürde. (2020)

12. Koppe-Stiftung

Die Frankfurter Koppe-Stiftung unterstützt Projekte zur jüdischen Geschichte und zur NS- „Euthanasie“.  Auf der Startseite ihrer Webseite erscheint die Inschrift, die Fritz Bauer am Gebäude der Generalstaatsanwalt in Frankfurt anbringen ließ. Ein Überblick über die neuen Unterstützungen.

13. Braunschweig – Stele in der Gedenkstätte Buchhorst eingeweiht

Am 13.01.2022 wurde in der Gedenkstätte Buchhorst (in Braunschweig- Riddagshausen) eine Stele zum Gedenken an NS-Opfer eingeweiht. In der NS-Zeit wurden an diesem Ort Soldaten, Kriegsgefangene und Zivilisten, die von der Militärjustiz oder vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt waren, erschossen. Die Einweihung war schon im Dezember 2021 geplant, musste aber wegen der Beschädigung der Stele verschoben werden (aus BZ vom 14.1.2002).                 

14. Fritz Bauer Freundeskreis

Das nächste Treffen des Fritz Bauer Freundeskreises  ist am Montag, den 21.März 2022, um 17 Uhrim DGB-Haus Braunschweig, Wilhelmstraße 5.                                                                         

Am Do, 17.02.2022, von 20- 21 Uhr wird sich der Fritz Bauer Freundeskreis beim lokalen Radiosender „Okerwelle“  (104,6)  in der Sendung „Wunschkiste“ vorstellen.

Weitere Infos zum AK auf der Webseite www.fritz-bauer-freundeskreis.de

Viele Grüße

Udo Dittmann

     

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